Kleine Wasserkraftwerke in Bayern:Schneller im Fluss

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Umweltschützer halten auch das neue Schachtkraftwerk bei Großweil für wenig fischfreundlich. (Foto: Frank Becht/TUM)

Betreiber kleiner Wasserkraftwerke in Bayern sollen künftig eine höhere Förderung erhalten als bislang. Umweltverbände fürchten den Bau vieler neuer Anlagen.

Von Christian Sebald, München

Umweltschützer, Fischer und Kanuten befürchten einen neuen Boom für den Bau und die Modernisierung kleiner Wasserkraftwerke in Bayern. Der Grund dafür ist, dass die Betreiber von Anlagen mit einer Leistung von bis zu 500 Kilowatt mit dem neuen Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) drei Cent mehr Vergütung je Kilowattstunde Strom bekommen als bisher. Aber das ist es nicht alleine. Für den Neubau oder die Modernisierung solcher Anlagen soll außerdem ein beschleunigtes Verfahren gelten. Danach sollen die Landratsämter die Genehmigungen für neue Wasserkraftwerke künftig grundsätzlich binnen zwei Jahren erteilen. Für neue Kleinstanlagen bis 150 Kilowatt Leistung und Modernisierungen soll der Zeitraum sogar auf ein Jahr beschränkt werden.

"Die Bedeutung der Wasserkraft für die Energiewende ist minimal", sagt der Präsident des Landesfischereiverbands, Albert Göttle. "Alle Experten sind sich einig, dass es kein bedeutendes Ausbaupotenzial mehr gibt. Wir lehnen den Neubau von Anlagen ab." Der Landesbund für Vogelschutz (LBV) und der Bund Naturschutz (BN) sind ebenfalls gegen einen Ausbau. "Die Faktenlage spricht klar dagegen", sagt LBV-Chef Norbert Schäffer.

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"Wissenschaftliche Untersuchungen haben die Hoffnung auf innovative fischfreundliche Turbinen weitgehend zerschlagen. Das Landesamt für Umwelt rät sogar von neuen Anlagen an frei fließenden Flussabschnitten ab und empfiehlt, bestehende Wehre abzubauen." BN-Chef Richard Mergner kritisiert die Beschleunigung der Genehmigungsverfahren. "Das ist zu wenig Zeit für die Prüfung der schädlichen Auswirkungen auf Flüsse und Auen." Der WWF und der Kanu-Verband fordern ebenfalls den Abbau "der oft baufälligen und obsoleten Wehre an alten Anlagen".

Die Wasserkraft rangiert in Bayern nach der Photovoltaik auf Platz zwei der erneuerbaren Energie. 2018 erzeugten die insgesamt 4250 Wasserkraftwerke hier elf Milliarden Kilowattstunden Strom. Damit beträgt ihr Anteil beim Strom aus erneuerbaren Energien 29 Prozent. Die Spreizung zwischen den Wasserkraftwerken ist allerdings enorm. 3910 der 4250 Anlagen oder 92 Prozent sind Kleinanlagen mit maximal 500 Kilowatt Leistung. Sie produzieren zusammen nur sieben Prozent des Wasserstroms. Die nur 67 großen Wasserkraftwerke in Bayern mit 10 000 und mehr Kilowatt Leistung liefern dagegen über zwei Drittel des Wasserstroms hierzulande.

Der ökologische Preis der Wasserkraft ist hoch. 90 Prozent der Bäche und Flüsse in Bayern werden für sie genutzt. Fischer und Naturschützer klagen, dass die Wehre der Anlagen die Lebensräume von Fischen und anderen Wasserlebewesen zerschneiden und in den Turbinen jedes Jahr Zigtausende Fische sterben. Die Wasserkraft ist aus ihrer Sicht einer der Hauptgründe, warum vier Fünftel der 75 heimischen Fischarten auf der Roten Liste stehen. Auch moderne Anlagen wie das Schachtkraftwerk in der Loisach bei Großweil, das eine Leistung von 480 Kilowatt hat und erst vor einem Jahr ans Netz gegangen ist, sind nach ihrem Urteil wenig fischverträglich.

Die Betreiber kleiner Wasserkraftwerke beharren darauf, dass ihre Anlagen für die Energiewende und den Klimaschutz nötig seien. Deshalb fordern sie schon lange mehr Förderung. CSU und FW bekennen sich seit Jahren dazu. Angesichts der Proteste der Umweltszene hat der Freistaat aber bisher darauf verzichtet, den Ausbau zu forcieren.

© SZ vom 01.02.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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