Österreich:"Bürokratisch schwerfällige Tätigkeit"

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Nach der Terrorattacke im November stellten viele Wiener Kerzen für die Opfer auf. (Foto: Alex Halada/imago)

Wenig Koordination, viel gegenseitiges Misstrauen: Ein Untersuchungsbericht nach der Terrortat von Wien bescheinigt Österreichs Verfassungsschutz denkbar schlechte Arbeit.

Von Cathrin Kahlweit, Wien

Am 2. November tötete ein Islamist bei einem Attentat in der Wiener Innenstadt in wenigen Minuten vier Menschen, bevor er selbst von Polizisten erschossen wurde. Schon Stunden später machten Nachrichten die Runde, dass der Täter den Behörden bekannt gewesen war und bereits eine Haftstrafe abgesessen hatte. In den Tagen und Wochen nach dem Anschlag wurde deutlich, was vor allem das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) übersehen oder ignoriert hatte und dass die Zusammenarbeit mit der Justiz denkbar schlecht gewesen war.

Innenminister Karl Nehammer (ÖVP), schwer unter Druck, berief gemeinsam mit Justizministerin Alma Zadic (Grüne) eine unabhängige Untersuchungskommission unter Leitung der Juristin Ingeborg Zerbes ein, die im Spätherbst einen Zwischenbericht vorlegte. Am Mittwoch nun übergab sie der Regierung den endgültigen Untersuchungsbericht - und es ist nicht untertrieben, wenn man den Tenor, mit dem die Arbeit des BVT bewertet wird, mit einem Wort zusammenfasst: katastrophal.

Der Bericht zeichnet das Bild einer chaotisch arbeitenden, schlecht ausgestatteten, inkompetenten, wurschtigen Sicherheitsbehörde. Demnach gab es 2020 keine aktuelle Analyse zu islamistischem Extremismus in Österreich oder zu sogenannten Foreign Fighter Terrorists, zu denen der Täter des Anschlags vom November gezählt wurde. Der hatte sich zuvor mit Islamisten aus anderen europäischen Staaten, etwa aus Deutschland, getroffen und in der Slowakei versucht, Munition für ein Schnellfeuergewehr zu beschaffen. "Die Risikobewertung von Gefährdern", heißt es in dem Bericht, sei als "mühsame und bürokratisch schwerfällige Tätigkeit wahrgenommen worden".

Kaum Informationsaustausch, gegenseitiges Misstrauen

Der BVT und seine Landesbehörden hätten kaum Informationsaustausch betrieben; die Datenbanken seien "mangelhaft" geführt worden, Kompetenzüberschneidungen und gegenseitiges Misstrauen hätten die Arbeit erschwert. Die Belegschaft sei verunsichert, die für komplexe Tätigkeiten wie die Risikobewertung möglicher Täter eingesetzten Personen seien "suboptimal" ausgebildet gewesen. Gerade der Fall des Wiener Attentäters Kujtim F. zeige das Dilemma auf, so die Kommission: Das BVT habe die Observation gemacht, die Wiener Landesbehörde die Sachbearbeitung. Jede Dienststelle habe die andere als verantwortlich angesehen, eine gemeinsame Auswertung der Maßnahmen sei unterblieben.

Nun wird es an Innen- und Justizministerium liegen, die Anregungen der Kommission umzusetzen, zu denen eine intensivere Deradikalisierungsarbeit, Fallkonferenzen vor der Entlassung bereits verurteilter Täter und vor allem eine professionellere Arbeit der Staatsschutzabteilung im BVT gehören. Zum Schluss erlaubt sich die Kommission noch eine lakonische Anmerkung: "Die Reform des BVT ist zügig abzuschließen." Innenminister Nehammer, seit einem Jahr im Amt, hatte sie für dieses Frühjahr angekündigt.

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