Coronavirus:Warum es beim Impfen in Bayern gerade hakt

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Viele Senioren reagieren besorgt auf Verzögerung bei Terminvergabe. (Foto: dpa)

Probleme bei der Online-Anmeldung, abgesagte Termine: Es hagelt gerade Beschwerden in den Kommunen. Der Gesundheitsminister versucht, die Wogen zu glätten - mit dem Hinweis auf Rücklagen von rund 100 000 Dosen.

Von Dietrich Mittler, München

Dieses Telefonat wird der Kitzinger Landrätin Tamara Bischof (Freie Wähler) in Erinnerung bleiben. "Ich will auch noch aweng leben", teilte ihr im fränkischen Zungenschlag eine mehr als 80-jährige Landkreisbürgerin mit. Wann denn für sie und ihre Freundin endlich der Corona-Impfstoff bereitstehe? Für die Erstimpfung wohlgemerkt. Bischofs Problem: Der vorhandene Impfstoff wird derzeit vor allem für nun anstehende Zweitimpfungen gebraucht. Es hagelt also Beschwerden - erst recht, wenn die Erstimpfung bereits zum dritten Mal verschoben wurde. "Wir haben im Landkreis gut 90 000 Einwohner, davon 6300 über 80 Jahre alt", sagt Bischof. Da reiche der gelieferte Impfstoff, der nun nach dem Königsteiner Schlüssel an die Landkreise verteilt werde, "hinten und vorne nicht".

Immerhin, die Woche hat für Bischof besser begonnen als erwartet. Am Dienstagmorgen traf bei ihr die Botschaft ein: Zur wöchentlichen Lieferung von 730 Impfdosen kommen am Freitag noch weitere 144 hinzu. Das konnte der Landrätin den Tag zumindest etwas versüßen. Einige wenige Erstimpfungen sind nun wohl doch möglich. Aber letztlich bleibt es dabei: Impfstoff ist knapp im Kreis Kitzingen. Er bleibt nicht nur dort knapp: Der Impfstoff-Hersteller Biontech/Pfizer schränkt, bedingt durch den Umbau eines Werkes in Belgien, bis Mitte Februar die Lieferungen ein. "Ich bin verärgert und fordere klare Zusagen von Biontech/Pfizer sowie vom Bund und der EU", sagt Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU). "Das finde ich unmöglich", meint auch Christian Bernreiter (CSU), Präsident des Bayerischen Landkreistags.

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Etliche Betroffene reagieren sogar mit Wut. Eine Auswahl von dem, was Mitarbeiter des Kitzinger Landratsamtes bezüglich Impfstoff bereits zu hören bekamen: "Ihr nehmt das Zeuch doch nur für euch selbst." "Ihr versteckt den!" "Ich komm jetzt nauf und hol mir das ab." Oder: "Die Landrätin muss zum Teufel gejagt werden, ihr seid doch alle Stümper." Bischof sagt, sie habe ein dickes Fell. Wenn die Zeit es zulässt, ruft sie die aufgebrachten Menschen an und sagt: "Alles, was ankommt, verimpfen wir, aber das ist natürlich viel zu wenig."

Minister Holetschek versucht indes, die Wogen zu glätten - mit Hinweis auf die Rücklagen von rund 100 000 Impfdosen, die der Freistaat "durch vorausschauende und kluge Planung" gebildet habe. Die dienen nun freilich vorrangig der Zweitimpfung. Die Impfzentren seien "einsatzbereit", sagt Holetschek. Heißt für den Kreis Kitzingen aktuell: Die Mitarbeiter, die nicht gerade für Zweitimpfungen eingeteilt sind, telefonieren dort die ganze Zeit über mit Senioren und tragen sie in die neue Internet-Plattform der Staatsregierung ein. Im Augenblick gleicht die einer gigantischen Online-Wartehalle, erreichbar unter www.impfzentren.bayern/citizen.

Viele alte Menschen kommen dort ohne Hilfe aber gar nicht erst an. Mal haperte es bei der Eintragung der Risikofaktoren, die vom System "nicht angenommen wurden". Mal können sich betagte Ehepaare, die oft nur eine gemeinsame Mailadresse haben, online nicht zusammen für die Impfung registrieren. Manche flüchten sich in Ironie. Das neue Portal sei "so wunderbar auf die Internet-affine Nicht-Risikogruppe ausgelegt". Bleibt in der Regel nur die telefonische Anmeldung, die - wie das Beispiel Kitzingen zeigt - eben auch oft im Warten endet. Die Barrierefreiheit für Hörgeschädigte und Gehörlose ist ebenfalls ausbaufähig, denn auch da gibt es Senioren, die mit dem Internet nicht viel anfangen können. Für diese Zielgruppe sei aber die telefonische Vereinbarung eines Impftermins nicht möglich, hieß es.

Kritik kommt indes auch von der Landtags-Opposition: "Täglich erreichen mich Anrufe und Mails von Betroffenen, die sich nicht zu einem Impftermin anmelden konnten", sagte Andreas Krahl, der seniorenpolitische Sprecher der Landtags-Grünen, am Dienstag.

© SZ vom 20.01.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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