Sputnik V:Budapester Alleingang

SEVASTOPOL, RUSSIA - FEBRUARY 8, 2021: A medical worker holds an ampoule with the Gam-COVID-Vak (Sputnik V) vaccine aga

2800 Dosen von Sputnik V stehen in Ungarn bereit, weitere sollen erst noch im Labor getestet werden.

(Foto: Sergei Malgavko /imago images)

Als erstes EU-Land verwendet Ungarn den russischen Impfstoff.

Von Cathrin Kahlweit

Budapester Hausärzte, aber auch ungarische Regionalkrankenhäuser haben diese Woche gute Nachrichten für ihre Patienten. Sie hätten diverse Impfstoffe erhalten, heißt es, wenngleich in sehr kleinen Mengen, und könnten diese nun abgeben: einen für die ältesten Mitbürger, einen für über 60-Jährige ohne - und einen für unter 60-Jährige mit chronischen Erkrankungen. Eines der vier Vakzine, die man ihm in den kommenden Tagen liefern werde, so schreibt ein Arzt auf seiner Facebookseite, sei der russische Impfstoff Sputnik V.

Damit prescht Ungarn mit dem Einsatz des russischen Impfstoffes vor, der von der EMA, der Europäischen Arzneimittelagentur, noch gar nicht zugelassen ist. Drei Wochen ist es her, dass Außenminister Peter Szijjarto in Moskau war und über den Kauf großer Tranchen von Sputnik V verhandelte; kurz darauf wurde verkündet, Budapest habe eine so große Menge gekauft, dass sie "für die Impfung von einer Million Menschen" ausreiche.

Aus Medizin und Politik kommen widersprüchliche Botschaften

Nun sind die ersten Tranchen aus Russland angekommen. Das Zentrum für Nationale Volksgesundheit (NNK) habe nach Beendigung eigener Untersuchungen die entsprechende Genehmigung erteilt und Sputnik zugelassen, hatte Gesundheitsminister Miklos Kasler mitgeteilt. Derzeit gibt es etwas mehr als 1000 Neuerkrankungen pro Tag in Ungarn - bei knapp zehn Millionen Einwohnern. Laut der Leiterin der nationalen Impfkommission, Cecilia Müller, sind 300.000 Menschen in Ungarn bereits einmal geimpft; angesichts der Zahl der positiv Getesteten könne aber von einer Entwarnung keine Rede sein.

Die Botschaften, die aus Medizin und Politik kommen, sind insgesamt sehr widersprüchlich. Ein Budapester Hausarzt schreibt auf Facebook, die Lage sei, was Lieferung und Einsatz von Vakzinen angehe, ziemlich chaotisch. Und Cecilia Müller wird auf der offiziellen, englischsprachigen Regierungswebseite damit zitiert, 2800 Dosen von Sputnik V seien zum Einsatz bereit, weitere Dosen für 20 000 Menschen würden aber erst noch Labortests unterzogen. Ist man sich also doch nicht so sicher, ob das russische Produkt problemlos verabreicht werden kann? In regierungsnahen Medien wurde ein parteiloser Parlamentarier heftig angegriffen, der die Eilzulassung von Sputnik durch Ungarns Behörden infrage gestellt hatte.

Viktor Orbán kündigt schon den nächsten Sonderweg an

Die Regierung selbst, die sich mit dem Alleingang bei der Bestellung der russischen Variante gegen die EU gestellt hat, verweist unterdessen mit einiger Genugtuung darauf, dass jetzt auch andere Länder über diesen Schritt nachdächten. Österreichs Kanzler Sebastian Kurz und die deutsche Kanzlerin Angela Merkel etwa hatten ebenso wie die EU-Kommission gesagt, man sei "offen" für Sputnik - verbunden mit dem wichtigen Hinweis, dass dies nur gelte, wenn die EMA das Vakzin zulasse.

Viktor Orbán setzte unterdessen seinen Sonderweg fort. Auf einem Wirtschaftsgipfel mit China bedankte sich der Ungar am Dienstag bei Staatspräsident Xi Jinping für die Lieferung von medizinischen Gütern in der Pandemie - und kündigte an, die nationale Impfbehörde könne demnächst auch den chinesischen Impfstoff zulassen.

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