Schmerzmittel:McKinsey kauft sich in US-Opioidskandal frei

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Oxycontin galt erst als Wunderwaffe gegen starke Schmerzen, doch es macht stark abhängig. (Foto: Dominick Reuter/AFP)

Als die Suchtgefahr des Schmerzmittels Oxycontin längst bekannt war, riet die Beratungsfirma zu noch mehr Verkäufen. Jetzt folgt die Millionen-Quittung.

Von Claus Hulverscheidt, Berlin

Es ist, man muss es wohl sagen, ein Geständnis zweiter Klasse, das der Beratungskonzern McKinsey da nach langen Vergleichsverhandlungen in dieser Woche abgelegt hat: Wie US-Medien übereinstimmend berichten, wird das Unternehmen wegen seiner Verwicklung in die amerikanische Opioidkrise Wiedergutmachungszahlungen in Höhe von insgesamt gut 570 Millionen Dollar an mehr als 40 Bundesstaaten und US-Hoheitsgebiete leisten.

Obwohl McKinsey bereits im Dezember öffentlich eine Mitverantwortung für den Skandal eingeräumt hatte, ist mit der jetzigen juristischen Einigung angeblich kein formelles Schuldeingeständnis verbunden - zu groß ist am Firmensitz in New York ganz offensichtlich die Angst vor weiteren, womöglich noch teureren imageschädigenden Klagen.

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Wenn in Deutschland von der Opioidkrise die Rede ist, denken viele Menschen wohl immer noch an eine der üblichen traurigen Drogengeschichten. Doch anders als sonst wurde das Drama diesmal nicht von lateinamerikanischen Kartellen ausgelöst, sondern von renommierten US-Konzernen.

Im Mittelpunkt steht das Unternehmen Purdue Pharma, das 1995 das Schmerzmittel Oxycontin auf den Markt gebracht hatte. Es galt zunächst als Wunderwaffe gegen starke Schmerzen, der Firmeneigner, die Milliardärsfamilie Sackler, wusste jedoch offenbar von Beginn an um eine gefährliche Nebenwirkung: Das Medikament macht sehr rasch körperlich abhängig. Statt jedoch zu warnen, setzten die Sacklers eine riesige Maschinerie in Gang, um die Pillen als Standardmedikament selbst für leichtere Schmerzen zu etablieren. Ergebnis: Millionen Menschen verfielen der vermeintlichen Wunderwaffe, weit mehr als 400 000 starben an einer Überdosis Oxycontin oder damit verwandter Drogen wie Heroin und Fentanyl.

"Den schrecklichen Auswirkungen des Missbrauchs von Opioiden nicht angemessen begegnet"

Als die Verkäufe aufgrund negativer Medienberichte schließlich ins Stocken gerieten, heuerten Purdue, Johnson & Johnson und andere Hersteller McKinsey an. Nach Angaben der Generalstaatsanwältin von Massachusetts, Maura Healey, rieten die Marketingfachleute Purdue aber nicht etwa zur Vorsicht und zur Kooperation mit den ebenfalls aufmerksam gewordenen Behörden. Im Gegenteil: Die Berater legten einen Plan vor, wie sich der Verkauf von Oxycontin "erst richtig in Schwung bringen" lasse. Erst in der Erklärung vom Dezember gestand McKinsey ein, "dass wir der Epidemie, die sich in unseren Gemeinden abspielt, sowie den schrecklichen Auswirkungen des Missbrauchs von Opioiden nicht angemessen begegnet sind".

Insgesamt gehen mehr als 3000 Gemeinden, Städte und Bundesstaaten gegen die Opioidhersteller und ihre Helfershelfer vor, um zumindest einen Teil jener Ausgaben zurückzubekommen, die die gesundheitliche Behandlung und der soziale Abstieg von Millionen Schmerzmittelpatienten verursacht haben. Ein Großteil der Klagen wurden bei einem Bundesgericht in Cleveland gebündelt, eine Entscheidung steht noch aus. Purdue Pharma ist mittlerweile eine Art öffentlich-rechtliches Unternehmen, 8,3 Milliarden Dollar aus dem Firmenvermögen fließen in die Wiedergutmachung. Die Sacklers sind aus dem Eigentümerkreis ausgeschieden. Milliardäre sind sie immer noch.

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