Segler Boris Herrmann:Irrer Ritt über die Ozeane

Der deutsche Einhandsegler Boris Herrmann hat in gut 80 Tagen die Welt umrundet - sein Unglück am Ende der Regatta Vendée Globe lenkt den Fokus auf einen Mann, der verdammt viel aushalten kann.

Von Peter Burghardt

Dem Frachter entkam Boris Herrmann noch, es war der Tag 77 auf See, der Endspurt begann. Das Riesenschiff, 300 Meter lang, kreuzte seine Route, östlich der Azoren. Der Kapitän möge den Kurs ändern, bat Herrmann über Funk, "ich bin Segler, ich habe Vorfahrt". Er schilderte die Diskussion hinterher im täglichen Videoclip von seiner Rennyacht Seaexplorer. Und weiter flog er über das Meer, Frankreich und dem Ziel der Regatta Vendée Globe entgegen, er hätte sogar gewinnen können. Aber dann, als dieser irre Ritt über die Ozeane drei Tage später fast geschafft war, ereilte ihn am späten Mittwochabend doch noch ein Crash. Mit einem Fischtrawler.

"Wie eine Wand" sei das Boot vor ihm aufgetaucht, berichtete Herrmann, er habe geschlafen. "Das ist der schlimmste Albtraum, der mir bislang widerfahren ist." Die Alarmsysteme an Bord versagten. Ein Unfall, nur knapp 150 Kilometer vor Les Sables d'Olonne an der französischen Atlantikküste, wo diese Reise am 8. November 2020 begonnen hatte und nun auch endete. Nach 52 000 Kilometern. In einem Finale, das wegen der knappen Abstände zum Thriller geworden war. Verletzt wurde niemand, die Schäden an der Seaexplorer allerdings kosteten Boris Herrmann den möglichen Sieg, er segelte danach nur noch halb so schnell Richtung Hafen. Ein sagenhaftes Pech, doch auf einem der vorderen Plätze landete der bald 40-jährige Hamburger trotzdem. Ein Erfolg war diese Vendée Globe so oder so für ihn, den Debütanten.

Er ist der erste Deutsche überhaupt, der die härteste Einhandregatta mitgemacht und beendet hat. Die Deutsch-Französin Isabelle Joschke schied mit einem Hydraulikschaden aus, mehrere Teilnehmer blieben auf der Strecke. Es ging in mehr oder weniger 80 Tagen um die Welt, allein auf einem Hightechboot, mit Segeln und Jetfoils, die wie Flügel sind. Durch Ozeane, in denen Pannen, Wale, Eis oder verlorene Container und eben auch Fischerboote lauerten, durch Stürme und Flauten, Kälte und Hitze, auch entlang der berüchtigten Roaring Forties zwischen Südamerika, Afrika, Australien und der Antarktis.

Eintopf zu Weihnachten - im Südpazifik

An Weihnachten war Boris Herrmann mitten im Südpazifik. Er sprach über Whatsapp mit Frau und Kind in Hamburg, aß französischen Eintopf, trank ein Glas Wein, knipste eine Lichterkette an und freute sich über Rang drei. Im neuen Jahr meldete er sich aus dem rauen Südatlantik, er hatte Kap Hoorn bezwungen, die ungemütliche Südspitze Amerikas. Er berichtete in selbstgefilmten Sequenzen an Bord von geflickten Segeln und repariertem Generator, vom Balanceakt auf dem Mast, einem Albatros, einer dramatischen Rettungsaktion für einen Kollegen, bei der er Zeit verlor und für die er sechs Stunden gutgeschrieben bekam.

Man hörte im Netz den Wind, man sah die Wellen, die Gischt und manchmal die Sonnenuntergänge. Es krachte, jaulte, blies. Weit weg von Corona, eine Wüste aus Wasser. Am Anfang folgten hauptsächlich Segelfreunde seinem Abenteuer, multimedial verbreitet von seinem Team Malizia. Dann waren immer mehr Menschen dabei, zumal Herrmann so gut erzählt. Fernsehsender stiegen ein, es war fast wie bei der Tour de France. Und Beistand kam auch von seiner bekanntesten Passagierin aus vergangenen Jahren, Greta Thunberg.

Der Skipper Herrmann hatte die schwedische Klimaaktivistin im Spätsommer 2019 nach New York gebracht, er steuerte damals gemeinsam mit Pierre Casiraghi, dem Sohn von Caroline von Monaco, beide starten für den dortigen Yachtclub. Boris Herrmann, geboren 1981 in Oldenburg, begann einst auf Jollen und durchsegelt als Profi seit Jahren die Weltmeere. Er raste von Kapstadt nach Rio oder von San Francisco nach Shanghai, aber das Publikum entdeckte ihn vor allem als Chauffeur von Greta Thunberg, "Fridays for Future".

Sie mögen sich, teilen ihre Sorgen über die Natur. Herrmann hat BWL studiert, mit Schwerpunkt Nachhaltigkeit. Er nahm auch bei dieser Solofahrt Wasserproben in Gegenden, wo sonst kaum einer hinkommt. Mit seiner Frau unterrichtet er Kinder im Programm Malizia Ocean Challenge. Das Motto: "A race we must win."

Seinen größten Wettbewerb hat er so oder so gewonnen. "Ich bin der Meinung, der menschliche Geist kann sich an alles gewöhnen, aber es sind harte Bedingungen, meine Güte", sagte er unterwegs der Zeitschrift Yacht. "Verdammt noch mal, ich bin froh, wenn ich wieder zu Hause bin."

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