Umweltverschmutzung:Shell muss Bauern in Nigeria entschädigen

Ein Gericht in den Niederlanden verurteilt die nigerianische Tochter des Konzerns wegen Ölverschmutzung. Das Urteil könnte weitreichende Folgen für Energieunternehmen haben.

Von Thomas Kirchner

Mit Rohöl verschmutzte Hände

Alles dreht sich ums Erdöl: Aufnahme während eines Protests in Nigeria gegen Shell nach einer Ölpest im Jahr 2011.

(Foto: George Esiri/dpa)

Es ist ein Urteil, das wegweisend werden könnte für die Frage, inwieweit internationale Energieunternehmen für die Umweltfolgen ihrer Tätigkeit verantwortlich sind: Gemäß einem niederländischen Gericht muss das Tochterunternehmen des Öl-Konzerns Shell in Nigeria mehrere Bauern in dem Land für Ölverschmutzung entschädigen. Das Unternehmen sei haftbar für Verseuchungen durch Öl-Lecks 2004 und 2005, stellte das Berufungsgericht in Den Haag am Freitag fest. Die Höhe der Entschädigung muss später bestimmt werden.

Der britisch-niederländische Mutterkonzern mit Sitz in Den Haag sei zwar nicht direkt haftbar, wie das Gericht urteilte. Der Konzern habe aber eine "Sorgfaltspflicht" und wurde dazu verurteilt, alte Öl-Leitungen mit Sensoren zur Entdeckung von Lecks auszurüsten. Vier Bauern aus den Dörfern Oruma und Goi sowie die Umweltorganisation Milieudefensie hatten das Unternehmen in Den Haag auf Schadenersatz verklagt und auch die Sanierung des Bodens im Niger-Delta gefordert. Shell hatte die Vorwürfe zurückgewiesen und erklärt, dass lokale Saboteure und Öldiebe für die Lecks verantwortlich gewesen seien. Das Gericht ließ diese für den Fall zentrale Aussage von drei Experten überprüfen. Demnach sei dies zwar die "wahrscheinlichste Hypothese", könne aber nur in einem Fall als "zweifelsfrei bewiesen" gelten.

Wegen der schlechten Wartung der Infrastruktur verlieren Pipelines in Nigeria immer wieder Öl. Dadurch wurde den Klägern zufolge das Trinkwasser verseucht, der Fischbestand in Gewässern getötet und Ackerland unbrauchbar. Durch unzureichende Sicherung der Installationen bohren zudem Kriminelle die Leitungen an, wo ebenfalls Öl austritt. Laut "Friends of the Earth", deren niederländischer Arm Milieudefensie darstellt, sind allein im Nigerdelta bisher mehr als elf Millionen Barrel Öl ausgeströmt und haben die Lebensgrundlage Tausender Menschen zerstört.

Die Forderung nach weiterer Sanierung wies das Gericht ab. Die von Shell unternommenen Sanierungsmaßnahmen reichten aus. In Medienberichten ist zu sehen, dass die betroffene Gegend weitgehend wiederhergestellt ist. Doch weisen Äcker und Gewässer nach Angaben der ansässigen Bauern noch immer Schäden auf.

"Wir heulen vor Glück"

Während Shell enttäuscht auf das Urteil reagierte, zeigte sich Milieudefensie, überglücklich: "Wir heulen vor Glück. Nach 13 Jahren haben wir gewonnen", schrieb sie auf Twitter. Bereits 2013 war Shell-Nigeria in erster Instanz zur Zahlung von Schadenersatz in einem Fall verurteilt worden. Beide Seiten hatten Berufung eingelegt. Das Berufungsgericht geht nun weiter. In einer dritten Forderung wurde das Urteil vertagt.

Das Urteil kann auch Folgen für andere Forderungen gegen Shell in Nigeria haben. Bereits das Urteil von 2013 galt als wegweisend, da Forderungen gegen ein ausländisches Tochterunternehmen auch am Hauptsitz des Konzerns durchgesetzt werden konnten.

Proteste der Anwohner im Niger-Delta gegen die Verseuchungen wurden von der nigerianischen Regierung mehrmals gewaltsam niedergeschlagen. Nach massiven Protesten des Ogoni-Stammes stellte Shell Anfang der 1990er Jahre seine Tätigkeiten auf deren Gebiet vorübergehend ein; später wurde das Land von der Militärregierung unter Diktator Sani Abacha besetzt. Der Ogoni-Bürgerrechtler Ken Saro-Wiwa, der der Regierung und Shell große Schwierigkeiten bereitet hatte, wurde trotz heftiger internationaler Kritik zusammen mit acht anderen Aktivisten 1995 in einem Schauprozess wegen Anstiftung zum Mord verurteilt und gehängt.

Amnesty International: Shell muss seine Unternehmenspolitik ändern

Wegen Umweltschäden, mutmaßlichen Menschenrechtsverletzungen und Korruptionsvorwürfen laufen gegen Shell und andere Konzerne noch weitere Klagen. Shell hat dabei wiederholt argumentiert, es sei nicht für Handlungen seines Tochterunternehmens verantwortlich. Allerdings gehört die Tochter in Nigeria der Mutter zu hundert Prozent und überführt auch die Gewinne.

Das Urteil habe "große Relevanz", erklärte Mathias John, Experte für Wirtschaft und Menschenrechte bei Amnesty International: "Endlich kann sich der Konzern seiner Verantwortung für alle Unternehmensaktivitäten auch in anderen Staaten nicht weiter entziehen." Es sei zu hoffen, "dass dies auch Folgen für andere Verfahren gegen Shell hat, beispielsweise um das Unternehmen endlich auch für seine Verwicklung in andere Menschenrechtsverletzungen in Nigeria zur Rechenschaft zu ziehen". Shell müsse jetzt seine Unternehmenspolitik ändern und "glaubwürdig menschenrechtliche Sorgfaltspflichten verankern".

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