Schwimmer Sun Yang:Mehr Hammer, weniger Hund

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Sun Yangs Follower hielten das Verfahren für eine westliche Verschwörung gegen das chinesische Volk. (Foto: Bai Xuefei, via www.imago-images.de/imago images/Xinhua)

Lässt sich der Sport noch einer globalen Rechtsprechung unterwerfen? Das kassierte Dopingurteil gegen Schwimmer Sun Yang stellt die Gerichte auf die Probe.

Kommentar von Claudio Catuogno

Eines der wichtigsten Urteile des Internationalen Sportgerichtshofs Cas ist null und nichtig, weil der Vorsitzende Richter auf Twitter Chinesen beschimpft, die Hunde schlachten und zum Verzehr anbieten. Das ist also die neueste Kuriosität im Anti-Doping-Kampf. Der chinesische Olympiasieger Sun Yang, 29, der eine Blutprobe mit einem Hammer zerstören ließ und acht Jahre aus dem Schwimmbecken verbannt werden sollte - er ist wieder im Spiel. Weil der Jurist Franco Frattini, der Suns Sportprozess leitete - immerhin ein ehemaliger italienischer Außenminister - vom Schweizer Bundesgericht für befangen erklärt wurde. Befangen gegenüber dem chinesischen Volk. Wegen Hundefleisch-Tweets.

Kurios und deftig ist es beim Dopen schon immer zugegangen: vom mutmaßlichen Anschlag per Zahnpastatube über in Körperöffnungen verstecktes Fremdurin bis zum berühmten Loch in der Wand des Labors von Sotschi, durch das der russische Geheimdienst Probenfläschchen austauschte. Und nun also ein Tierschützerjurist, der chinesischen Hundefleisch-Liebhabern mit derart groben Worten ("Bastarde") die Menschlichkeit abspricht, dass sein Urteil über einen chinesischen Schwimmer kassiert wird. Verrückt.

Es könnte allerdings sein, dass es hier auch um etwas Grundsätzlicheres geht: um die Frage, ob sich in einer längst auch kommunikativ auseinanderdriftenden Welt wenigstens der Sport noch einer globalen Rechtsprechung unterwerfen lässt.

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Das Schweizer Bundesgericht hebt die acht Jahre Dopingsperre gegen den Schwimmer Sun Yang auf - aber nicht, weil es den Chinesen für unschuldig hält. Es geht um Tweets des leitenden Richters.

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Sun Yangs Follower hielten das Verfahren ohnehin für eine Verschwörung gegen das chinesische Volk

Tatsächlich hatte der Prozess, der vom Cas ausnahmsweise öffentlich geführt wurde, genau das offen gelegt: ein bedrohliches Aneinander-vorbei-Reden und Aneinander-vorbei-Verstehen. Die einen argumentierten mit Regeln und Richtlinien, die anderen - namentlich Sun Yang und seine heimischen Unterstützer im Verband und bei den Behörden - waren trotzdem überzeugt, nichts falsch gemacht zu haben. Sie fühlten sich im Recht, in ihrem Recht; und so sahen es auch viele der 33 Millionen Follower Sun Yangs im sozialen Netzwerk Weibo: Sie hielten das Verfahren für eine westliche Verschwörung gegen das chinesische Volk.

Ein Konsens, wofür genau die Gerichte da sind, lässt sich in der Welt nicht finden. Nicht nur in China hat man da eigene Vorstellungen, auch in der Türkei oder in Polen, und neuerdings in jenem Teil der USA, der Donald Trump für den Gewinner der Präsidentenwahl hält; die Gerichte müssten es halt durchsetzen! Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag ist ein Torso geblieben. Der Internationale Sportgerichtshof in Lausanne war zwar auch nie eine perfekte Organisation, im Gegenteil: Er ist abhängig vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC), seine Mängelliste ist lang. Aber immerhin gibt es ihn: den Hüter eines Regelwerks, dem sich alle unterwerfen müssen, die am globalen Sportbetrieb teilnehmen.

Die gemeinsamen Regeln gelten für alle, und sie werden auch von allen gleich verstanden: Wenigstens im Sport hat man das lange durchsetzen können. Nun muss der Cas mit einem neuen Richterpanel über Sun Yang befinden. Hoffentlich geht es dann wieder mehr um den Hammer, weniger um den Hund.

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