Olympia:Versicherer befürchten Milliardenschaden

With 6 Months To Go, Speculation Mounts That Tokyo Olympics Could Be Cancelled

Die Olympischen Ringe in Tokio. Noch gelten alle Pläne für 2021. Viele zweifeln aber, ob die Spiele tatsächlich stattfinden.

(Foto: Carl Court/Getty Images)

Sollten die Olympischen Spiele in Tokio abgesagt werden, bedeutet das nicht nur große Enttäuschungen für die Sportler, sondern auch ein Problem für die Versicherer.

Von Anna Schwartze und Anne-Christin Gröger, Köln

Die offiziellen Stellungnahmen der japanischen Regierung und des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) sind eindeutig: Die Sommerspiele 2020 in Tokio, die auf Juli und August 2021 verschoben wurden, sollen auf jeden Fall stattfinden.

Doch hinter den Kulissen denken Sportfunktionäre und Politiker natürlich darüber nach, was die Covid-19-Pandemie für ein internationales Großereignis wie Olympia bedeuten könnte. Eine Absage wäre eine Riesenenttäuschung für die Sportler, die jahrelang für Olympia trainiert haben. Auch die Versicherungswirtschaft fürchtet eine solche Entscheidung, die Absage würde Schadenzahlungen in Rekordhöhe auslösen.

Es geht um die Veranstaltungsausfallpolicen des Olympischen Komitees und anderer Einrichtungen. Die US-Maklerunternehmen Gallagher und NFP Sports and Entertainment Group haben ausgerechnet, dass ein endgültiger Ausfall der Veranstaltung die Versicherer bis zu drei Milliarden Dollar kosten würde - der teuerste Schaden in der Geschichte dieser Versicherungssparte, die ohnehin durch die Pandemie gebeutelt ist.

Mit Ausfallpolicen sichern sich Veranstalter gegen das Risiko ab, dass ein Konzert, ein Turnier, eine Messe oder ein Sportereignis abgesagt werden muss, ohne dass der Veranstalter dafür verantwortlich ist.

Versichert sind Wetterrisiken, Krankheit oder Tod des Künstlers oder eine drohende Terrorgefahr. Bis vor kurzem standen auch die Pandemien als Risiko in den Versicherungsverträgen - deshalb ist Olympia ein möglicher Megaschaden. Wird eine Sportveranstaltung komplett abgesagt, können die finanziellen Einbußen beträchtliche Ausmaße annehmen. Das Internationale Olympische Komitee rechnet bei einer planmäßigen Veranstaltung in Tokio mit Einnahmen von mehr als fünf Milliarden Euro.

Lieferanten-, Sponsorenverträge und Werberechte sind versichert

Der größte Teil des wirtschaftlichen Schadens würde aus entgangenen Sponsorengeldern und Einnahmen aus TV-Übertragungsrechten stammen. Auch Lieferantenverträge, Sponsoren- und Werberechte sorgen für Verluste. Versichert haben sich das IOC - im Markt heißt es, die Summe betrage 0,5 bis eine Milliarde Dollar - und viele einzelne Unternehmen.

Trotz der aktuellen Corona-Lage planen viele andere Organisatoren bereits Veranstaltungen für die zweite Hälfte 2021 und das kommende Jahr, sagt Versicherungsmakler Robert von Bennigsen. Er ist Geschäftsführender Gesellschafter beim Hamburger Versicherungsmakler BDJ und auf Eventversicherungen spezialisiert. "Die Veranstalter planen aktuell weiter, die stecken den Kopf nicht in den Sand", sagt er. Große Bands bereiten Tourneen vor, teilweise geht es um Veranstaltungen, die im vergangenen Jahre verschoben wurden. "Neuplanungen gibt es aber auch", sagt von Bennigsen. "Wir sehen Anfragen bis in den Winter 2022/2023."

Die Organisatoren haben allerdings ein Problem: Sie bekommen keinen Versicherungsschutz für eine Absage wegen einer Pandemie. "Sie kriegen heute keine Veranstaltung mehr versichert, die ausfallen könnte, weil es eine Pandemie gibt", sagt Hans-Peter Schwandt, auf Veranstaltungen spezialisierter Versicherungsmakler aus Berlin. Weiterhin verfügbar sind Veranstaltungshaftpflicht- und Technikversicherungen. Dieser Schutz werde weiterhin von den Organisatoren angefragt, jedoch wegen der geltenden Beschränkungen weitaus weniger als vor der Pandemie.

Totalausfall wegen Pandemie - das versichert jetzt kaum mehr jemand

Nachdem die Versicherer im Jahr 2020 hohe Millionensummen für die Absage fast aller großen und kleineren Events zahlen mussten, haben sie inzwischen das Risiko des pandemiebedingten Totalausfall aus ihren Policen ausgeschlossen. "Seit Mitte März 2020 haben wir für solche Schäden im Neugeschäft ausnahmslos keine Deckung mehr angeboten", sagt eine Sprecherin der Ergo. Auch die Gothaer und der Allianz-Industrieversicherer AGCS bieten keinen Schutz mehr für pandemiebedingte Risiken.

"Die Versicherer sind finanziell mächtig unter Druck geraten", sagt Makler Schwandt. Viele Gesellschaften hat die Pandemie richtig Geld gekostet. So meldete der Rückversicherer Swiss Re einen Corona-Schaden von 484 Millionen Dollar in der Veranstaltungsausfallversicherung. Die Gothaer musste rund 30 Millionen Euro für ausgefallene Konzerte und Veranstaltungen zahlen und die Allianz-Tochter AGCS 500 Millionen Euro. Viele Anbieter stellten daher erst einmal sämtliches Neugeschäft im Ausfallbereich ein. "Man wird jetzt erst einmal ohne diese Erweiterung klarkommen müssen", sagt der Makler.

Aktuell macht sich die pandemiebedingte Planungsunsicherheit der Veranstalter auch bei der Nachfrage bemerkbar. "Die Anzahl der Anfragen nach Versicherungsschutz geht derzeit gegen Null", sagt eine Sprecherin der Gothaer.

Die AGCS erwartet, wenn überhaupt, kurzfristige Abschlüsse. "In Deutschland ist der Versicherungsmarkt für Veranstaltungen aufgrund der weiter unsicheren Corona-Situation in einer Wartestellung", sagt Christine Mertens, die bei AGCS für die Veranstaltungsversicherung in Mittel- und Osteuropa zuständig ist. "Wir sehen Anfragen für Tourneen, Konzerte und Festivals für den kommenden Sommer, die wir bearbeiten." Da jedoch unklar sei, wann und unter welchen Bedingungen wieder Live-Veranstaltungen in Deutschland stattfinden können, warteten die meisten Veranstalter mit dem Versicherungskauf noch ab, bis absehbar ist, dass geplante Events mit großer Wahrscheinlichkeit auch stattfinden können.

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