Corona-Pandemie:Was Unternehmer zu der Pleitewelle sagen

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Eingang zum Sporthaus Schuster in der Münchner Innenstadt: Ende November musste das Tochterunternehmen Sport Münzinger, das älteste Sporthaus Münchens, schließen. (Foto: Sebastian Gabriel/OH)

Fünf Menschen erzählen, wie es ihrem Unternehmen in Zeiten von Corona geht.

Von Lea Hampel und Michael Kläsgen

Alexander Gedat, Vorstandschef Gerry Weber International AG

Wir nehmen wie viele Einzelhändler an der Kampagne #wirmachenaufmerksam teil, weil wir mit legalen Mitteln auf die dramatische Situation, in der sich besonders die Modebranche und der Einzelhandel befinden, hinweisen wollen. Gerry Weber hat aktuell keine Angst vor einer erneuten Insolvenz, es liegt aber auf der Hand, dass auch in unserer Branche eine Pleitewelle droht. Natürlich ist es absolut begrüßenswert, dass die Bundesregierung notwendige Maßnahme gegen die Pandemie ergreift. Zumindest die Ausgleichszahlungen müssen aber bei uns ankommen, wenn wir unsere Läden schon nicht öffnen dürfen.

Wie bei fast allen anderen Anbietern auch liegt in unseren Lagern ein nicht unerheblicher Überschuss an "verderblicher" Ware, die nach Ablauf der jeweiligen Saison stark an Wert verliert. Da Gerry Weber über eigene Outlets verfügt - online und stationär - können wir die überschüssige Ware immerhin dort an die Kundinnen und Kunden bringen. Wir haben auch in gewisser Weise das Glück, während der Insolvenz in Eigenverwaltung bis Ende 2019 grundlegend saniert worden zu sein. Gerry Weber würde es sonst so nicht mehr geben. Was wir aber wie die gesamte Branche jetzt dringend benötigen, um weiterhin solide planen zu können, ist eine klare Perspektive von Seiten der Politik, wann wir im Einzelhandel wieder öffnen können. Unser Online-Verkauf ist zwar gestiegen, kann aber nur einen kleinen Teil der stationären Verluste ausgleichen.

Rainer Angstl, Geschäftsführer, Sporthaus Schuster

Im November und Dezember erwirtschaften wir normalerweise 85 Prozent unseres Betriebsergebnisses. Doch erst kam die Entscheidung mit dem Teil-Lockdown ab dem 2. November, was zu einem massiven Einbruch des stationären Umsatzes geführt hat, dann haben wir mit dem Total-Shutdown vor Weihnachten die zehn umsatzstärksten Tage des Jahres verloren. Wir machen sehr erfreuliche Online-Umsätze, aber selbst wenn wir den Umsatz online verdoppeln, so wie es im Moment aussieht, reicht das bei einem Multi-Channel-Anbieter mit 85 Prozent Umsatzanteil stationär am Ende nicht, denn der stationäre Umsatz fällt ja auf Null Euro.

Bezüglich der Liquidität haben wir die Hausaufgaben gemacht und die angebotenen Kredite angefordert. Die im Frühjahr von den Vermietern gestundete Miete wurde nun bis Ende des Jahres zurückgezahlt. Jetzt sind wir erneut in der prekären Situation, dass die Mieten wieder nicht erwirtschaftet werden können. Wie dramatisch die Situation im stationären Handel ist, mussten wir selbst erleben: Ende November mussten wir unser 132 Jahre altes Tochterunternehmen Sport Münzinger, das älteste Sporthaus Münchens, schließen. An der besten Stelle in München, im Rathaus. Somit hat es jetzt auch München erwischt, das lange auf einer Insel der Glückseligen lebte. Die Leerstände in der Innenstadt, auch in den 1A-Lagen, nehmen deutlich zu.

Tonia Merz, Korsettschneiderin

Durch den ersten Lockdown hat uns das Maskennähen gebracht. Wir mussten nur im April 25 Prozent Kurzarbeit anmelden. Im Sommer war ich außerdem einmal im Monat mit Korsetts in einer anderen Stadt, das hat ausgeglichen, dass sonst 70 Prozent unserer Kunden gar nicht aus Berlin kommen. Schlimmer ist es seit dem zweiten Lockdown. Diesmal muss ich an meine Reserven, eine solche Talsohle hatte ich in 19 Jahren Selbständigkeit nie. Das liegt auch daran, wie kompliziert die Regelungen sind. Lange war nicht klar, in welche Kategorie wir fallen: Handwerk, Laden? Damit war auch unklar, ob wir Kunden empfangen dürfen. Letztlich durften wir nach Berliner Regeln öffnen. Trotzdem sparen die Leute natürlich grade.

Zum Glück haben wir nun Anspruch auf die Überbrückungshilfe III. Details da klären sich aber erst im Februar, die kennen bisher weder Steuerberater noch wir. Ich beantrage deshalb gerade Grundsicherung und muss zur Not auf Hilfe von Freunden und Familie setzen. Was mich wirklich fassungslos macht: Meine Petition für ein Krisengrundeinkommen haben fast eine halbe Million Menschen unterschrieben. Dass wir darauf und auf viele Mails an Hubertus Heil gar keine Antwort bekommen haben, finde ich schlimm. Optimistisch stimmt mich andererseits, dass wir sicher nach der Krise eine Art wilde 20er-Jahre erleben werden - mit sehr viel Lebensfreude, Parties. Und daher auch Korsetts.

Peter Finke, Reisebürokette Bühler

Eigentlich hatten wir in den letzten zehn Jahren jedes Jahr positive Zahlen. Dass das jetzt hässlich wird, habe ich ab März geahnt, aber da haben wir mit zwei bis drei Monaten gerechnet. Damals habe ich einen hohen sechsstelligen Betrag ins Unternehmen gesteckt, Kurzarbeit eingeführt, bei Umsatzeinbrüchen bis zu 98 Prozent. Gleichzeitig mussten wir Reisen umbuchen und stornieren, allein im März und April mehr als eine Million Flugscheine. Anfang April haben wir Geld von der KfW beantragt. Wir hatten gehofft, der Sommer hilft uns - aber auch da gab es nur Rücknahmen.

In der zweiten Lockdown-Runde gab es nicht schnell und ausreichend genug Hilfe, vor allem für den Mittelstand. 50 000 Euro Abschlagszahlungen helfen nichts bei 37 Mal Miete und 650 000 Euro Fixkosten im Monat. Wir haben unseren Kontokorrentrahmen voll ausgeschöpft und uns an die Politik gewandt, unser Wahlkreis ist der von Volker Kauder. Der hat uns Mails geschrieben, aber da stand nichts drin. Nachdem wir Insolvenz angemeldet haben, kamen zwei Investoren auf uns. Nun hat es keine fünf Wochen gedauert, bis klar war: 14 der 31 Reisebüros sowie alle Geschäftsreiseagenturen werden weiter geführt. Ich bemühe mich noch, Mitarbeiter unterzubringen, die nicht übernommen wurden und helfe dem Insolvenzverwalter. Dann gehe ich in den wohlverdienten Ruhestand - auch wenn ich mir den anders vorgestellt hatte.

Paul Berberich, Akzenthotel Frankenbrunnen im Odenwald

Pünktlich zu Ostern 1982 haben mein Vater und ich unser Hotel eröffnet. Meine Eltern hatten bis dahin einen landwirtschaftlichen Betrieb mit 18 Gästebetten. So kam die Idee, das zu einem Familienhotel auszubauen. Anfang der 90er-Jahre wurde die Konkurrenz durch billige Flüge in den Süden größer. Wir haben fortan auf ältere Reisegruppen gesetzt. Für sie habe ich Stadtführungen gemacht, Picknicks veranstaltet, persönlich Klavier oder Keyboard gespielt. Es hat viel Spaß gemacht, ich habe Leitzordner voller Dankesbriefe.

Normalerweise waren bei uns bis zu 50 Gruppen im Jahr. Im Jahr 2020 waren es insgesamt vier. Vermutlich wäre ich mit den November- und Dezemberhilfen über die Runden gekommen. Aber Ende September waren alle Rechnungen bezahlt, ich schuldete nur der Bank Geld. Weil es mir wichtig war, mein Gesicht zu wahren und ich mich nicht durch diesen Winter kämpfen wollte, habe ich Insolvenz angemeldet. Der Tag im Oktober war hart. Als wäre mein Leben kaputt. Dabei hat das Ganze vor der Pandemie angefangen. 2018 war ich schwer krank. Meine Bank hat deshalb einen Kredit früher zurückgefordert. Mein Sohn hat der Bank Geld für das Gelände geboten, aber die will es versteigern. Wir hoffen noch, dass es in die Familie zurückkommt, und er Ferienwohnungen einrichten kann. Die können meine Frau und ich als Rentner betreuen.

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