Digitaler Euro:Die Macht des Geldes

Lockdown - Frankfurt am Main

Hüterin des Euro: Die Europäische Zentralbank in Frankfurt will ihre geldpolitische Souveränität nicht aufgeben. Derzeit lotet sie das Für und Wider eines digitalen Euro aus.

(Foto: Boris Roessler/dpa)

Kommt der digitale Euro? Der Druck auf die Europäische Zentralbank ist groß. Doch noch sind viele Fragen ungeklärt.

Von Katharina Wetzel

Wer ist im 21. Jahrhundert Vorreiter beim digitalen Geld? Das Wettlaufen hat begonnen. Während die Volksrepublik China längst einen digitalen Renminbi testet, befindet sich Europa noch in der Konsultationsphase. Ein digitaler Euro bietet Chancen. Doch Fragen gibt es viele - zur Finanzstabilität und insbesondere zum Schutz der Privatsphäre.

Was ist der digitale Euro?

Bargeld wird von Zentralbanken geschöpft und von Geschäftsbanken herausgegeben. Dieser Prozess lässt sich auch in einer virtuellen Geldwelt umsetzen. "Für Verbraucher könnte der digitale Euro eine Alternative zum Bargeld sein", sagt Thu Lan Nguyen, Devisenanalystin der Commerzbank. Statt Scheinen und Münzen im Geldbeutel können Verbraucher dann eine digitalen Geldbörse, eine sogenannte Wallet nutzen, um ihr virtuelles Geld aufzubewahren. Daneben könnte Bargeld weiterhin bestehen.

Warum ist die Technologie so besonders?

Im Zahlungsverkehr der Zukunft lassen sich Geldeinheiten oder andere Vermögenswerte einfach und sekundenschnell von A nach B transferieren, auch weltweit. Möglich macht es die Distributed-Ledger-Technologie (DLT), eine Art Datenbank, die auf mehrere Orte verteilt ist. Zu der DLT-Familie gehört auch die Blockchain-Technik. "Im letzten Jahrhundert haben wir den Zahlungsvorgang digitalisiert. Jetzt digitalisieren wir das Geld selbst", meint Alexander Bechtel, Experte für digitale Währungen bei der Deutschen Bank. Auch Offline-Zahlungen sind möglich: "Zahlungen können dann auch ohne Internet von Handy zu Handy transferiert werden, wenn vorher sogenannte Token (digitale Währungen) und Wallets (digitale Geldbörsen) heruntergeladen werden", erklärt Bechtel.

Warum ist der Druck auf die Europäische Zentralbank (EZB) so groß?

Elektronische Bezahlangebote wie Paypal, Apple Pay oder Google Pay werden immer stärker genutzt. Die Corona-Pandemie sorgt zudem für einen Digitalisierungsschub. Aufseher und Zentralbanken sind weltweit alarmiert. Denn sie wollen ihre Hoheit über das Geld nicht an Internetkonzerne verlieren. So könnten Millionen Nutzer mit der geplanten Facebook-Währung Diem (vorher Libra) zahlen. Noch sind für das Facebook-Projekt die regulatorischen Hürden groß. Doch Experten wie Professor Philipp Sandner, Leiter des Frankfurt School Blockchain Center, glauben, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis Facebook seine eigene Währung herausbringt.

Macht die Cyberwährung Bitcoin dem Euro Konkurrenz?

Professor Sandner sieht in der Krypto-Währung Bitcoin kein alternatives Zahlungsmittel zum Euro. Denn Bitcoins ähneln eher einem Rohstoff wie Gold. "Ich habe große Zweifel, dass wir in Zukunft einmal unsere Pizza mit Bitcoins bezahlen", sagt Sandner.

Könnte China eine Vormachtstellung beim digitalen Geld erlangen?

Die chinesische Zentralbank beschäftigt sich schon seit 2014 mit einer eigenen digitalen Zentralbankwährung. Die Volksrepublik gilt daher als weltweit führend in dem Bereich. "China ist Europa fünf bis sieben Jahre voraus", sagt Wissenschaftler Sandner. In Pilotprojekten wird der digitale Yuan bereits getestet. Dafür hat die Volksrepublik im chinesischen Suzhou 20 Millionen digitale Yuan (drei Millionen US-Dollar) zu jeweils 100 000 Paketen per Verlosung unters Volks gebracht, wie btc-echo.de Anfang Dezember berichtete. Bereits zuvor verloste die Stadt Shenzhen zehn Millionen digitale Yuan in 50 000 Paketen, um die Akzeptanz der digitalen Zahlungsmittel in der Bevölkerung zu fördern. Die chinesische Zentralbank möchte mit der digitalen Währung an Einfluss gewinnen, die finanzielle Stabilität stärken und die Internationalisierung des Yuan vorantreiben. Mit dem digitalen Yuan kann die Regierung zudem auch die eigene Bevölkerung überwachen.

Will die EZB einen digitalen Euro einführen?

Derzeit prüft die EZB noch das Für und Wider. "Im Frühjahr, wahrscheinlich im April, werden wir entscheiden, ob wir mit dem Projekt fortfahren werden", sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde vergangenen Donnerstag in Frankfurt. Kürzlich sagte sie auf dem Online-Forum Reuters-Next, dass sie auf einen digitalen Euro in fünf Jahren hoffe. Auch wenn die EZB bisher zögerlich agierte, rechnen Experten mit der Einführung des digitalen Euro: "Wenn weniger in Euro bezahlt wird, verliert die EZB an Einfluss. Das will sie verhindern", sagt Devisenanalystin Nguyen. Und Wissenschaftler Sandner meint: "Die EZB hat keine andere Wahl, denn die Technologie ist bestechend. Hier in Europa arbeiten die Schweizerische und die Schwedische Zentralbank an digitalen Währungen."

Wie könnte der digitale Euro ausgestaltet sein?

"Es gibt sehr viele offene Fragen und die verschiedensten Designvorstellungen", sagt Nguyen. Offen ist zum Beispiel, ob der digitale Euro von der EZB direkt an die Bevölkerung herausgegeben wird. "Denkbar ist auch ein digitaler Euro, der nur einer gewissen Nutzergruppe verfügbar wäre, beispielsweise Geschäftsbanken." So eine Lösung für Geschäftsbanken wäre leichter umzusetzen und ist wahrscheinlicher. Auch die Schweizerische Nationalbank testet beispielsweise bereits einen E-Franken für Großkunden wie Finanzinstitute. Benjamin Duve, Leiter Digitale Vermögenswerte im Kapitalmarktbereich der Commerzbank, meint: "Ein digital programmierbarer Euro sollte für alle Banken in Europa kompatibel sein.

Welche Vorteile bietet ein digitaler Euro?

Verbraucher haben bereits gute Möglichkeiten bargeldlos zu bezahlen. Die Vorteile sind für sie also gering. Es ist eher eine finanzpolitische Frage. Denn viele Euro-Zahlungen laufen über große amerikanische Firmen wie Apple, Google, Paypal, Visa und Mastercard. "Die Gefahr ist da, dass die Zahlungsinfrastruktur nur noch von ausländischen Firmen bereitgestellt wird", warnt Wissenschaftler Sandner. Ein digitaler Euro, der von der EZB oder von Finanzinstituten aus der Eurozone herausgegeben wird, könnte die Abhängigkeit von ausländischen Firmen verringern. Großen Nutzen erhoffen sich Experten auch in Verbindung mit anderen Technologien (Internet der Dinge), wenn etwa Maschinen miteinander kommunizieren, sich vernetzen und automatisch Zahlungen auslösen können.

Welche Risiken gibt es?

Einige Ökonomen warnen vor Bank-Runs, wenn Endkunden den digitalen Euro direkt von der EZB beziehen. So könnten Verbraucher ihr Geld bei der Bank abziehen und es bei der Zentralbank parken, wo es in unbegrenzter Höhe sicher wäre. Derzeit gebe es auch eine Diskussion um die Funktionsweise des Finanzsystems, sagt Duve. Denn bisher offerieren die Banken Finanzdienstleistungen für die Wirtschaft. Mit einem digitalen Euro könnte je nach Ausgestaltung die Zentralbank an Macht gewinnen und die Banken Geschäftsbereiche verlieren. Die EZB prüft daher, wie ein digitaler Euro attraktiv gestaltet werden kann, ohne die Finanzstabilität zu bedrohen.

Bleibt die Privatsphäre geschützt?

Die Nutzung von Bargeld nimmt gerade während der Corona-Krise immer mehr ab. Was würde geschehen, wenn Geld komplett digitalisiert wäre? "Das ist eine gesellschaftliche Debatte, die wir führen müssen. In einer Demokratie ist es wichtig den Bürgern ein gewisses Maß an Privatsphäre zu ermöglichen. Allerdings hat der Staat gleichzeitig ein Interesse daran, Betrug und Kriminalität zu unterbinden", meint Deutsche-Bank-Experte Bechtel. Ähnlich wie beim Bargeld könnte es bei Zahlungen eine Obergrenze von 10 000 Euro geben, bei der ein Ausweis vorgelegt werden muss. Grundsätzlich sei mit der Technologie auch eine anonyme Zahlung möglich, dennoch sei die Ausgestaltung des digitalen Zentralbankgeldes knifflig: "Echte Anonymität ist im digitalen Raum nur garantiert, wenn man bei einer Zahlung erst gar keine Metadaten mitschicken muss", sagt Bechtel, der auch einen eigenen Podcast und Blog zum digitalen Euro betreibt.

Werden Transaktionen für den Mittelstand günstiger?

Falls Geschäftsbanken einen digitalen Euro implementieren - quasi als Ersatz zum Giralgeld (Geschäftsbankengeld), hätte dies auch für Firmenkunden Vorteile. Im Mittelstand könnten etwa ganz kleine Rechnungen und Zahlungen voll automatisiert von Maschinen abgewickelt werden - effizienter und günstiger. "Firmen brauchen etwa keine Vorfinanzierung mehr, denn sie bezahlen in dem Moment, indem sie produzieren", sagt Duve. "Am meisten Geld sparen würden ein Maschinenbauer und sein Kunde, wenn beide nur noch eine Wallet mit digitalem Geld hätten und sie nicht mehr alles auf ein normales Konto umrechnen müssten. Denn das produziert zusätzliche Arbeit und Kosten", sagt Duve. Der Experte ist überzeugt: "Ein früh eingeführter digitaler und programmierbarer Euro wäre für die europäische Wirtschaft ein Wettbewerbsvorteil."

Wie könnte der Zahlungsvorgang in der Praxis funktionieren?

"Ein autonom fahrendes Auto fährt an eine Ladesäule, tankt auf und führt dabei automatisch eine Zahlung aus", nennt Deutsche-Bank-Experte Bechtel als Beispiel. Finanzinstitute arbeiten an solchen intelligenten Produkten, programmierbaren Zahlungen. Die Commerzbank hat bereits voll automatisierte Zahlungsabwicklungen in Pilotprojekten durchgeführt.

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