Null Acht Neun:Auf ein Neues!

Auch wenn dieses Jahr manches Gute im Schlechten hatte: Es wird Zeit, dass es sich schleicht

Glosse von Anna Hoben

Kurz vor Weihnachten ließ die städtische Pressestelle mit einem bemerkenswerten Satz aufhorchen. Der Satz lautete: "Im öffentlichen Raum wird es kein Silvester geben." Im Grunde ist jedem klar, was damit gemeint ist; die Mitteilung erläuterte es dennoch: "Bayernweit ist das Verlassen der Wohnung rund um die Uhr nur aus triftigem Grund erlaubt, Sekt trinken und Raketen abfeuern gehören nicht dazu." Trotzdem warf der Satz Fragen auf: Wenn es kein Silvester gibt, bedeutet das folglich, dass es keinen Jahreswechsel gibt und das Jahr 2020 nicht zu Ende geht? Dass es sich künftig in einer Dauerschleife wiederholt? Und jährlich grüßt die Pandemie? Eine grauenhafte Vorstellung.

Das Jahr wird also wohl nicht krachend verabschiedet werden, es sei denn man hat Böller und Raketen gehortet und lebt außerhalb des Mittleren Rings, hat eine Terrasse oder einen Garten, wo man sich auch nach 21 Uhr aufhalten darf, wobei man dann aufpassen muss, dass das Angezündete nicht im Raclettepfännchen des Nachbarn landet. Aber vielleicht ist es ohnehin viel passender, wenn sich das Jahr leise auf und davon macht, wenn es sich schleicht. Dieses merkwürdige Jahr, in dem man sich immer wieder seiner selbst versichern musste, im Home-Office, mit Maske im Supermarkt oder mit Abstand im Park. So wie einem manche Webseiten nach dem Anklicken eines Kästchens ("Ich bin kein Roboter") versichern: "Glückwunsch! Sie haben bestätigt, dass Sie ein Mensch sind."

So vieles ist ausgefallen in München. Konzerte, Theateraufführungen, das Oktoberfest, hektisches Shopping am letzten Tag vor Weihnachten. Aber es hat auch Gutes gegeben. Sich in überfüllte U-Bahnen zu quetschen, das werden viele Home-Office-Arbeiter nicht vermisst haben. Die Münchner haben gelernt, geduldig Schlange zu stehen und sich auf das Wesentliche zu konzentrieren: gutes Essen. Beides in Kombination war besonders gut am Tag vor Heiligabend zu sehen, als die Schlange vor dem Dallmayr bis auf den Marienplatz reichte.

Für 2021 ist dennoch dringend zu hoffen, dass neben Einkaufen auch anderes wieder systemrelevant wird: Theater, Konzerte, Clubs. Der Tierpark, in dem sich im November an den Reaktionen auf die Geburt des Elefanten Otto schon zeigte, wie systemrelevant er eigentlich ist. Otto, der kleine Systemelefant, Geburtsjahr 2020, erlebt nun sein erstes Silvester. Er weiß nicht, wie das ist, wenn draußen geböllert wird. Er wird es nicht vermissen.

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