Corona in Ebersberg:Abwinken bei Astra

Corona in Ebersberg: Manche Landkreisbürger suchen im Impfzentrum gleich wieder den Ausgang, wenn sie hören, dass sie das Vakzin von Astra Zeneca erhalten.

Manche Landkreisbürger suchen im Impfzentrum gleich wieder den Ausgang, wenn sie hören, dass sie das Vakzin von Astra Zeneca erhalten.

(Foto: Christian Endt)

Auch im Landkreis Ebersberg gibt es etliche Menschen, die Vorbehalte gegen das Vakzin haben. Manche verlassen sogar wütend das Impfzentrum - ohne Spritze.

Von Barbara Mooser, Ebersberg

"Auch für über 65-Jährige!", mit dieser schönen Botschaft bewirbt die Hamburger Brauerei Astra ihr Produkt auf Facebook. Anders sieht es aus mit dem Impfstoff von Astra Zeneca, der nur für Menschen unter 65 freigegeben ist. Doch zumindest im Ebersberger Impfzentrum wird eine sehr skeptische Einstellung vieler Menschen zu diesem Vakzin registriert - und etliche Landkreisbürger verlassen sogar wütend den Behandlungsraum, wenn sie erfahren, dass sie damit geimpft werden sollen. Liam Klages, Leiter des Zentrums, schätzt den Anteil auf etwa 15 Prozent.

An sich ist es nicht so, dass man sich den Impfstoff aussuchen kann: Vereinbart man einen Impftermin, dann erhält man das Vakzin, das vorhanden und geeignet ist. Allerdings gab es in Ebersberg kürzlich die Situation, dass Impfstoff von Astra Zeneca vorhanden, aber aus technischen Gründen keine Terminvergabe über das bayerische Impfportal möglich war. Deshalb hatte das Landratsamt Menschen unter 65, die dennoch beim Impfen Priorität 1 haben, aufgerufen, sich bei der Hotline zu melden und einen Termin zu vereinbaren - was sehr zäh anlief.

Seit Mittwoch funktioniert die Terminvergabe über das Impfportal, dabei wird zwar der Name des Vakzins nicht genannt, der verwendet werden soll, doch es lassen sich durchaus Schlüsse ziehen: Denn beim Hersteller Biontech ist nach drei Wochen die zweite Impfung fällig, bei Moderna nach vier Wochen und bei Astra Zeneca nach zehn bis zwölf Wochen. Weil etliche den Termin nicht annehmen, wenn sie vermuten, dass der Astra-Zeneca-Wirkstoff verwendet wird, rücken inzwischen auch Leute nach, deren Impfung laut der festgelegten Kategorisierung nicht höchste Priorität hat.

Einige der Landkreisbürger, die beim Impftermin erfahren haben, dass sie das Vakzin von Astra Zeneca erhalten sollen, seien regelrecht ausfällig geworden, erzählt Klages, hätten aggressiv kundgetan, dass sie "diese Plörre" nicht gespritzt haben wollten. Forderungen, den Chef zu sprechen, kämen regelmäßig vor. Auch die Ärzte müssten sich oft den Unmut der Betroffenen anhören, einige fühlten sich deshalb wie Handelsvertreter, die wenig beliebte Waren anpreisen sollten, sagt Klages. Um Verwechslungen zu vermeiden, wird der Impfstoff von Astra Zeneca nur in einem bestimmten Arztzimmer verimpft, hier müsse man die Teams häufiger austauschen, weil das Personal durch die ablehnende Haltung vieler Impflinge besonders anstrengende Arbeitstage habe.

Tatsächlich bietet der Impfstoff von Astra Zeneca laut Studien etwas weniger Schutz als die anderen beiden Impfstoffe, die in Deutschland bisher auf dem Markt sind. Bei Astra Zeneca geht man von einer Wirksamkeit von 70 Prozent aus, die Wahrscheinlichkeit, an Covid-19 zu erkranken, ist also bei den geimpften Personen um 70 Prozent geringer als bei nicht geimpften Personen. Bei den Impfstoffen von Biontech und Moderna haben Studien hingegen sogar eine Wirksamkeit von 95 Prozent gezeigt. Auch Impfreaktionen wie Fieber und Schüttelfrost scheinen bei Astra Zeneca häufiger aufzutreten, einige Bezirke in Schweden haben daher die Verabreichung des Impfstoffs zeitweise ausgesetzt, ebenso wie manche Kliniken in Deutschland, die beim Personal einen hohen Krankheitsstand kurz nach den Impfungen registrierten. Dennoch werben viele Experten für den Impfstoff, nicht zuletzt Deutschlands Top-Virologe Christian Drosten. SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach hat bereits angekündigt, sich vor seinem bevorstehenden Einsatz als Impfarzt mit dem Vakzin von Astra Zeneca impfen zu lassen.

Und Liam Klages befürchtet auch nicht, dass der Impfstoff in Ebersberg letztlich liegen bleibt. Insbesondere im Vergleich zum Biontech-Impfstoff lasse er sich gut lagern. Bis zu sechs Monate hält er, selbst angebrochene Impfstofffläschchen lassen sich im Kühlschrank bis zu 48 Stunden aufbewahren. Zudem gebe es durchaus nicht nur ablehnende Reaktionen gegen den Impfstoff: "Viele sind glücklich und dankbar, dass sie überhaupt geimpft werden."

Insgesamt läuft es mit den Impfstoffnachschub inzwischen besser. Momentan sind fünf Arztzimmer im Betrieb, ein Ausbau auf neun sei geplant, erläutert Klages. Dann wären bis zu 600 Impfungen pro Tag in Ebersberg möglich.

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