Mülheimer Dramatikpreis:Aschenputtel und der Große Bruder

Mülheimer Dramatikpreis: Kandidat für den Mülheimer Dramatikpreis: Rainald Goetz' Stück "Reich des Todes", uraufgeführt von Karin Beier am Hamburger Schauspielhaus.

Kandidat für den Mülheimer Dramatikpreis: Rainald Goetz' Stück "Reich des Todes", uraufgeführt von Karin Beier am Hamburger Schauspielhaus.

(Foto: Arno Declair)

Viele Frauen, häufig politische Themen: Die Auswahl für die Mülheimer Theatertage steht fest. Viele Stücke sind von guten Bekannten.

Von Christine Dössel

Trotz Corona gab es im zurückliegenden Jahr immerhin 87 Inszenierungen neuer deutschsprachiger Stücke. Sieben davon werden im Mai zu den Mülheimer Theatertagen geladen, in der Hoffnung, dass das "Stücke"-Festival tatsächlich stattfinden und am Ende der mit 15 000 Euro dotierte Dramatikpreis analog vergeben werden kann. Die diesjährige Best-of-Auswahl dominieren gute Bekannte, allen voran die Vielschreiberin Sibylle Berg, die schon siebenmal in Mülheim war. Diesmal kommt sie mit dem Stück "Und sicher ist mit mir die Welt verschwunden", einer sarkastischen weiblichen Lebensbilanz, uraufgeführt am Maxim Gorki Theater Berlin von Sebastian Nübling. Auch Rainald Goetz ist dabei, der den Mülheimer Dramatikpreis schon dreimal gewonnen hat, 1988 mit "Krieg", 1993 mit "Katarakt" und 2000 mit "Jeff Koons". Eingeladen ist er mit dem an der US-Demokratie rund um 9/11 aufgehängten Polit-Stück "Reich des Todes", mit dem er sich im September am Deutschen Schauspielhaus Hamburg als Dramatiker zurückgemeldet hat.

Rebekka Kricheldorf, zum fünften Mal bei dem Wettbewerb vertreten, stellt in ihrer Aschenputtel-Variante "Der goldene Schwanz", uraufgeführt von Schirin Khodadadian am Staatstheater Kassel, heutige (weibliche) Rollenmodelle und Lebensentwürfe auf den Prüfstand. Um die Bestandsaufnahme einer Frau geht es auch in "Tragödienbastard", dem polyphonen Debütstück von Ewelina Benbenek (Schauspielhaus Wien). Die 35-jährige Kulturwissenschaftlerin ist die einzige wirkliche Newcomerin. Die weiteren drei Eingeladenen sind zwar Mülheim-Neulinge, aber mit ihren Stücken und Projekten weithin bekannt. So setzt sich Thomas Freyer in seinen Dramen oft mit dem Bodensatz der ostdeutschen Vergangenheit auseinander, auch in "Stummes Land" (Staatsschauspiel Dresden). Die Münchner Recherchetheaterfachfrau Christine Umpfenbach kommt mit "9/26 - Das Oktoberfestattentat", einer Rekonstruktion des Terroranschlags aus Opferperspektive (Münchner Kammerspiele). Und der Schweizer Boris Nikitin nimmt in "Erste Staffel. 20 Jahre Großer Bruder" den Big-Brother-Container als Basis für eine gegenwartsbezogene Dokufiction (Staatstheater Nürnberg).

Auch in der Auswahl für den Mülheimer Kinderstücke-Preis finden sich auffallend viele Texte renommierter Autorinnen: "Bär im Universum" von Dea Loher (Staatstheater Kassel), "Löwenherzen" von Nino Haratischwili (Consol Theater Gelsenkirchen), "Megafad oder Der längste Nachmittag des Universums" von Bernhard Studlar (Das Theater Erlangen), "Das Leben ist ein Wunschkonzert" von Esther Becker (Grips Theater Berlin) und "Time Out" von Christina Kettering (Comedia Theater Köln).

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