Bildungspolitik:Angst um die kleinen Fächer

Eine Kammerspiele-Diskussion zum geplanten Hochschulgesetz

Von Sabine Buchwald

Nun also ist es in den Kammerspielen angekommen, das neu zu schreibende Bayerische Hochschulgesetz. Vielleicht wird es sogar irgendwann ein richtiges Stück dazu geben. Der Stoff reichte aus für eine Komödie oder gar für eine Tragödie. In den Hauptrollen: Ministerpräsident Markus Söder, der das Gesetzesvorhaben vorantreibt; Wissenschaftsminister Bernd Sibler, der zu beschwichtigen versucht; und die Präsidenten der Technischen Universität München (TUM) - der ehemalige Wolfgang Herrmann und der amtierende Thomas Hofmann, von deren Vorstellungen das neue Gesetz geprägt zu sein scheint. Sie alle halten die Fäden in der Hand und ziehen hinter verschlossenen Türen die Strippen. Als begleitender, jammernder Chor: die Studierenden der Hochschulen, deren wissenschaftliche Mitarbeiter und die Professoren.

Ob dieses Gesetz tatsächlich zur Tragödie für freie Forschung und Lehre an den bayerischen Hochschulen wird, das steht nicht fest, aber es zeichnet sich ab. Deshalb hat es das Thema am Donnerstagabend bis ins Theater geschafft. Es füllte den dritten Teil der im Moment nur virtuellen Veranstaltungsreihe der Kammerspiele "What is the city?", die fragt, was die Stadt München ausmacht, was den Menschen hier unter den Nägeln brennt. Das ist derzeit an den Hochschulen die Angst um die Geistes- und Sozialwissenschaften - um die sogenannten kleinen Fächer, und die Sorge vor einer zunehmend neoliberalen, auf wirtschaftlichen Gewinn orientierte Ausrichtung. Denn all dies impliziert das sogenannte Eckpunktepapier zu der Gesetzesnovelle.

Schon im Mai soll das Gesetz dem Landtag vorgelegt werden

Die Dramaturgen Viola Hasselberg, Martin Valdes-Stauber und Harald Wolff hatten sich vier Gesprächspartner in den virtuellen "Habibi-Kiosk" geholt: Felicitas Friedrich, Studentin an der Ludwig-Maximilians-Universität, Christian Frühm und Roxanne Phillips, die beide dort wissenschaftliche Mitarbeiter sind. Zudem die Professorin Anke Doberauer, als Vertreterin der Kunstakademie.

Mit den Exzellenz-Universitäten LMU und TUM, der Hochschule München, der Kunstakademie und der Musikhochschule spielt die akademische Ausbildung eine wesentliche Rolle in der Münchner Stadtgesellschaft. Ihre Protagonisten aber sieht man derzeit kaum. Dabei müssten sie auf der Straße sein und schreien, so wie es die Studenten 1968 getan haben, wenn auch aus anderen Motiven: gegen das intransparente Verfahren, wie dieses maßgebliche Gesetz erarbeitet wird; gegen den zeitlichen Rahmen, der offensichtlich trotz Corona-Bedingungen eingehalten wird; und gegen so manchen Punkt der angestrebten Neuerungen. So fasste Felicitas Friedrich ihre Kritik zusammen. Protest aber sei derzeit nur schwierig zu organisieren. Schon im Mai soll das Gesetz dem Landtag vorgelegt, vor der Sommerpause verabschiedet und dann zügig umgesetzt werden.

Dass es eine Reform des bestehenden Hochschulgesetzes geben sollte, darüber herrscht Einigkeit. Etwa um die prekären Arbeitsbedingungen des Mittelbaus zu verbessern, ihnen mit gesicherten Arbeitsverträgen gerade in einer teuren Stadt wie München die Existenz zu sichern. Aber bitte kein Gesetz, dass Freiheiten verspricht, doch die Gremien abbauen und damit demokratische Strukturen einreißen will. Man bräuchte einen Aufbruch, sagte Christian Frühm, der aber sei "nirgends zu sehen". Statt von der Attraktivität des Fundraising für Forschungsprojekte zu schwärmen, würde er seine Energie sehr viel lieber nutzen, um sich mit der Marx'schen Mehrwert-Theorie auseinanderzusetzen. Der Begriff der Freiheit bedeute nicht die Wahl zwischen zwei Automarken, sagte er, und verwies auf den Wert von umfassender Bildung. Ein Begriff, der in dem Eckpunktepapier nicht auftauche. "Man muss den Schutzraum der Universitäten und Kunsthochschulen unbedingt wahren, weil es sonst ein Korrektiv verloren ginge, sagte Doberauer. Ein Korrektiv, das Politik und Wirtschaft Grenzen setzen kann - wichtiger denn je.

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