Raumfahrt:Gedränge am Mars

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Neumitglied im Club der Raumfahrtnationen: die Vereinigten Arabischen Emirate, hier bei einer Präsentation im vergangenen Jahr. (Foto: Giuseppe Cacace/AFP)

Bald werden drei Sonden den Mars erreichen - so viele wie nie zuvor. Die Europäer müssen zusehen, wie die USA, die Vereinigten Arabischen Emirate und China Erfolge im All feiern.

Von Alexander Stirn

Aller guten Dinge sind vier. Genauer gesagt, aller guten Dinge wären vier gewesen: Vier Raumsonden hätten dieser Tage den Mars erreichen sollen, ein Rekord bei der Erkundung des Roten Planeten. Doch nachdem Europas Sonde Exomars aufgrund allerlei Problemen ihren Starttermin im vergangenen Sommer verpasst hat, kommen nun nur drei Sonden zugleich am Nachbarplaneten an. Auch das hat es zuvor noch nicht gegeben.

Das Trio könnte dabei unterschiedlicher nicht sein: Eine Raumsonde soll den Mars lediglich umkreisen, die anderen beiden wollen landen. Einer Sonde geht es um Wissenschaft und technologischen Fortschritt, bei anderen stehen Inspiration und Faszination, aber auch Prestige und Machterhalt im Vordergrund. Allen dreien ist eines allerdings gemein: Die Aufgaben, die in den kommenden Tagen, Wochen und Monaten vor ihnen liegen, werden alles andere als einfach sein.

Den Anfang macht der große Außenseiter: "Hope", zu Deutsch: Hoffnung, haben die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) ihre erste Marsmission getauft - zugleich die erste Sonde, die ein arabischer Staat überhaupt zu einem anderen Planeten geschickt hat. Am Dienstagnachmittag, um 17.42 Uhr deutscher Zeit, soll die Sonde nach einer 493 Millionen Kilometer langen Reise am Mars auf die Bremse treten. Sie wird dann, wenn alles wie geplant verläuft, ihre Triebwerke zünden und das Tempo von 121 000 Kilometer pro Stunde auf nur noch 18 000 Kilometer pro Stunde reduzieren - langsam genug, um in eine stark eiförmige Umlaufbahn um den Mars einzuschwenken.

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Es ist die einfachste Aufgabe von all den Herausforderungen, die vor dem interplanetaren Trio liegen. Für die Emirate wäre es dennoch eine riesige Leistung: Vor sieben Jahren, als die Idee aufkam, rechtzeitig zum 50. Geburtstag der Staatsgründung im Jahr 2021 den Mars zu erreichen, hatten die Emirate weder ein Raumfahrtprogramm noch eine Raumfahrtagentur. Heute haben sie beides - und noch dazu eine Marssonde, die sich bislang klaglos gehalten hat. Funktioniert nun auch die Ankunft am Mars, was zuvor nur vier anderen Raumfahrtagenturen gelungen war, soll Hope zwei Jahre lang um den Planeten kreisen und dessen Atmosphäre untersuchen.

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Die Wissenschaft ist allerdings nicht der Hauptgrund für die ambitionierte Mission. Die Emirate denken größer. Sie wollen weg von der alleinigen Abhängigkeit vom Öl und all den Risiken, die ein künftiger Preisverfall mit sich bringen könnte: "Als konservative Monarchie fürchten sich die VAE vor jugendlichen Arbeitslosen, frustrierten Menschen, drohenden Revolutionen", sagt Jörg Matthias Determann, Historiker an der Virginia Commonwealth University im Nachbaremirat Katar. "Um dem entgegenzuwirken, investieren sie in eine Wissensgesellschaft." Vor zwei Jahren flog daher der erste emiratische Astronaut ins All. Nun soll Hope Begeisterung wecken und junge Menschen dazu bringen, Mathematik, Ingenieurs- oder Naturwissenschaften zu studieren - und nicht wie bislang in die Verwaltung oder die Wirtschaft zu streben.

Unterstützung für Hope haben sich die Emirate bei US-Ingenieuren geholt, wobei das Augenmerk darauf gelegen habe, nicht nur Technik einzukaufen, sondern einen Wissenstransfer anzustoßen. So zumindest erzählt es die emiratische Raumfahrtagentur. Das autoritäre Regime verfolgt aber noch andere Ziele. Für die Führer am Golf sei Hope zudem eine Art Machtdemonstration, sagt Determann: "Auch wenn die VAE ein kleines Land sind, können sie mit solchen Missionen zeigen, dass sie eine Führungsrolle in der Region beanspruchen."

Um Macht geht es auch bei Tianwen-1, der "himmlischen Frage" - wie bei allem, was China im All anpackt. Die chinesische Raumsonde soll fast zur gleichen Zeit wie Hope am Mars ankommen, und auch für das Reich der Mitte wäre es eine prestigeprächtige Premiere: Nur einmal zuvor hatte China versucht, mit einer Raumsonde einen anderen Planeten zu erreichen - huckepack auf einer russischen Sonde. Die allerdings kam nicht über eine Erdumlaufbahn hinaus. Seitdem nimmt China sein Schicksal im All in die eigenen Hände. Sehr erfolgreich war diese Strategie zuletzt am Mond, wo es das Land sogar schaffte, Bodenproben mit einer robotischen Sonde zur Erde zu bringen. Nun soll Ähnliches auch am Mars gelingen - nach einem genauso stringenten Plan. Das Programm, so das erklärte Ziel der Staatsführung, soll Chinas Bürgerinnen und Bürger mit Stolz erfüllen. Es soll aber auch den Ruhm der Kommunistischen Partei mehren.

Verstärkt ist in letzter Zeit ein weiteres Ziel hinzugekommen: die Wissenschaft. Tianwen-1 wird aus seiner Umlaufbahn unter anderem die Mineralogie und das Magnetfeld des Planeten untersuchen. Nach einigen Monaten soll die Sonde zudem ein Roboterfahrzeug zur Marsoberfläche hinabschicken. Der 240 Kilogramm schwere Rover trägt nicht nur stolz eine chinesische Flagge am robotischen Revers, er hat auch Kameras, ein Bodenradar und ein Analysegerät für Gesteinsproben an Bord. Klappt die Landung, die aktuell für Mai geplant ist, wäre das ein weiterer Meilenstein für die chinesische Raumfahrt: Bei 17 Landeversuchen in der dünnen und windigen Marsatmosphäre waren bislang nur acht von nachhaltigem Erfolg geprägt - sie stammten allesamt von den Amerikanern.

Die wollen nahtlos an ihre vergangenen Erfolge anknüpfen. Perseverance (auf Deutsch "Ausdauer") heißt Amerikas diesjähriger Rover - der bislang "größte, längste und ausgeklügeltste", wie die US-Raumfahrtbehörde Nasa betont. Während sich China und die Vereinigten Arabischen Emirate mit dem olympischen Gedanken zufriedengeben - Dabeisein ist alles - gilt für die Amerikaner auch am Mars: höher, schneller, weiter. Allein 19 Kameras sind rund um den Rover angebracht, mehr als je zuvor. Ein kleiner Helikopter ist an Bord, der sich für kurze Testflüge in die Höhe schwingen wird, auch das eine Premiere. Unter den sieben wissenschaftlichen Instrumenten von Perseverance befindet sich ein ultravioletter Laser, mit dem Gesteinsbrocken aus der Ferne beschossen und analysiert werden sollen - auf dem Roten Planeten zuvor noch nicht gesehen. Und auch ein kleines Experiment, das Kohlendioxid aus der Atmosphäre in Sauerstoff umwandeln soll, ist eine Mars-Neuheit.

Die Instrumente sollen Spurenmikrobiellen Lebens finden

Die wissenschaftlichen Instrumente haben dabei ein klares Ziel: Sie sollen - nach der Landung am 18. Februar - zwar nicht nach kleinen grünen Männchen suchen und auch nicht nach primitiven Lebensformen, aber nach untrüglichen Spuren alten mikrobiellen Lebens, das vor Millionen Jahren auf dem Planeten existiert haben könnte. Amerikas neuestes Aushängeschild auf dem Mars soll allerdings nicht nur suchen, der gut eine Tonne schwere Rover soll auch einpacken: Mit einem Bohrer kann Perseverance bis zu drei Dutzend Bodenproben entnehmen, eine jede so groß wie ein Stück Tafelkreide. Der Rover wird die Bohrkerne in einem Behälter verstauen, der später abgeholt und zur Erde gebracht werden soll.

Dann wollen auch jene wieder mit dabei sein, die dieses Mal - eigentlich als Vierter im Bunde - außen vor bleiben mussten: Europa hat sich vorgenommen, die eingesammelten Bodenproben Ende des Jahrzehnts gemeinsam mit den Amerikanern zur Erde zu transportieren. In den nächsten Tagen, Wochen und Monaten gehört die große Bühne, 180 Millionen Kilometer von der Erde entfernt, erst einmal aber dem Trio aus drei Sonden.

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