Coronavirus:Warum auch Kinder Gutscheine für FFP2-Masken bekommen

Coronavirus: Sollten nicht eigentlich Menschen über 60 mit FFP2-Masken ausgestattet werden? Auch viele Kinder und Jugendliche bekommen die Coupons zugeschickt.

Sollten nicht eigentlich Menschen über 60 mit FFP2-Masken ausgestattet werden? Auch viele Kinder und Jugendliche bekommen die Coupons zugeschickt.

(Foto: Daniel Hofer)

Eltern vermuten, dass Kinder mit altmodischen Vornamen Post vom Gesundheitsministerium erhalten. Der wahre Grund für die vermeintlichen Irrläufer ist aber ein anderer.

Von Max Sprick

Als Janosch einen Brief von der Bundesregierung bekam, wunderte er sich. Das Gesundheitsministerium machte sich offenbar Sorgen um ihn, es befürchte, so steht es in dem Schreiben, ein "erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf" einer Corona-Erkrankung. Also bekäme er nun, mit diesem Schreiben, zwei Berechtigungsscheine für je sechs Masken "mit hoher Schutzwirkung", zur Abholung in der Apotheke seiner Wahl. Statt mit einer Erklärung oder wenigstens freundlichen Grüßen endet das Schreiben mit einer Aufforderung: "Bleiben Sie gesund."

Aber Janosch ist gesund, quietschfidel, um genau zu sein. Und er ist gerade einmal 18 Jahre alt. Wieso also bekommt der junge Mann Berechtigungsscheine zugeschickt?

Das ist eine Frage, die in den sozialen Medien gerade einige verdutzte Eltern stellen. Von Sieben-, Elf- oder gar Zweijährigen ist da die Rede, denen plötzlich und völlig grundlos ein erhöhtes Risiko bescheinigt wird. Schnell tauchte in diversen Kommentaren ein Verdacht auf: Ist Nomen für die Bundesregierung gleich Omen? Bekommen die Kinder und Jugendlichen Berechtigungsscheine, weil man sie mit ihren klassischen Vornamen für betagt und also auch für gefährdet hält? Und falls ja, falls wirklich der Vorname Kriterium ist, gehen dann alle Menschen mit exotischen Vornamen, die aber wirklich gefährdet sind, leer aus? Wird beispielsweise Fritz bevorteilt und Mohammed vergessen?

Wer berechtigt ist, entscheidet sich anhand der Krankenkassen-Kartei

34,1 Millionen Menschen, also fast jeder Dritte in Deutschland lebende, sollen solche Coupons erhalten, hat Gesundheitsminister Jens Spahn kürzlich verkündet. Diese Zahl habe sich nach einem Abgleich der Versichertendaten der Krankenkassen ergeben. Anspruch hat, wer älter als 60 Jahre oder chronisch erkrankt ist. Viel zu tun also für die Bundesregierung, die die Scheine in Auftrag gibt, die Bundesdruckerei, die sie fälschungssicher druckt, und die Krankenkassen, die sie dann verschicken, an jene Menschen, die besonderen Schutzes bedürfen.

22.01.2021 Dortmund Senioren bekommen Berechtigungsscheine für FFP2 Masken. Jeweils sechs können pro Schein in den Apot

So sehen die Berechtigungsscheine für die FFP2-Masken aus, die an 34 Millionen Menschen in Deutschland verschickt werden sollen.

(Foto: Anja Cord/imago images)

Dass das Gerücht mit den altmodischen Vornamen aufkam, liegt an Niedersachsen, hat aber gar nichts mit den FFP2-Masken zu tun, sondern mit Impfterminen. Als also in Niedersachsen ein Informationsschreiben an 200 000 Haushalte verschickt werden sollte, in denen ältere Menschen leben, die zur ersten Gruppe für die Corona-Impfung gehören, beauftragte das Land die Deutsche Post Direkt GmbH, eine Tochter der DHL. Weil diese ein Privatunternehmen ist und als solches die Daten aus den Melderegistern der 409 niedersächsischen Kommunen nicht nutzen darf, griff sie auf ihre eigene Adressdatenbank zurück und schätzte das Alter der potenziellen Empfänger anhand der Vornamen, genauer: "aufgrund des Vornamens, der üblicherweise in bestimmten Altersjahrgängen in Verbindung mit regionalen Besonderheiten besonders häufig vergeben wurde", teilt ein Sprecher schriftlich mit. So eine Vornamensanalyse sei nicht unüblich, nur werde sie eher im werblichen Umfeld genutzt, "und nicht, um eine personengenaue Ansprache durchzuführen".

Bei Werbesendungen mag es mehr oder weniger wurscht sein, wenn mal ein kleiner Emil oder eine kleine Frieda einen Flyer bekommt, der für die Altersgruppe 80 plus bestimmt ist. Wenn es um Impftermine oder Atemschutzmasken geht, kann so eine Verwechslung im schlimmsten Fall Leben kosten. Ist also im Fall der FFP2-Masken-Berechtigungsscheine Ähnliches passiert wie bei den Impf-Informationen in Niedersachsen?

Die Suche nach der Antwort beginnt beim Absender der Scheine: der Bundesregierung. "Dazu können wir nichts sagen", sagt eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums. "Das organisieren die Krankenkassen, die auf ihre Versicherten-Daten zurückgreifen. Da müssten Sie anrufen."

Kleiner Husten oder chronische Bronchitis?

Der nächste Anruf führt zur Debeka, Europas größter privater Krankenversicherung, die als erste mit dem Versand der Voucher begann, auch an Kinder. Sie sollte beim Finden der richtigen Adressaten im Vorteil gegenüber der Post sein, denn sie hat schließlich das Geburtsdatum eines jeden Versicherten in den Akten.

"Wir erfüllen nur die Vorgaben der Bundesregierung", sagt ein Sprecher. Begünstigt werde, wer über 60 ist oder eine entsprechende Diagnose bekommen hat. Und das könne eben auch ein jüngerer Mensch sein, für den im zugrunde liegenden Zeitraum zwischen Januar 2019 und Dezember 2020 eine Arztrechnung eingegangen ist, die auf ein erhöhtes Risiko für einen schweren Covid-Verlauf hindeutet. Dabei könne es schon mal vorkommen, dass ein behandelnder Arzt statt eines einfachen Hustens eine chronische Bronchitis diagnostiziert hat - und schon ist das Kind berechtigt, einen Masken-Voucher zugeschickt zu bekommen. "Das hat nichts mit dem jeweiligen Vornamen zu tun", sagt der Sprecher. Außerdem: Der Name "Janosch" sei doch sehr modern.

Der 18-jährige Janosch, der die FFP2-Masken-Gutscheine mit der Post bekommen hat, sagt übrigens, er könne sich an keinerlei Husten erinnern. Beim Arzt sei er schon ewig nicht mehr gewesen.

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