Biathlon-WM:Kopfschütteln im Parallel-Universum

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Olympiasieger Arnd Peiffer kann das Debakel im Sprint auch nicht verhindern. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Arnd Peiffer landet beim WM-Sprint als bester Deutscher auf Platz 36 - ein historisch schlechtes Abschneiden. Die Enttäuschung im Team ist groß.

Von Saskia Aleythe, Pokljuka

Ob zwischen den Fichten mal grüne Zipfel auftauchen? Möglich wäre es, schließlich leben in den Wäldern rund um die Biathlon-Arena auf der Pokljuka Zwerge. Zwerge mit Spezialkräften, ausgezeichnete Köche sind darunter, Näher, Waffenschmiede, Maler. Manch einer kann auch Stürme und Unwetter heraufbeschwören, um die Natur vor der Zerstörungswut von Menschen zu beschützen, so hat es der slowenische Autor Ziga Gombac aufgeschrieben im Kinderbuch "Der Schatz der Pokljuka-Zwerge", pünktlich zur Biathlon-WM. Zwerg Mighty, das Maskottchen dieser WM, hat sich bisher noch mit allen vertragen, hört man.

Streifschüsse hinterm Schießstand können zwar nicht gänzlich ausgeschlossen werden, aber das Bemühen ist groß, zwergfreundlich zu agieren. Das Ziel sind schon immer noch die schwarzen Scheiben, aber es ist eine schwierige Beziehung, die die deutschen Biathleten gerade mit ihnen pflegen: Beim Sprint am Freitag ging keiner von ihnen mit weniger als zwei Fehlern auf die Schlussrunde, Arnd Peiffer wurde als bester Deutscher 36. - ein historisch schlechtes WM-Abschneiden.

Biathlon-WM in Pokljuka
:Ein historisch schlechter Sprint

Weil am Schießstand vieles schief läuft, erreicht Arnd Peiffer als bester deutscher Athlet nur Platz 36. Der Schwede Martin Ponsiluoma gewinnt.

Die größere Sensation spielte sich allerdings bei der Medaillenvergabe ab: Da stand tatsächlich kein Norweger auf dem Podest. Kommentar vom Weltcup-Führenden Johannes Thingnes Bö (5. Platz, zwei Fehler) am ARD-Mikrofon: "Das ist wie ein Schlag ins Gesicht."

Kopfschütteln im Ziel ist die Standard-Reaktion

Debakel sind Definitionssache, in dieser Saison laufen die Norweger in ihrem eigenen Universum, alle Sprint-Siege wurden bisher an sie vergeben. Doch über den Schießstand sind sie dann und wann doch noch zu bezwingen - und so wurde Martin Ponsiluoma mit zehn Treffern Weltmeister. Der Schwede hat in dieser Saison mit seiner Laufform schon ein paar Mal die Konkurrenz geneckt, dass er nun auch die zweite Disziplin beherrschte, brachte ihm den ersten Saisonsieg ein. Kein schlechtes Timing bei einer WM. "Ich glaube nichts, bevor es nicht sicher ist", sagte Ponsiluoma am ARD-Mikrofon, er war mit der Nummer sechs ins Rennen gegangen und musste bei 104 Startern lange warten. Silber sicherte sich der ebenfalls fehlerfreie Simon Desthieux (11,2 Sekunden zurück) aus Frankreich vor seinem Teamkollegen Emilien Jacquelin (ein Fehlschuss), bester Norweger wurde Johannes Dale (1) auf Rang vier.

Zurück auf dem Planeten, auf dem sich Arnd Peiffer und Co. bewegten: Da war Kopfschütteln im Ziel die Standard-Reaktion. Zwei Fehler im Stehendanschlag vermiesten Peiffer, dem Sprint-Olympiasieger von 2018, ein ordentliches Abschneiden, am Ende stand ein Rückstand von 1:37,2 Minuten auf den neuen Weltmeister. Zunächst war Peiffer gut unterwegs gewesen, doch dann schlugen die Projektile im Stehendanschlag nicht dort ein, wo sie sollten. "Dann war das Rennen im Prinzip schon gelaufen", sagte der 33-Jährige. Magenprobleme kamen ihm auf der Schlussrunde noch in die Quere, "optimal war es vom Laufen bei mir sicherlich nicht".

Ursprünglich hatten die Deutschen auf Wiedergutmachung gehofft: In der Mixed-Staffel am Mittwoch nahm durch die falsche Ski-Wahl von Peiffer und Erik Lesser das Schicksal seinen Lauf, Platz sieben, Grundstimmung: Au weia! "Am Material lag es sicher nicht heute", sagte Peiffer, auch Lesser hatte an den Skiern nichts zu kritisieren. Beide wohnen in Slowenien in der gleichen Unterkunft, "Erik und ich sind mit unserem Schicksal aneinander gekettet", hatte Peiffer noch vorab gesagt, bezogen auf die Corona-Blase, doch nun erlitten sie auch ein ähnliches Schicksal im Sprint. Genau wie Peiffer war Lesser im Liegendschießen sauber durchgekommen, genau wie Peiffer kam dann der Einbruch im zweiten Rennabschnitt - zwei Fehler stehend. "Bei mir hat heute im Körper alles gestreikt", sagte Lesser, "ich habe kein Gefühl mehr für meine Beine bekommen. Mir ist die Lunge explodiert." Zwei Strafrunden musste er schließlich kreiseln, der Rückstand im Ziel war mit 2:21,6 Minuten immens.

Lesser landete auf Platz 66, das reicht für ihn nicht mal zur Teilnahme an der Verfolgung am Sonntag. "Ich habe mich unterwegs gefragt, warum ich Teil der WM-Mannschaft bin. Das war von vorne bis hinten ein Griff ins Klo", sagte der Thüringer in gewohnt deutlicher Manier und wirkte dann ratlos: "Was hier abgeht, kann ich mir nicht erklären. Mit so einer Leistung biete ich mich für nichts mehr an." Benedikt Doll, der in der Mixed-Staffel noch nicht berücksichtigt worden war, kam auf Rang 39; Johannes Kühn auf Platz 45, beide versenkten von den zehn Scheiben gerade mal sechs.

Durch die großen Rückstände sind die Chancen im Verfolgungsrennen mikroskopisch geschrumpft. "So lang ist eine WM auch nicht. Wir müssen das verbessern, da gibt es gar keinen anderen Weg", sagte Peiffer. Spezialkräfte wie die der Pokljuka-Zwerge wären ihnen jetzt sehr willkommen.

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