Fund in Markt Schwaben:Nieder- gegen Oberbayern

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1283 ließ Ludwig der Strenge in Markt Schwaben eine Festung samt Wehrturm bauen. Kurz darauf wurde die Burg Schauplatz einer zerstörerischen Grenzschlacht zweier Brüder. 700 Jahre danach tauchen nun Mauerreste auf.

Von Korbinian Eisenberger, Markt Schwaben

Der Turm war 29 Meter hoch und befand sich einst an der Stelle, wo nun der Kran aufgebaut ist. Schnee knarzt unter Winterschuhen. Bernd Romir, der Historiker am Ort, zeigt auf die Baustelle. "Der Bergfried war deutlich höher als der Kran", sagt er. Bergfried, ein Begriff aus der Mittelalterliteratur, der auf die falsche Fährte führen kann. Denn mit Frieden hatte dieser Turm wenig zu tun, im Gegenteil, er diente der Verteidigung im Kriegsfall. Viele Kämpfe fanden hier statt, so hat es Bernd Romir in Markt Schwabens Heimatmuseum dokumentiert. Neu ist nun: Die Burg hatte tatsächlich einen solchen Wehrturm. 737 Jahre nach der Erbauung hat sich diese Annahme durch einen Zufallsfund bestätigt.

Ein Januartag im Markt Schwabener Ortskern, wo der erhaltene Südflügel des alten Schlosses heute Bücherei und Rathaus beherbergt. Rund um das Gebäude: Arbeiter, Zäune, Geräte. Seit Monaten ist der Innenhof des Schlosses eine Baustelle. Für den Einbau eines Aufzugs im Rathaus musste ein schwerer Kran platziert werden. Allein deswegen wurde der Boden der einstigen Burg vorab untersucht. Und so kamen die Mauerreste eines mächtigen Turms und eines Brunnens zu Tage. Zudem entdeckten die Archäologen "humosere Schichten, die möglicherweise auf einen Burggraben hindeuten".

Mittlerweile liegt der SZ der Grabungsbericht vor, verfasst vom Münchner Archäologiebüro Neupert, Kozik & Simm. Auf Fotos sind die freigelegten Mauerreste zu erkennen. Eine 6,27 Meter lange und 1,32 Meter breite Mauergerade wurde in der Höhe 60 Zentimeter freigelegt. Sie dürfte Teil des Fundaments des massiven 29-Meter-Turms gewesen sein. Nach dem Abbruch des Bergfrieds vor 300 Jahren wurde an seiner Stelle ein Brunnen gebaut. Dessen Reste wurden ebenfalls freigelegt: Die Fotos zeigen ein vergleichsweise zierliches Bauwerk aus kreisrund aufgerichteten Ziegeln. Sie misst 3,43 Meter in der Länge und ist 34 Zentimeter breit. Weniger als ein Meter ist in der Höhe davon übrig, dafür ist der Ziegelboden noch gut erhalten.

Kühler Wind pfeift ums Rathaus, während Bernd Romir erzählt. Die historischen Mauern sind längst konserviert und abgedeckt. Und doch hat diesen Fund den mittelalterlichen Geist dieses Orts heraufbeschworen. Bernd Romir, der Leiter des örtlichen Museums und langjährige Gemeinderat, ist so etwas wie die Schnittstelle aus beidem. Im Mai hat Romir die Fraktionsführung der Freien Wähler an den Bruder des neuen Bürgermeisters Michael Stolze abgegeben. Nun spricht er über zwei Brüder aus dem 13. Jahrhundert. "Da kam der Herzog Heinrich und hat mit seinem Haufen den eigenen Bruder überfallen."

Die früheste Überlieferung zu diesem Ort beginnt im Jahr 1283 mit dem Bau der Burg und des Wehrturms - und mit einem Bruderstreit. Erbauer war Herzog Ludwig II. von Oberbayern-München, "der Strenge". Zu jener Zeit lag der Ort Schwaben nicht wie heute mitten im Bezirk, sondern war Grenzgebiet zwischen Ober- und Niederbayern. Diese Grenze war umkämpftes Gebiet. Und so kam es, dass Ludwig der Strenge samt seiner neuen Burg den Zorn des Bruders auf sich zog: Heinrich XIII. von Niederbayern-Landshut.

In den Schwabener Mittelalter-Schlachten wurden Waffen von unvorstellbarer Wucht und Gewalt verwendet. Ein Relikt ist im Heimatmuseum verwahrt, "die große Steinkugel", ein 98 Kilogramm schweres Geschoss, das bei Ausgrabungen vor 50 Jahren entdeckt wurde. Angreifer spannten damit eine gewaltige Steinschleuder und versuchten, die Burgmauer zu durchbrechen. "Es brauchte 60 Mann, um so eine Schleuder zu bedienen", sagt Romir. Wenn die Kugel traf, füllten die Angreifer den Burggraben mit Stroh, und versuchten über ein Holzbrett Richtung Mauerloch zu gelangen.

Ein Brunnenfundament entdeckte man ebenso. (Foto: Privat)

"Der Zeit gemäß war die Burg Schwaben damals als wehrhafte Festung" gebaut, wie aus der Chronik von Markt Schwaben von Josef Blasi und Irmgard Köhler zu erfahren ist. Im Fresko des Malers Hans Donauer, entstanden um 1585, sind zwei Ringmauern zu sehen (innen 7,5 Meter, außen fünf Meter hoch) mit Schießscharten, die innere Wehrgänge andeuten. Fünf Ecktürme verstärkten den mächtigen Bergfried in der Mitte des Burghofs. Er diente als letzter Zufluchtsort, Vorratsraum und enthielt im Untergeschoss das Verlies.

Bernd Romir stapft Richtung Südseite, wo die Markt Schwabener ihre Autos im "Schlossgraben" parken. Genau hier verlief früher der Wassergraben der Burg, wie in Donauers Fresko deutlich zu erkennen ist. Genau wie die Bogenbrücke, die im letzten Teil als Zugbrücke diente. Ohne die äußeren Ringmauern hatte die Burg einst eine Seitenlänge von 52 Metern. All diese Hindernisse reichten aber offenbar nicht aus, um den Bruder des Herzogs von seinen Schlachtplänen abzubringen. 1286, die Feste war gerade erst errichtet, wurde sie im Bruderkrieg zwischen Ludwig dem Strengen und Heinrich XIII. gleich wieder zerstört. Vier Jahre später baute man die Schwabener Burg wieder auf. Die Feste stand fortan über Jahrhunderte verlässlich unter Beschuss.

An der Südwestseite - unweit des alten Feuerwehrhauses - stand einst ein gewaltiges Gebäude mit einer Wohnung und Amtsräumen. Der Torbau bei der Brücke enthielt Wach-, Unterkunfts- und Rüstkammern. Rüstung brauchte es damals mehr denn je. Bei der dritten Teilung Bayerns 1392 ging die Burg an Herzog Stephan III. von Ingolstadt - und es dauerte nicht lange bis zur nächsten Schlacht. Zwei Jahre nach der Übernahme griff der Münchner Herzog Johann II. die Schwabener Burg an. 1421 wurde sie von "Münchner Haufen sturmreif geschossen und erobert", wie es aus den Schriften hervorgeht. Nach dem Wiederaufbau kam es 1439 zur erneuten Belagerung durch Herzog Albrecht III. und zur kampflosen Übergabe. "Von da an blieb die Burg bei Oberbayern", wurde aber 1632 vorübergehend von Schweden erobert. Der Überlieferung nach mithilfe einer riesigen Steinschleuder.

Der frühere Gemeinderat Bernd Romir leitet das Heimatmuseum Markt Schwaben. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Mit der Erfindung der durchschlagenden Kanonen war die Zeit der Burgen alsbald vorbei. Auf den Schwabener Festungsresten wurde Mitte des 17. Jahrhundert das Jagdschloss errichtet, von dem heute noch ein Teil übrig ist. Nur der Bergfried der Burg hat bis ins 18. Jahrhundert überdauert. In einem Kupferstich von Michael Wening aus dem Jahr 1702 ist der Turm noch zu sehen. 1718/19 wurde er abgerissen und durch einen Springbrunnen ersetzt. Auf historischen Darstellungen ist er fortan nicht mehr zu sehen. Die Ausgrabungen bestätigen nun, dass Turm und Brunnen tatsächlich existierten.

Der Wind wird stärker, Bernd Romir zieht sich die Mütze in die Stirn. Die bewegte Geschichte dieses Orts sei "weitgehend durch Erbstreitigkeiten ausgelöst", sagt er. Bernd Romir zeigt zum Markt Schwabener Kirchturm. Am 1. Mai 1945, erzählt er, "da sind im Ort während des Gottesdienstes die Panzer eingefahren". Sein Heimatkundler-Kollege Josef Blasi ist einer der lebenden Zeitzeugen von damals. Es war der Tag, an dem rund um die Schwabener Burg Frieden einkehrte.

In Pandemie-freien Zeiten ist das Markt Schwabener Heimatmuseum in der Bahnhofstraße 28 jeden ersten Sonntag im Monat von 14 bis 17 Uhr geöffnet. Unter anderem zu sehen: Eine kleine und eine große Steinschleuder-Kugel.

© SZ vom 19.01.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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