Gesetzgebung:Wörterpuzzle in Paragraf 201a

Bundestag

Trotz gründlicher Prüfung kommt es vor, dass der Bundestag Gesetze mit redaktionellen Fehlern beschließt.

(Foto: Paul Zinken/dpa)

Fehler in bereits verabschiedeten Gesetzestexten? Das kommt vor. Immer wieder muss sich der Bundestag selbst korrigieren.

Von Robert Roßmann, Berlin

Das Bundesjustizministerium hat gerade einen Gesetzentwurf vorgelegt, mit dem das Verbreiten sogenannter Feindeslisten verboten werden soll. Es reagiert damit auf Fälle wie den Mord an Walter Lübcke. Der Kasseler Regierungspräsident war auf der Terrasse seines Hauses erschossen worden - sein Name stand auf einer Feindesliste von Rechtsradikalen. Doch wer den Gesetzentwurf genau liest, stößt auf einen Satz, der mit Feindeslisten gar nichts zu tun hat. Durch den Gesetzentwurf würden auch zwei "redaktionelle Fehler" korrigiert, die im vergangenen Jahr versehentlich ins Strafgesetzbuch gekommen seien, heißt es da.

Fehler? Im Strafgesetzbuch? Da stutzt man dann doch: In Deutschland werden also Gesetze vom Bundestag beschlossen und vom Bundespräsidenten ausgefertigt, die Fehler enthalten.

Es geht um Paragraf 201a - er regelt den Strafrahmen für das illegale Fotografieren und Filmen anderer Menschen. Und in diesem Paragrafen ist offensichtlich bei der Nummerierung etwas durcheinandergeraten. Denn jetzt sollen dort "die Wörter 'Nummer 2 bis 4' durch die Wörter 'Nummer 2 und 3' und die Wörter 'Nummer 5 oder 6' durch die Wörter 'Nummer 4 oder 5' ersetzt" werden - so steht es in dem Gesetzentwurf zu den Feindeslisten, die eigentlich gar nichts mit dem illegalen Fotografieren zu tun haben.

Eine Statistik über solche Fehler wird nicht geführt

Auf Nachfrage teilt das Justizministerium mit, das Malheur sei passiert, als das "Upskirting" - also das Fotografieren oder Filmen von Frauen unter den Rock - unter Strafe gestellt wurde. Dabei sei die falsche Nummerierung, die man jetzt korrigieren wolle, ins Strafgesetzbuch geraten. Wie oft derartige Fehler in der Gesetzgebung passieren, wisse man nicht, denn darüber werde im Justizministerium keine Statistik geführt.

Auch beim Deutschen Bundestag werde "die Behebung von redaktionellen Fehlern" in Gesetzen nicht statistisch erfasst, sagt ein Parlamentssprecher. Ein Blick in das Archiv des Bundestags zeigt aber, dass derlei häufiger vorkommt. Vor zwei Jahren mussten zum Beispiel Fehler im Fahrlehrergesetz korrigiert werden. Unter anderem war darin von einer "Fahrlehrerlaubnis D" die Rede, die es gar nicht gibt.

"Selbstverständlich werden alle Gesetzentwürfe sehr gründlich geprüft", beteuert das Bundesjustizministerium. "Trotz aller Sorgfalt" könnten redaktionelle Fehler jedoch "nicht völlig ausgeschlossen werden". Das gelte "insbesondere bei Änderungen der Gesetzentwürfe im Laufe der Beratungen, die häufig unter Zeitdruck" stünden. Es werde dann aber "selbstverständlich eine schnellstmögliche Korrektur veranlasst", wenn nötig "im Rahmen eines nachfolgenden Gesetzgebungsvorhabens". Und genau das passiert jetzt mit den redaktionellen Fehlern, die ins Strafgesetzbuch geraten sind.

Bundespräsident Steinmeier verlangt Änderungen an zwei Gesetzen

Aber müsste nicht auch der Bundespräsident Gesetze genauer prüfen, bevor er sie ausfertigt? Im Präsidialamt ist man sich da keiner Schuld bewusst. Denn die Aufgabe des Bundespräsidenten ist es nicht, nach falschen Fahrlehrerlaubnissen zu fahnden. Das Recht und die Pflicht von Bundespräsidenten ist es, Gesetze verfassungsrechtlich zu überprüfen. Und das machen sie auch.

Frank-Walter Steinmeier hat zum Beispiel vor vier Monaten Änderungen am Gesetz zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hasskriminalität sowie an dem Gesetz zur Neustrukturierung des Zollfahndungsdienstgesetzes verlangt. Beide Gesetze wurden bereits vom Bundestag beschlossen - aber der Bundespräsident ist der Auffassung, dass sie verfassungswidrige Regelungen enthalten.

Inzwischen habe die Bundesregierung in Aussicht gestellt, "Änderungsregelungen zur Herstellung der Verfassungsmäßigkeit beim Bundestag einzubringen", sagt eine Sprecherin Steinmeiers. Der Bundespräsident sei "froh", dass es damit "im Sinne einer verfassungsorgantreuen Zusammenarbeit gelungen ist, eine einvernehmliche Lösung mit der Bundesregierung über die Herstellung von verfassungsgemäßen gesetzlichen Regelungen" zu finden.

Horst Köhler hat in seiner Zeit als Bundespräsident Gesetze sogar komplett gestoppt - er hat ein Gesetz zur Flugsicherung und eines zum Verbraucherinformationsrecht nicht ausgefertigt.

Von Köhler sind übrigens auch Klagen über eine schlampige Gesetzgebung überliefert. Seine Unzufriedenheit darüber bekam Bundeskanzlerin Angela Merkel gleich am ersten Tag ihrer Amtszeit zu spüren. Als Merkel nach ihrer Wahl im Bundestag zur Ernennung der Minister ins Schloss Bellevue kam, mahnte Köhler in seiner Ansprache, Gesetze müssten "mit Sorgfalt und mit Respekt vor unserer Verfassung vorbereitet und umgesetzt werden", diesen Anspruch würden "die Bürger mit Recht" stellen.

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