Handball-WM:Mogeln mit Russland

29.12.2020 Jastrzebie-Zdroj Pilka reczna, Miedzypanstwowy Turniej Towarzyski w pilce recznej mezczyzn Sezon 2020 POLSKA

Sergej Kosorotow und seine Mitspieler treten bei der WM offiziell nicht für "Russland" an, sondern für das "Team des russischen Handball-Verbandes".

(Foto: Jakub Ziemianin/Newspix/Imago images)

Russland ist gesperrt? Dann spielt halt das "Team des russischen Handball-Verbandes". Die erste WM nach dem angeblichen Doping-Bann entlarvt, wie unzureichend das Cas-Urteil ist.

Kommentar von Johannes Aumüller

Ein bisschen spät erfolgte die Anreise, aber immerhin noch pünktlich. Am Dienstagabend traf sich die Mannschaft um Trainer Velimir Petkovic am Flughafen in Moskau, dann ging es via Istanbul nach Ägypten, und am frühen Mittwochmorgen kam das Team endlich am Spielort in Alexandria an - einen Tag vor dem WM-Auftakt. Belarus ist am Donnerstag der erste Gegner des Petkovic-Teams, der Nationalmannschaft von Russland. Pardon: natürlich der "Mannschaft der russischen Handball-Föderation".

Die Handball-WM in Ägypten ist aus vielerlei Gründen eine skurrile Veranstaltung, aber sie ist es insbesondere auch mit Blick auf den Teilnehmer Russland. Das Turnier ist die erste Weltmeisterschaft seit der Entscheidung des Internationalen Sportgerichtshofes Cas zu den Folgen der fortgesetzten Datenmanipulation in Russlands Dopingskandal. Eine Zwei-Jahres-Sperre beschloss das Gremium formal, die man aber zugleich massiv aufweichte. Und jetzt zeigt sich bei der erstbesten Gelegenheit, wie zu erwarten war, auch in der Praxis, welche Mogelpackung das Sportgericht ausgeheckt hat: Sperre? Welche Sperre?

"Russland" nimmt nicht teil an der WM, dafür die "Mannschaft der russischen Handball-Föderation" - was ein Gag. Das findet ungefähr auf demselben Niveau statt wie jene "Olympischen Athleten aus Russland", die das Internationale Olympische Komitee 2018 für die Winterspiele in Pyeongchang erfand. Es spricht Bände, dass den Verantwortlichen der internationalen Handball-Föderation (IHF) ein solches Manöver nicht zu billig ist - ganz abgesehen davon, dass Medien und Zuschauer selbstverständlich von "Russland" schreiben und sprechen, wenn es um die Mannschaft des früher lange in Deutschland (zuletzt in Berlin) tätigen Velimir Petkovic geht.

Das Vorgehen ist eine Blaupause für Eishockey- und Fußball-WM

Logo, Flagge und Hymne hat der Cas in seinem Spruch vom Dezember explizit verboten, konkret sieht das nun so aus: Als Logo wird nicht Russlands Fahne aufscheinen, sondern das Logo der russischen Handball-Föderation, das zufälligerweise auch aus Russlands Nationalfarben weiß, blau und rot besteht. Russlands Nationalemblem auf den Trikots muss überdeckt werden, weil es in der Kürze der Zeit nicht möglich gewesen sei, komplett überarbeitete neue Formen ohne Nationalembleme zu bekommen. Und wie das mit der Hymne aussieht, wussten die Russen selbst noch nicht, als sie sich auf den Weg nach Ägypten machten. Wahrscheinlich wird die Hymne der IHF eingespielt.

Das Ganze ist eine Blaupause für die nächsten Monate. Die Gefahr ist gering, dass Russlands Sportler im Mai unerkannt an der Eishockey-WM teilnehmen werden, gleiches gilt für die Olympischen Spiele in Tokio im Sommer und in Peking im Winter - oder für die Fußball-WM 2022 in Katar. In allen internationalen Verbänden sind traditionell Russland-freundliche Sportfunktionäre am Werk, die werden es Moskau schon recht machen. An der Fußball-EM 2021 kann Russland sowieso ganz normal als "Russland" teilnehmen, weil die Sperre nur für Weltmeisterschaften gilt.

Die Umstände, teilen Russlands Handballer mit, seien natürlich nicht schön, und man hoffe, dass dies nicht die WM-Leistung beeinflussen werde. Aber eigentlich, geben sie zu verstehen, sei ihr größeres Problem, dass sie ein paar Ausfälle kompensieren müssen, insbesondere den von Rückraumspieler Pawel Atman. Und damit zurück zum Sport.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: