Corona-Impfungen:Warum Altenpflegekräfte zögern

Corona-Impfungen: Mangels Lieferung ausreichender Dosen sind im Landkreis München in den kommenden zwei Wochen keine Erstimpfungen möglich.

Mangels Lieferung ausreichender Dosen sind im Landkreis München in den kommenden zwei Wochen keine Erstimpfungen möglich.

(Foto: Claus Schunk)

Mangelnde Information? Unsicherheit? Auf die Frage, warum viele Pflegekräfte mit der Immunisierung zögern, gibt es keine einfache Antwort. Klar ist nur: Wo es Corona-Ausbrüche in Heimen gab, ist die Bereitschaft höher.

Von Bernhard Lohr, Landkreis

Manche Pflegekräfte lassen sich sofort impfen, andere nach vorübergehenden Zweifeln. Und einige verweigern sich auch. Zur viel diskutierten Frage, warum gerade viele Altenpfleger zögern, sich gegen eine Infektion mit dem Coronavirus impfen zu lassen, gibt es keine einfachen Antworten. Ein Blick in Senioren-Einrichtungen im Landkreis München zeigt: Die Situation stellt sich von Haus zu Haus anders dar. Heim- und Pflegedienstleiter in Unterschleißheim, Unterhaching, Ismaning und Hohenbrunn warnen davor, Druck auszuüben. Sie setzen auf Aufklärung, niedrigschwellige Impfangebote und vor allem auf den Faktor Zeit.

Viele Außenstehende fragen sich wie Landrat Christoph Göbel (CSU), warum ausgerechnet Mitarbeiter in Senioren-Einrichtungen Impfungen skeptisch gegenüberstehen. Schließlich erleben sie die Folgen der Corona-Pandemie hautnah. Sie arbeiten unter Ausnahmebedingungen mit der Gefahr, sich selbst anzustecken und sehen Bewohner leiden oder gar sterben. Dennoch liegt nach Angaben von Heimleiter Jan Steinbach im Lore-Malsch-Haus in Hohenbrunn die Quote der Impfwilligen unter allen Beschäftigten nur bei etwa 45 Prozent. Dieter Pflaum, Geschäftsführer des von der Paritätischen Altenhilfe geführten Hauses am Valentinspark in Unterschleißheim, kommt auf 36 Prozent. Trotzdem setzen beide auf Aufklärung und lehnen einen Impfzwang ab. "Ich will überzeugen, nicht überreden", sagt Steinbach.

Nadine Metzger ist Pflegekraft auf einer gerontopsychiatrischen Station am Isar-Amper-Klinikum in Haar und kriegt dort seit einiger Zeit mit, wie über Corona, Impfstoffe und jetzt auch den Vorstoß zu einem Impfzwang von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) diskutiert wird. Metzger ist SPD-Gemeinderätin und sitzt zudem im Aufsichtsrat des Haarer Seniorenheims. Sie räumt ein, anfangs wegen einer Impfung selbst zurückhaltend gewesen zu sein. Dann habe sie sich aber gezielt informiert und entschieden, sich die Spritze setzen zu lassen. Die Forschung sei solide und so weit, dass sie den Impfstoffen traue, sagt Metzger. "Ich möchte auf keinen Fall diejenige sein, die Corona auf die Station bringt." Am Klinikum hätten sich mehr als 400 Mitarbeiter impfen lassen. Die Bereitschaft sei hoch. Im zuletzt von Corona stark betroffenen Maria-Stadler-Heim in Haar waren laut Mitteilung vom 5. Januar 57 Bewohner geimpft, aber nur sieben Beschäftigte.

Auch im Seniorenzentrum Bürgerstift der Arbeiterwohlfahrt (Awo) in Ismaning wurden Bewohner und Personal bereits geimpft. Pflegedienstleiter Daniel Spörl nennt keine Zahlen, spricht dort aber von einer "sehr hohen" Impfbereitschaft. Nur "Einzelne" seien skeptisch. "Ich denke, dass das daran liegt, dass wir hier im Haus bereits zwei Mal Infizierte hatten. Eine solche Situation möchte niemand noch einmal erleben." Zudem bot man in Ismaning eigens eine medizinische Beratung an, bei der Mitarbeiter alle Fragen stellen konnten, die ihnen zur Impfung am Herzen lagen. Hausleiterin Alexandra Kurka-Wöbking vom KWA-Stift am Parksee in Unterhaching sondiert gerade die Bereitschaft bei den Mitarbeitern. Große Debatten über Impfpflicht macht sie in der Belegschaft nicht aus. Aber sie warnt, die Pflegekräfte in eine Ecke zu stellen. Sie hätten nach elf Monaten Arbeit in einer Pandemielage Wertschätzung verdient. Wenn man positiv werbend, neutral das Impfen empfehle, werde man sie auch erreichen.

So erwarten Jan Steinbach in Hohenbrunn und auch Dieter Pflaum in Unterschleißheim, dass die Impfbereitschaft bald noch steigt, wenn mehr Informationen vorliegen und sich zeigt, dass die Impfungen ohne Nebenwirkungen bleiben. Steinbach warnt dabei, alle Beschäftigten über einen Kamm zu scheren. Es gebe Personal mit ganz unterschiedlichen Qualifikationen und unterschiedlicher Herkunft. Jeder habe einen anderen Zugang zur komplexen Impfthematik. Steinbach geht auch davon aus, dass sich mancher dort schlau zu machen versucht, wo Impfskeptiker unterwegs sind und Gefahren an die Wand gemalt werden. "Es wird ja auch viel kolportiert, was alles sein könnte", sagt er.

Viele, die vom Fach seien, hätten sehr wohl registriert, dass es sich um einen "gänzlich neuen Impfstoff handelt". Entsprechend sei die Haltung. "Jetzt noch nicht", bekomme er im Gespräch zu hören, "die Betonung auf ,noch nicht'." Dieter Pflaum hat bei der Ursachenforschung außerdem festgestellt, dass sich jüngere Mitarbeiter seltener impfen lassen wollen als ältere, weil sie sich nicht so gefährdet fühlten und weil Impfen für sie etwas Neues sei. Pflaum, der auch Geschäftsführer der Paritätischen Altenhilfe in Bayern ist, bestätigt die Beobachtung der Awo in Ismaning, dass in stark von Corona betroffenen Heimen die Impfbereitschaft höher ist.

Die erste Bewohnerin im Landkreis wurde im Lore-Malsch-Haus in Hohenbrunn am 27. Dezember geimpft. Kommende Woche steht die Auffrischung an. Dann soll es noch ein Impfangebot für Mitarbeiter geben. Jan Steinbach rechnet damit, dass sich die Quote bei ihm noch auf 60 Prozent-Quote steigern lässt. Er habe soeben, sagt er am Mittwoch, mit einem Kollegen aus einem anderen Heim telefoniert, bei dem sich jetzt schon 55 Prozent der Mitarbeiter impfen lassen wollten. Die Lage sei je nach Debattenstand und dem, was Meinungsführer oder Vorbilder vorlebten, überall anders - manchmal "von Station zu Station".

Zur SZ-Startseite

Start der Impfungen
:"Das ist ein Tag, der uns zu Tränen rührt"

Im Riemerlinger Lore-Malsch-Haus und drei weiteren Pflegeheimen sind am Sonntag die ersten hundert Menschen geimpft worden.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: