Schwabing:Ein Denkmal nimmt Schaden

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In der Osterwald-Siedlung stehen 36 Keller und Tiefgaragen unter Wasser. Am stärksten und längsten betroffen ist die Wohnanlage von Architekt Otto Steidle an der Genter Straße 13. Jetzt schaltet sich ein CSU-Landtagsabgeordneter ein und droht der Stadt mit Strafanzeige

Von Stefan Mühleisen, Schwabing

Da nach mehr als einem halben Jahr noch immer keine Lösung für die Hochwassersituation in der Schwabinger Siedlung an der Osterwaldstraße in Sicht ist, zeigt sich der Landtagsabgeordnete Robert Brannekämper (CSU) entschlossen, wenn nötig Anzeige gegen das städtische Baureferat zu erstatten. Er habe der Baureferentin Rosemarie Hingerl einen Brief mit der Aufforderung geschrieben, dass die Behörde umgehend den Anwohnern helfen sowie ihm mitteilen solle, wie sie dies zu tun gedenke. "Ich habe keine Antwort erhalten. Und wenn ich diese nicht bis 15. Januar 2021 bekomme, werde ich wegen Schädigung eines Denkmals Strafanzeige einreichen", kündigt Brannekämper an, der im Bayerischen Landtag den Ausschuss für Wissenschaft und Kunst leitet sowie Mitglied im Landesdenkmalrat ist.

Damit gerät ein Gesichtspunkt in den Blick, der bisher in der Sache eher als Randaspekt behandelt wurde. Insgesamt sind seit Frühjahr 2020 mindestens 36 Keller und Tiefgaragen in der Siedlung an der Osterwaldstraße, gelegen zwischen Isarring und Englischem Garten, mit Grundwasser überschwemmt - doch eines der Anwesen, die Anlage Genter Straße 13 a-f, ist in die Liste der bayerischen Baudenkmäler eingetragen: ein sechsteiliger Flachdachbau, errichtet vom Architekten Otto Steidle (mit Doris und Ralph Thut) 1972. Es ist diese Anlage, die bereits seit fünf Jahren von Überschwemmung betroffen ist; ebenso lange sind das Referat für Gesundheit und Umwelt (RGU), die Münchner Stadtentwässerung (MSE) und das staatliche Wasserwirtschaftsamt München auf der Suche nach einer Ursache, bis heute ohne eindeutiges Ergebnis.

Land unter: Die Anlage Genter Straße 13 a-f ist von der Überflutung besonders betroffen. (Foto: Catherina Hess)

Inzwischen gibt es verschiedene Gutachten, in Auftrag gegeben von der Stadt und einer Anwohner-Interessengemeinschaft, die zwar ähnliche Einflussfaktoren (Aufstau am Regenwasserkanal, geologisch bedingter hoher Grundwasserstand, zeitweise lecke Abdichtung am Kleinhesseloher See) für das Problem in der gesamten Siedlung identifizieren, aber unterschiedliche Schlüsse ableiten, was zu tun sei und wer das zu bezahlen habe. Die Stadtverwaltung sieht die Eigentümer in der Pflicht, auf eigene Kosten Pumpen zu installieren und die anfallenden Abpump-Gebühren zu bezahlen. Die Gegenseite glaubt: Die Stadt sei in der Verantwortung, da im Untergrund widerrechtlich Wasser aufgestaut werde. Der Umweltausschuss des Stadtrates beschloss zuletzt, dass die Verwaltung in einem Mediationsverfahren möglichst zügig eine gedeihliche Lösung finden soll, um einen Streit vor Gericht zu verhindern.

Landespolitiker Brannekämper zeigt sich unterdessen nahezu ungehalten, dass die Verwaltung de facto bisher nichts unternommen habe. "Das ist ein Multiorganversagen aller Behörden", wirft er nicht nur der städtischen Verwaltung, sondern auch der Regierung von Oberbayern vor. "Alle schauen zu, und keiner fühlt sich zuständig, bei dieser Notsituation einzugreifen." Nach seiner Auffassung ist zumindest das Baureferat dafür zuständig, das denkmalgeschützte Anwesen an der Genter Straße vor dem Verfall zu bewahren, immerhin stünden die Keller seit fünf Jahren unter Wasser. "Wenn ich bis 15. Januar von der Verwaltung keine Antwort bekomme, werde ich Strafanzeige stellen."

Franziska von Gagern im Juni in der Garage. (Foto: Catherina Hess)

Die Eigentümer der Wohnanlage bangen unterdessen, dass ein kalter Winter ihr Gebäude weiter schädigen wird. "In den vergangenen Jahren sanken die Pegel über Weihnachten immer unter Kellerniveau, heuer nicht. Das Wasser steht gut neun Zentimeter hoch", berichtet Franziska von Gagern, Bewohnerin der Anlage und Sprecherin der Anwohner-Interessengemeinschaft aus 36 Betroffenen. Die Befürchtung: Bei starkem Frost könnte gefrorenes Wasser Risse in die Fundamente sprengen, in der Folge die Eisenarmierung im Beton rosten. Auf Hilfe von der öffentlichen Hand mag Gagern nicht mehr hoffen. "Es gab von der Stadt noch keinen einzigen Vorschlag, der uns weitergeholfen hat", sagt sie. Damit meint sie auch das anstehende Mediationsverfahren.

Der Anwalt der Interessengemeinschaft, Benno Ziegler, hatte zuletzt dem federführenden RGU ein Güterichter-Verfahren beim Verwaltungsgericht München angetragen, da dort ohnehin ein Verfahren zu der Sache anhängig sei. Doch das RGU verweist in seiner Antwort vom 21. Dezember darauf, dass weitere Personen "grundsätzlich zu beteiligen" seien, ihre Zustimmung aber noch nicht erteilt hätten, ferner "Vorfragen" abgeklärt werden müssten. "Insoweit muss noch abgewartet werden, ob das Mediationsverfahren und unter welchen Voraussetzungen es durchgeführt wird sowie wer als geeignete Mediatorin bzw. Mediator gewonnen werden kann."

Anwohner-Anwalt Benno Ziegler lässt durchblicken, dass er das für unnötig kompliziert hält. "Ich würde mir wünschen, dass der Schwung, den der Umweltausschuss in die Angelegenheit gebracht hat, von der Verwaltung umgesetzt wird."

© SZ vom 29.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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