Corona-Pandemie:Der Spielraum in den Kliniken ist knapp

Am Flur der Corona Station (Normalstation nicht Intensiv) in der München Klinik Schwabing, Schwabinger Krankenhaus

Die Belastung des medizinischen wie pflegerischen Personals auf den Intensivstationen der bayerischen Krankenhäuser ist extrem - und eine Erleichterung ist noch nicht in Sicht.

(Foto: Florian Peljak)

In vielen bayerischen Krankenhäusern ist die Lage auf den Covid-Stationen nach wie vor angespannt. Von Entlastung durch den Lockdown ist dort nichts zu spüren.

Von Matthias Köpf, Clara Lipkowski und Dietrich Mittler

Bei Landrat Raimund Kneidinger (CSU) bleibt die Hoffnung, dass die hohen Sieben-Tage-Inzidenzwerte in seinem niederbayerischen Landkreis Passau endlich sinken. Jüngst lagen diese noch bei nahezu 310, am Mittwochnachmittag dann bei rund 284. Kneidinger will das Problem jedoch nicht auf Zahlen reduzieren. "Es geht nicht nur um Inzidenzwerte, es geht um Menschenleben", sagte er am Telefon. Die Intensivbetten seiner drei Kreiskliniken in Wegscheid, Rotthalmünster und Vilshofen reichen nicht mehr aus, um die Versorgung der Covid-19-Patienten zu sichern. Viele mussten bereits in andere Häuser verlegt werden. "Die Lage ist weiterhin außerordentlich angespannt", sagt Kneidinger. Aktuell versorgen die Kreiskliniken mehr als 80 Covid-19-Patienten. Zehn von ihnen würden augenblicklich ohne künstliche Beatmung nicht überleben.

Zwar ist der Kreis Passau mit seinen Kliniken nun besonders hart gefordert, doch viele andere Krankenhäuser im Freistaat beschreiben ihre Lage ebenfalls als "sehr angespannt". Auch sie berichten von "geringen Kapazitäten" auf ihren Intensivstationen - so etwa die Romed-Kliniken im Landkreis Rosenheim, in denen augenblicklich zwölf schwere Covid-19-Fälle intensivmedizinisch behandelt werden müssen. Trotz verschärftem Lockdown treffen augenblicklich im Gesundheitsministerium beunruhigende Meldungen ein. "So stoßen aktuell die Land- oder Stadtkreise Passau und Coburg, der Landkreis Roth sowie die Ballungsräume München und Nürnberg an ihre Kapazitätsgrenzen", sagte eine Ministeriumssprecherin.

"Die Lage ist auf hohem Niveau stabil", betonte sie. Von Entlastung könne "aber noch nicht gesprochen werden". Die Krankenhäuser meldeten am Mittwochmorgen 4215 Covid-19Patienten, die stationär behandelt werden müssen. Derzeit, so das Gesundheitsministerium, stünden 2738 Intensivbetten mit Beatmungsgeräten zur Verfügung. Hiervon seien 2421 Betten belegt, 757 davon mit Covid-19-Patienten. Kurzum: Derzeit stehen landesweit 317 Intensivbetten mit einer Möglichkeit zur Beatmung bereit.

"Seit dem Dreikönigstag steigt die Zahl der an Covid-19 erkrankten Patienten in Bayerns Kliniken nicht mehr, aber wir sind immer noch auf einem zu hohen Stand", sagt Roland Engehausen, der Geschäftsführer der Bayerischen Krankenhausgesellschaft. Er glaubt, der Höhepunkt, sei aktuell "wohl erreicht". Von Entspannung will aber auch Engehausen nicht sprechen. Selbst in großen Häusern wie dem Uniklinikum Augsburg (UKA) sind die Intensivkapazitäten "sehr stark ausgelastet", hieß es. Nach wie vor werden dort Patienten in andere Häuser verlegt, um Platz für Covid-19-Patienten zu schaffen. "Wir sind weiterhin darauf angewiesen, Patienten zu verlegen - wenn auch nicht mehr mit dem Druck wie im November und im Dezember", sagt Axel Heller, der für die Verlegungen zuständige Ärztliche Leiter Krankenhauskoordination. Seit Beginn der zweiten Corona-Welle habe das UKA 296 Patienten in andere Häuser verlegt, davon 102 Intensivpatienten.

Andreas Baumann, im Rettungsdienstbereich Passau für die Verlegungen zuständig, hat alle Hände voll zu tun. "Die Intensivbetten unserer Kreiskliniken sind zu hundert Prozent ausgelastet", sagt er. Ohne die Hilfe des städtischen Klinikums Passau, so betonte er, wäre es kritisch geworden. Doch aktuell meldet die Sprecherin dort: "In den vergangenen Wochen hatten wir Zuverlegungen aus anderen Kliniken. Aktuell ist dies nicht der Fall, da wir gegenwärtig keine Kapazitäten mehr haben." Aus der Not heraus hat Landrat Kneidinger längst die geriatrische Rehaklinik in Markt Aidenbach zur Quarantäne-Einrichtung "ertüchtigt". Dort werden Covid-19-Patienten weiterbehandelt, deren Zustand inzwischen stabilisiert werden konnte.

In der oberfränkischen Stadt Coburg liegt die Sieben-Tage-Inzidenz jetzt bei rund 289. "Ein bisschen Spielraum haben wir noch", erklärte ein Sprecher des dortigen Regiomed-Klinikums. Man sei in engem Kontakt mit dem Bamberger Krankenhaus, um Menschen dorthin zu verlegen, wenn die Fallzahlen wieder steigen. Von einem spürbaren Rückgang seit den Weihnachtsfeiertagen könne man aber nicht sprechen. Vielmehr sei die Auslastung "gleichbleibend hoch". Ähnlich ist die Tendenz im oberfränkischen Kreis Wunsiedel. Drei freie Intensivbetten gebe es noch, meldete das dortige Krankenhaus. Dennoch hatte das Klinikum in der vergangenen Woche vor einer Überlastung gewarnt: "Schon jetzt werden im Klinikum Fichtelgebirge mehr Covid-19-Patienten betreut als in den Hochphasen der ersten Welle."

Eher verschärft hat sich die Situation im oberfränkischen Kreis Kulmbach. Kurz vor Weihnachten waren die Patientenzahlen auf den Covid-Stationen deutlich gestiegen, weil in drei Pflegeheimen fast gleichzeitig Corona ausgebrochen war. Der neuerliche Lockdown entschärfte die Situation bislang nicht. In Nürnberg zeigt unterdessen der Lockdown zwar "eine erste kleine Wirkung", wie eine Sprecherin des städtischen Klinikums sagte. Die Patientenzahlen seien in den vergangenen Tagen leicht zurückgegangen. Am Mittwoch waren aber alle Intensivbetten belegt.

Im Berchtesgadener Land, seit Langem einer von Bayerns Hotspots, liegt die Sieben-Tage-Inzidenz bei fast 257. Dem Landratsamt zufolge behandeln die Kliniken dort derzeit 56 Covid-19-Patienten, davon vier auf einer Intensivstation. Das sind zwar weniger Intensivpatienten, als dies während der ersten Hochphase im Frühjahr 2020 zeitweise der Fall war. In den vergangenen acht Wochen mussten nach Angaben des Ärztlichen Koordinators Hubert Pilgram aber schon rund 100 Intensivpatienten aus dem Berchtesgadener Land nach Traunstein, Mühldorf und Altötting abverlegt werden. Auch anderswo ist die Lage angespannt: Im Kreis Miesbach, wo die Inzidenz derzeit konstant über 200 liegt, ist laut dem DIVI-Intensivregister vom Mittwoch kein einziger Intensivplatz mehr frei.

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