Null Acht Neun:Maskenzwang vorm Monitor

Seien wir ehrlich: Der Münchner Fasching war schon vor Corona nicht mehr die ganz große Sause. Nun muss das Prinzenpaar am Ziel seiner Träume aber komplett ins Internet ausweichen

Kolumne von Wolfgang Görl

In dunklen Zeiten wie diesen gibt es immer wieder Menschen, die noch im Angesicht des Abgrunds mit frischem Mut voranschreiten. Auch Corona hat solche Helden hervorgebracht, Lichtgestalten, die das Herz selbst jener Münchner erwärmen, die nach monatelanger Trennung von ihrem Lieblingswirt am Rande der Verzweiflung sind. Allem Lockdown-Jammer zum Trotz verbreiten diese Teufelskerle Zuversicht, etwa indem sie keine größeren Vorräte an FFP2-Masken anlegen, obwohl der Kauf von 2000 Rollen Klopapier im vergangenen Frühjahr bis heute Früchte trägt. Ebenso beeindruckend ist die Unbeirrbarkeit, mit der zwei junge Leute derzeit ihren Dienst verrichten, obwohl sie eigentlich tief verzagt sein müssten. Die Rede ist von Margarethe Stadlbauer und Berni Filser. Sollte es Münchner geben, denen diese Namen kein Begriff sind - voilà: Die beiden sind das Faschingsprinzenpaar der Narrhalla und mithin systemrelevant. Immerhin bekleiden sie das wichtigste Amt in der Stadt nach dem Oberbürgermeister und dem Stadionsprecher von 1860.

Doch so glanzvoll die Prinzenrolle sein mag: Wohnt ihr in dieser verrückten Corona-Zeit nicht eine herzzerreißende Tragik inne? Man muss sich das mal vorstellen: Da arbeiten zwei Menschen von frühester Jugend an darauf hin, eines Tages Prinzessin oder Prinz zu sein; sie lässt keinen Faschingsball aus, und er marschiert als "Taferlbua" der väterlichen Blaskapelle voraus; später verschlägt es die beiden nach München, wo sie ins witzige, wenn nicht aberwitzige Narrhalla-Milieu geraten; dort absolvieren sie die höhere Narrenausbildung - und endlich, endlich sind sie am Ziel. Sie ist Faschingsprinzessin, er Faschingsprinz. Und genau dann fällt der Fasching aus. So muss sich Romulus Augustulus gefühlt haben, der letzte weströmische Kaiser. Kaum saß er auf dem Thron, wurde das Kaisertum abgeschafft.

Halt, jetzt mal halblang. Der Fasching fällt gar nicht aus. Er findet, wie mittlerweile das gesamte Leben, online statt, was nur auf den ersten Blick ein Makel ist. Seien wir ehrlich: Der Münchner Fasching war schon vor Corona nicht mehr die ganz große Sause, und wer einen Maskenball besuchte, wurde von den Freunden wegen seines abstrusen Humorgeschmacks ausgelacht. Der Schwund der Faschingsfeste verlief in München ebenso dramatisch wie das globale Artensterben, wobei offen ist, ob der Verlust der "Nacht der Kavaliere" wirklich schwerer wiegt als das Verschwinden des St.-Helena-Ohrwurms.

Hinzu kommt, dass viele Faschingsgänger aufgegeben haben, weil es kaum noch ein Kostüm gibt, mit dem man nicht irgendeine Minderheit beleidigt. Doch in dieser trostlosen Situation könnte der digitale Fasching die Rettung bedeuten. Prinzessin Margarethe und Prinz Berni haben mit ihrer Online-Inthronisation die Münchner schon mal auf den Home-Fasching eingestimmt, den wir in den nächsten Wochen zu heißen Algorithmen vor dem Monitor feiern dürfen. Nicht vergessen: Es herrscht Maskenzwang. Also raus mit dem FFP2-Lappen, und statt der Luftschlangen haben wir noch 1236 Rollen Klopapier.

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