Handball-WM:"Ein großes Risiko für das Turnier"

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Erolgreich ins Turnier gestartet: Die deutschen Handballer um Kapitän Uwe Gensheimer, Johannes Bitter und Silvio Heinevetter (von links). (Foto: Sascha Klahn/dpa)

Der WM-Start gegen Uruguay ist den deutschen Handballern geglückt - doch nun steht das zweite Spiel gegen Kap Verde vor der Absage.

Von Carsten Scheele

Kurz nach dem Schlusspfiff bildete sich in der Nähe der Mittellinie ein Jubelknäuel. Einige der deutschen Spieler, die gerade 43 Tore geworfen hatten, standen applaudierend drumherum. Die Uruguayer aber, die 43 Tore kassiert hatten, freuten sich mit ihrem Torwart Felipe Gonzalez, der bei den allermeisten dieser 43 Gegentore zwischen den Pfosten gestanden hatte. Einer seiner Kollegen nahm Anlauf, sprang ab und landete auf den Köpfen und Schultern der Mitspieler, lachende Gesichter, wo man nur hinblickte.

Der Handballweltverband (IHF) trifft nicht immer für jedermann nachvollziehbare Entscheidungen, diesmal lag er aber goldrichtig, weil er Gonzalez am Ende dieser WM-Partie zweier Handball-Gewichtsklassen mit der Auszeichnung für den "Spieler des Spiels" bedachte. Gonzalez hatte in den 60 Minuten zuvor oft hinter sich greifen müssen, aber auch ein paar wirklich überraschende Paraden gezeigt.

Uruguay ist ein kleines Handballland, für Gonzalez und all seine Mitspieler war es der erste Auftritt überhaupt bei einer Handball-Weltmeisterschaft. Sie sind jetzt WM-Spieler, das kann ihnen keiner mehr nehmen. Und 43 Gegentore gegen Deutschland, hey: Es hätten auch 55 sein können. "Das war für Uruguay ein ganz, ganz besonderes Spiel. Die erleben so was nicht jeden Tag", freute sich auch Deutschlands Rechtsaußen Timo Kastening.

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Im Lager des Deutschen Handball-Bundes (DHB) war man auch über den eigenen, gelungen Start in dieses Corona-Turnier erfreut. Das 43:14 (16:4) war der höchste WM-Auftaktsieg einer deutschen Auswahl seit 63 Jahren. Während sich Bundestrainer Alfred Gislason ein wenig über die Chancenverwertung echauffierte ("zu viel verworfen, darf uns nicht passieren"), versicherte Kastening glaubhaft, man sei die Partie "mit aller Ernsthaftigkeit angegangen". Der Melsunger hatte am Ende neun Treffer erzielt, die meisten davon nach Gegenstößen gegen völlig ausgelaugte Südamerikaner.

Wie es um das Leistungsvermögen des deutschen Teams steht, ist exakt so gut abschätzbar wie vor der Partie. Uruguay sei "kein Gradmesser" gewesen, sagte Kastening, sondern eine Mannschaft voller Amateure, die von der Aufstockung der WM auf 32 Teams profitiert hatte und sich erstmals für eine WM qualifizieren konnte. In der Halbzeitpause hatte sich DHB-Vizepräsident Bob Hanning am ARD-Mikrofon leicht lustig gemacht über den Gegner. Die Uruguayer hätten "Probleme mit dem Arbeitsgerät", urteilte Hanning, "der ein oder andere auf der Mittelposition scheint auch übergewichtig zu sein".

Hanning fehlte "der absolute Wettkampfcharakter", aber so ist das nun mal in der Vorrunde bei einer WM mit 32 Nationen. Auch der Bundestrainer hatte sich vom Gegner mit Blick auf den Turnierverlauf insgeheim etwas mehr erhofft. "Es war das Ziel, uns weiter einzuspielen", sagte Gislason, das sei nur bedingt gelungen, weil die Gegenwehr fehlte: "Zum Ende hin hat es uns der Gegner sehr leicht gemacht."

"Eine Spielabsage scheint unvermeidlich", sagt DHB-Vizepräsident Bob Hanning

Auch der zweite Gegner am Sonntag, Kap Verde, wäre noch kein Maßstab - wenn das Spiel stattfinden sollte, wogegen am Tag davor fast alles sprach. Nach der Ankunft in Ägypten waren bei den Afrikanern vier Spieler positiv auf das Coronavirus getestet und in Quarantäne geschickt worden, nach weiteren sieben positiven Fällen kurz vor der Abreise in Portugal. Während andere betroffene Teams wie die USA oder Tschechien ihre Teilnahme absagten, hielt Kap Verde aber an den Reiseplänen fest. Am Samstag kamen nun zwei weitere Fälle hinzu.

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"Eine Spielabsage scheint unvermeidlich", sagte DHB-Vizepräsident Bob Hanning dem Sport-Informations-Dienst. Sportvorstand Axel Kromer meinte: "Wir gehen davon aus und dürfen gute Hoffnungen haben, dass sowohl Kap Verde als auch die IHF die Entscheidung treffen wird, dass wir morgen nicht antreten müssen." Es sei "ein großes Risiko für das Turnier", dass das kapverdische Team antreten dürfte, hatte zuvor schon Johannes Bitter gesagt. Am Freitag hatte Kap Verde gegen Ungarn 27:34 verloren.

Das sogenannte Competition-Management der IHF tritt am Sonntag um 10 Uhr zusammen. Dass es eine andere Entscheidung als eine Absage gibt, ist sehr unwahrscheinlich. Weil Kap Verde durch die neuerlichen Positiv-Tests überhaupt nur noch über neun spielfähige Akteure verfügt, kommt die Mannschaft nicht auf die laut Reglement vorgeschriebenen zehn Spieler. Die einzige Möglichkeit wäre es, mindestens einen Spieler einfliegen zu lassen, der einen negativen, maximal 72 Stunden alten PCR-Test vorweisen kann und sich einer weiteren PCR-Testung in Ägypten mit negativem Ergebnis unterziehen müsste. "Ich gehe davon aus, dass diese ganzen Voraussetzungen nicht erfüllt werden können", sagte Kromer.

Sollte die Partie nicht stattfinden, wird sie mit 10:0 für Deutschland gewertet. Die Mannschaft von Trainer Gislason stünde dann bereits in der Hauptrunde.

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