Monotonie im Beruf:"Wer innerlich rebelliert, kommt nicht gut zurecht"

Volkswagen Produktion Wolfsburg

Arbeiten wie am Fließband: Was bedeutet es, wenn routinierte Handgriffe den Alltag bestimmen?

(Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

Bei vielen Routinetätigkeiten kämpft der Mensch gegen Körper und Geist, sagt der Arbeitspsychologe Dieter Zapf. Wie kommt man am besten mit einem monotonen Job klar?

Interview von Sigrid Rautenberg

Stundenlang auf den Monitor oder das Fließband starren und dabei konzentriert bleiben: Wie eine Routinetätigkeit Stress auslösen kann, erklärt Dieter Zapf, Professor für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Universität Frankfurt.

SZ: Herr Professor Zapf, wann ist Routine positiv - und wann ist sie negativ?

Dieter Zapf: Wenn ich einmal im Jahr die gleiche Vorlesung halte, empfinde ich das nicht als langweilig - auch wenn ich das seit 30 Jahren mache. Ich muss mich nicht mehr vorbereiten und empfinde meine Erfahrung als Vorteil. Das ist Routine in positivem Sinn. Problematisch wird es bei monotonen Arbeitsbedingungen: Wenn die Fließbandarbeiterin prüft, ob die Produkte auf dem Band beschädigt sind, oder der Maschinist konzentriert seinen Monitor beobachten muss. Beide müssen nichts Neues planen, zugleich aber visuelle Informationen verarbeiten und sich ungeheuer konzentrieren.

Routine kann also auch stressen?

Routine wird zu Stress, wenn Unterforderung durch Überforderung entsteht. Klingt zunächst paradox: Aber genau das ist bei monotonen Tätigkeiten der Fall, die ich nicht selbstbestimmt gestalten kann und die mich nicht die Bohne interessieren. Ich kann ja nicht einfach damit aufhören. Also kämpfe ich pausenlos gegen den inneren Schweinehund und gegen körperliche Reaktionen wie Müdigkeit an. Ein Pförtner kann sich in längeren Pausen selbst beschäftigen, dadurch ist der Job erträglich. Muss aber ein Maschinist auf dem Monitor kontinuierlich auf Veränderungen achten, obwohl wenig passiert, kann das eine enorme psychische Belastung sein. Denn er arbeitet dabei gegen seine Körperfunktionen.

Wann ist Routine eine Erleichterung?

Das hängt stark davon ab, welche Bedeutung Arbeit für jemanden hat. Wer seine Hauptinteressen außerhalb der Arbeit sieht, vielleicht bei Hobbys oder der Familie, ist eher zufrieden, wenn er nicht so gefordert ist. Wer sich hauptsächlich über die Arbeit definiert und ein hohes Bedürfnis nach Selbstverwirklichung im Job hat, wird er unter Routine leiden.

Monotonie im Beruf: Dieter Zapf lehrt Psychologie an der Goethe-Universität in Frankfurt. Seine Forschungsschwerpunkte sind psychischer Stress und Stressbewältigung am Arbeitsplatz.

Dieter Zapf lehrt Psychologie an der Goethe-Universität in Frankfurt. Seine Forschungsschwerpunkte sind psychischer Stress und Stressbewältigung am Arbeitsplatz.

(Foto: privat)

Also ist es von der persönlichen Bewertung abhängig, ob jemand seine Arbeit als reinen Routinejob empfindet?

Bei manchen Tätigkeiten wird wohl fast jeder unterfordert sein, Stichwort Fließbandarbeit. Bei anderen Tätigkeiten sind manche Menschen unterfordert, bei anderen entspricht die Arbeit gerade dem eigenen Fähigkeitslevel, oder es gelingt ihnen, interessante Sachen darin zu sehen. Wer innerlich rebelliert, kommt nicht gut zurecht. Das führt oft zur sogenannten resignativen Arbeitszufriedenheit: Das Anspruchsniveau wird abgesenkt, sodass es zur Übereinstimmung kommt zwischen dem, was die Arbeit bietet, und dem, was man sich wünscht. Man sagt dann: "Das Gehalt ist ja gar nicht so schlecht." Oder: "Bei der aktuellen Lage muss man zufrieden sein, überhaupt etwas zu haben."

Wie hängen Routinebedürfnis und Persönlichkeit zusammen?

Die Bedürfnisse und Fähigkeiten eines Menschen sollten mit den Anforderungen der Arbeit übereinstimmen. Diese Passung zu erreichen, ist elementar. Manche haben mehr soziale Bedürfnisse, andere starke Kontrollbedürfnisse, da stört die Zusammenarbeit mit vielen Menschen eher, weil die in ihrem Verhalten ja nicht kontrollierbar sind. Bei sozialen Berufen ist die Wahrscheinlichkeit, dass jemand unter Routine leidet, geringer. Aber nicht jeder kann sich seinen Job entsprechend seiner persönlichen Bedürfnisse aussuchen: Am Fließband landet, wer wenig Alternativen, geringere Fähigkeiten für komplexe Tätigkeiten hat oder vielleicht kaum Deutsch spricht. Darauf ist niemand scharf.

Was kann ich tun, wenn ich meinen Job als monoton empfinde oder mich die ständigen Anforderungen stressen?

Bei monotonen Jobs funktioniert das genannte Konzept der resignativen Arbeitszufriedenheit, allerdings nur bis zu einem gewissen Grad. Sich weiterzuqualifizieren kann Perspektiven eröffnen. Und auch wer gestresst ist, weil ständig Neues auf ihn einstürmt - im Moment bei vielen Ärzten und Pflegekräften vorstellbar -, sollte die Ansprüche an sich senken. Den Anforderungen kann man sich meist nicht entziehen. Nutzt das alles nichts, sollte man sich einen neuen Job suchen.

Zur SZ-Startseite
People working modern office model released Symbolfoto property released PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTx

SZ PlusRoutine im Job
:Es lebe der Trott!

Immer dasselbe zu machen, ist anstrengend und enervierend. Sich ständig an neue Aufgaben zu gewöhnen, auch. Langweilig kann beides sein. Wie wichtig Routine ist, merkt man erst, wenn sie plötzlich wegbricht.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: