Münchner Momente:Gefahr mit Haar

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Normalerweise meckern nur Frau und Kind über die Stoppeln, doch nun drohen Bartträgern unter der undichten FFP2-Maske höchste Corona-Risiken

Glosse von Stefan Simon

Das neue Jahr wird schon früh lästig, es verbündet sich sogar mit Frau und Kind. Es fordert eine gründliche Rasur, nicht einmal, zweimal, sondern täglich. Das war so nicht abgemacht. Corona-Pfunde, Virus-Stoppeln: Was spricht dagegen, solange die Kollegen in den kleinen Fensterchen der Videokonferenz nichts davon bemerken? Rasiert wird erst, wenn das eigene Kinn beginnt, unscharf auszusehen. Oder wenn sich der Dreijährige daheim an die Spitze einer familiären Protestbewegung setzt: "Papa, du bist ein großer, dicker Igel." Komisch. Vom Maine-Coon-Kater auf dem Sofa hat er nie verlangt, dass er sich in eine haarlose Kanadische Sphynx mit Untergewicht verwandeln soll. 2021 ist ähnlich unverfroren: Rasier dich, sonst bist du ein toter Mann. Du sollst FFP2-Masken tragen, und die sind mit Bart nicht dicht und helfen nichts.

Was wohl erst die machen, die unter der Nase und zwischen den Ohren einen richtigen Bart züchten? Die sonst für teures Geld zum Barbier gehen, sich sorgfältig stutzen, frisieren und mit Bartöl tränken lassen, bis selbst der alte Prinzregent neben ihnen aussieht wie ein leicht beflaumter Jüngling? War all die Müh' vergebens? Man kann als Münchner Mann ja nicht so argumentieren, als lebte man in Oberammergau. Ja, wissen Sie, wir haben da fürs nächste Jahr so eine Kreuzigung geplant, und da kommen viele Gäste, deshalb muss der Bart... undenkbar. Kurze Frage: Weiß jemand, wie es mit den Inzidenzen im Kreis Garmisch-Partenkirchen läuft? Egal, bringen wir den großen, bösen Rautenmaskenmann vom Hofgarten bloß nicht auf neue Ideen. Sonst wird die bayerische Infektionsschutzverordnung auch noch um eine gesetzliche Rasierpflicht erweitert.

Wo waren wir? Ach ja, die Münchner Bärte. Was wohl wäre, wenn sich die halbe Stadt plötzlich jeden Tag rasiert? Wohin mit all den Stoppeln? Einfach wegwerfen kann man sie nicht, weil im Wertstofflexikon des Abfallwirtschaftsbetriebs eine Lücke klafft. Rasierer: klar. Und das Rasierte? Weder die braune noch die schwarze Tonne fühlt sich richtig an. Spült aber jeder seinen Bart das Waschbecken hinunter, verstopfen am Ende die Leitungen und Kanäle und die ganze Stadt läuft über. Es hilft wohl nur, wenn sich das Virus schert. Im besten Fall zum Teufel.

© SZ vom 15.01.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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