Literatur:"Dein Bild zerfloss in mir"

Literatur: Franz Hitzlers verrätselte Radierungen aus dem Jahr 2020 tragen allesamt keinen Titel.

Franz Hitzlers verrätselte Radierungen aus dem Jahr 2020 tragen allesamt keinen Titel.

(Foto: Stiftung van de Loo)

Gedichte und Radierungen des Paars Katharina Ponnier und Franz Hitzler

Von Sabine Reithmaier

"Wenn ich dir im Arm singe / vom Wegfliegen / aus der grauen Pfütze / unserer Probleme ..." - irgendwie lässt sich angesichts der anrührenden Verse gut nachvollziehen, warum die Dichterin Katharina Ponnier und der Maler Franz Hitzler von "kristallisierten Brennpunkten der inneren und äußeren Geschichte" sprachen, als sie ihr gemeinsames Buchprojekt in einem Brief vorstellten. Ponnier hat in dem Band "Zu einem Feuerfunken in den Fluss" (Allitera Verlag) 149 ihrer Gedichte aus fast 40 Jahren zusammengestellt, Hitzler dazu 32 Radierungen geschaffen. Ein schönes Buch, in dem man gern blättert und liest.

Den Vers, dem der Titel entnommen ist, entdeckt man erst später: "es betrat mich der Fluss / dein Bild zerfloss in mir / zum Ewigen / und wie der Fels verschwand / verschwand dein Bild / zu einem Feuerfunken in den Fluss...", dichtete Ponnier im Jahr 2003. Franz Hitzler radierte dazu ein großes Sonnenauge, schwarze Vögel und einen weiblich anmutenden Körper, das Gesicht verdeckt durch eine schwarze Maske, im Bauch eine langstielige, geknickte Rose und statt der Füße einen weiteren fratzenhaften Kopf. Freilich: Der Versuch, Hitzlers fabelhaft verrätselte Innenwelten in ihrem Mix aus abstrakten und figurativen Elementen in die Realität zu übersetzen, ist per se zum Scheitern verurteilt.

Das Buch ist nicht die erste gemeinsame Schöpfung des seit 1972 verheirateten Paars, sie haben bereits einige Künstlereditionen vorgelegt. Ponnier, Jahrgang 1944, die neben Romanen und Prosatexten bereits vier Lyrikbände veröffentlicht hat, konnte für diese Retrospektive vermutlich aus dem Vollen schöpfen; mehr als die Entstehungszeit der Verse - der Prozess scheint sich oft über mehrere Jahre zu ziehen - gibt das Buch aber nicht preis. Geordnet hat sie Ponnier in acht Kapiteln nach inhaltlichen Zusammenhängen.

Die Gedichte erzählen von Gegensätzen und Widersprüchen, von Liebe und Verletzungen, verbinden Innen- und Außenwelt mit Erinnerungssplittern. Impulse können ganz konkrete Landschaften liefern, die Ponnier in den "Himmelsgärten" besingt, das "Millionenheer der blassen Halme" im Murnauer Moos im Frühling genauso wie "Pavillone und Palmenhausluft" im Nymphenburger Park. Der Titel leitet häufig nahtlos in den eigentlichen Text über; "Die Sümpfe im Veneto / sind nicht leer / nur die Gutshäuser // es tanzt die Hitze / im Grillengesang // der Kanal ist arm / die Rose ohne Krise / brennt den Mittag ..." Italien nimmt breiten Raum ein in Ponniers Lyrik, vermutlich der häufigen Aufenthalte in Albisola wegen. Seit 2002 zieht sich Hitzler, Jahrgang 1946, regelmäßig zu intensiven Arbeitsaufenthalten in den alten Keramikort in Ligurien zurück.

Ponnier beschreibt in Albisola II "die steilen Riffe unserer Bucht", die im juniblauen Balsam mit dem Meer verschwimmen, zu finden im Kapitel "Wo der Vogel abtaucht". Hitzler radiert dazu ein vogelähnliches Wesen, das kopfüber in zackige Wellen stürzt, Ponniers Zeilen "Fällt die Möwe aus dem Himmel / in ihren Schrei" ideal illustrierend. Dichterinnen, die sie inspiriert haben, hat Ponnier den Zyklus "Gehen mir nahe" gewidmet, kleine, gelungene lyrische Auseinandersetzungen mit Ingeborg Bachmann, Annette von Droste-Hülshoff oder Hannah Arendt.

Anders als die Gedichte entstanden die Radierungen erst in jüngster Zeit. Hitzler lässt die Verse seiner Frau oft Wochen und Monate auf sich wirken, ehe er sich daran macht, wiederzugeben, was die Texte in ihm ausgelöst haben.

Eigentlich gäbe es auch die Möglichkeit, die Auseinandersetzung mit den Gedichten genauer zu studieren. Die Galerie van de Loo Projekte würde, wenn sie denn offen hätte, gerade eine Ausstellung zur Entstehungsgeschichte des Künstlerbuchs zeigen. Neben dem Gedichtband ist auch eine aufwendige Edition entstanden, eine Kassette mit 35 Radierungen und 24 im Bleisatz gedruckten Gedichten. Die Auflage ist klein, es gibt nur 15 Exemplare. Derzeit bleibt nur der Blick durchs Schaufenster, um die Nebenprodukte des langwierigen Entwicklungsprozesses zu entdecken: Umschlagentwürfe, Zeichnungen, Collagen und Probedrucke.

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