Mode:Künstliche Fäden, echtes Problem

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Farben und Schnitt mögen retro sein - das Material ist es nicht: Weltweit dürfte die Produktion von Kunstfasern für die Textilindustrie weiter steigen. (Foto: Dieter Matthes/imago)

Die Textilindustrie wächst rasant und setzt verstärkt auf synthetische Fasern wie Polyester. Die sind zwar billig, belasten aber die Umwelt.

Von Francesca Polistina, München

Das Wort "Nachhaltigkeit" ruft Assoziationen hervor. Mehr Zug und weniger Flug, zum Beispiel. Bewusster Umgang mit Wasser und Energie. Lokale und saisonale Lebensmittel. Weniger häufig dürfte es dagegen um die eigene Garderobe gehen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit mit synthetischen Fasern gefüllt ist.

Dabei werden künstliche Gewebe wie Polyester aus fossilen Brennstoffen wie Öl und Gas hergestellt und sind für die Umwelt eine große Last. Trotzdem wird die Modeindustrie immer abhängiger von ihnen. Zu diesem Ergebnis kommt ein neuer Report der Changing Markets Foundation, einer Stiftung, die sich für mehr Nachhaltigkeit in der Wirtschaft einsetzt. Demnach kauft der Durchschnittsverbraucher 60 Prozent mehr Kleidung als vor 15 Jahren - und trägt jedes Kleidungsstück nur halb so lang. Und so dürfte es weitergehen: Es wird erwartet, dass die weltweite Modeproduktion von 62 Millionen Tonnen im Jahr 2015 auf 102 Millionen Tonnen im Jahr 2030 steigt.

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Dieses rasche Wachstum wäre - genauso wie das Geschäftsmodell der "Fast Fashion" überhaupt - ohne billige Kunstfasern undenkbar. Schon heute ist beispielsweise in mehr als der Hälfte aller Textilien weltweit Polyester enthalten, meistens in Kombination mit natürlichen Fasern wie Baumwolle. Insgesamt hat sich der Einsatz von Kunststoffen in Textilien in den letzten 20 Jahren verdoppelt. Und bis 2030 werden, so schätzt die Studie, voraussichtlich fast drei Viertel aller weltweit verarbeiteten Fasern synthetisch sein, 85 Prozent davon als Polyester.

Die Folgen dieses rasanten Wachstums für die Umwelt sind enorm. Einerseits, weil dadurch größere Mengen an Textilmüll, auch in Form von unsichtbarem Mikroplastik, anfallen. Andererseits, weil nur ein Bruchteil von diesen Abfällen überhaupt recycelt wird: Der Untersuchung zufolge werden 87 Prozent des Bekleidungsmaterials entweder verbrannt, landen auf Mülldeponien oder werden gleich in die Natur gekippt. Die Autoren warnen zudem, dass die Produktion der synthetischen Fasern auch immer schmutziger werde, weil Kohle oder Fracking-Gas in der Textilbranche als Rohstoffe an Bedeutung gewinnen. Zugleich führe die große weltweite Nachfrage nach den Kunstfasern dazu, dass Öl- und Gaskonzerne wiederum verstärkt auf solche Kunststoffe als Absatzmarkt setzen, weil die Einnahmen aus anderen Bereichen wie Energie und Transport zurückgehen.

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