Start-up-Projekt aus dem Lockdown in Freising:Schockgefrostetes im Reindl

Start-up-Projekt aus dem Lockdown in Freising: Weil das klassische To-go-Geschäft nicht rentabel war, bietet das Weihenstephaner Bräustüberl jetzt Gourmet-Tiefkühlkost an.

Weil das klassische To-go-Geschäft nicht rentabel war, bietet das Weihenstephaner Bräustüberl jetzt Gourmet-Tiefkühlkost an.

(Foto: Marco Einfeldt)

Weil das klassische To-go-Geschäft nicht rentabel war, bieten Thierry und Alexander Willems mit ihrem Team vom Weihenstephaner Bräustüberl jetzt Gourmet-Tiefkühlkost an. Dabei verwenden sie weitgehend regionale Zutaten und legen großen Wert auf Qualität.

Von Thilo Schröder, Freising

In einer kleinen Stube brennt Licht, ansonsten wirkt das Bräustüberl in Weihenstephan an diesem Mittwoch wie ausgestorben. Alexander Willems, Vertriebsleiter und Sohn von Chef Thierry Willems, öffnet und führt nach hinten in den Küchenbereich. Dort sind Chefkoch Sven Schermoks, Köchin Sarah Mills und die drei Auszubildenden Laily, Merry und Dewi damit beschäftigt, fast fertige Gerichte in Glas-Reindl zu füllen. 180 Gramm Kartoffelpüree, 65 Gramm glasierte Karotten, 130 Gramm Schweinefilet, 140 Gramm Steinpilzrahmsoße und 7 Gramm Butterschmalz: Grammgenau portioniert sind die Mahlzeiten. Denn was hier vorbereitet wird, ist Gourmet-Tiefkühlkost, die so schmecken soll, als käme sie direkt aus der Küche.

Gestartet wurde das "Start-up-Projekt", wie Alexander Willems es nennt, Anfang des Monats. "Wir haben während des ersten Lockdowns kurz ein klassisches To-go-Geschäft ausprobiert, das sich als schwierig erwiesen hat." Hohe Personal- und Betriebskosten ließen sich mit kleineren To-go-Absatzmengen nicht abdecken, zudem sei die Nachfrage nicht planbar. Und trotz der Bekanntheit des Bräustüberls sei man nun mal in Weihenstephan "etwas zu weit draußen" für To-go.

Je 500 Gourmet-Gerichte hat man in den ersten beiden Wochen verkauft

Die Gourmet-Gerichte dagegen bestellen Kunden im Voraus, Willems und Schermoks planen jeweils samstags für die Folgewoche. In den ersten zwei Wochen habe man je rund 500 Gerichte verkauft. Zum Vergleich: An Spitzentagen im Sommer gehen im Bräustüberl bis zu 5000 Gerichte über den Tresen. Sieben Gerichte gibt es derzeit zur Auswahl, vier davon hat die Freisinger SZ getestet.

Zunächst aber zurück in der Küche. Was macht das Gourmet-Angebot so besonders? Die Qualität, sagt Willems, denn die sei abhängig davon, was mit den Mahlzeiten passiert, sobald sie die Küche verlassen. "Das wird beim klassischem To-go-Geschäft oft nicht einberechnet, daraus resultiert ein Qualitätsverlust auf dem Weg nach Hause", erklärt der 25-Jährige.

Um dem vorzubeugen, werden die Gerichte im Bräustüberl schockgefrostet, auf minus 35 Grad. "Das Schockfrosten erhält die Struktur und die Qualität von Fleisch und Gemüse, da es nicht wie beim häuslichen Einfrieren die Zellwände und Membranen zerstört", erklärt Willems. Man müsse indes die Folgen des Schockfrostens für die Konsistenz einkalkulieren. "Zum Beispiel Soßen müssen etwas dicker sein, denn beim Schockfrosten verwässern die Gerichte etwas."

"Das Schockfrosten erhält die Struktur und die Qualität von Fleisch und Gemüse", sagt Alexander Willems

Zwar sei streng genommen trotzdem kein Gericht wie das andere - "Köche sind Künstler" -, bei den Gourmet-Gerichten müsse jedoch besonders auf eine exakte Rezeptur geachtet werden, um Produkt-Schwankungen zu minimieren. Die schockgefrosteten Gerichte werden bis zur Auslieferung gekühlt gelagert, entweder in einem wiederverwendbaren Glas-Reindl oder in einer nachhaltig produzierten Pappschale, die mit einer luftdichten Plastikfolie verschlossen wird. Haltbar sind sie drei Monate.

Zur Verkostung in der eingangs erwähnten Stube stößt Chef Thierry Willems dazu. Der 59-Jährige erzählt, dass er sich selbst seit ein paar Jahren Reindl für abends nach der Arbeit herrichte. Seit Dezember habe man an einem Konzept fürs Bräustüberl "herumgedoktert", bis ein zufriedenstellendes Ergebnis vorgelegen habe. Getestet werden heute eine Lasagne à la Bolognese (ab 9,30 Euro), ein Grünes Thai Curry Vegan (ab 9,50 Euro), ein Hühnchen mit Pellkartoffeln (ab 9,70 Euro) sowie ein Duett vom Zander und Lachsfilet (ab 10,40 Euro). Zu den Preisen kommen regulär einmalig 4,99 Euro bei Lieferung sowie fünf Euro Pfand je Glas-Reindl. "Das ist ein sehr fairer Preis für das, was man dafür bekommt", sagt Alexander Willems.

Das Geschmackserlebnis überzeugt. Für mehr Frische habe man etwa der Lasagne "extra Zucchini und Paprika" beigefügt, sagt Thierry Willems. Das Gemüse fürs Curry sei vor dem Schockfrosten "teils roh, teils vorgegart", bevor es mit dem Auftauen vollständig fertig zubereitet sei, erläutert Schermoks. Das Hühnchen sei "halb vorgegart", sagt Willems. Schweinefilet, zum Vergleich, müsse dagegen vor dem Schockfrosten "fast durch" sein und werde mit Speck zur Isolierung ummantelt. Fleischeinheiten müssten durch Soße drum herum geschützt werden, "um ihre Qualität beizubehalten".

Die Zutaten sind überwiegend aus dem Umland. "Alles, was geht an Zutaten, ist weitgehend regional", sagt Alexander Willems. "Neben örtlichen Lieferanten, wie zum Beispiel auch direkt von Landwirten, kommt manches auch aus der Münchner Großmarkthalle."

Welche Zielgruppen will das Bräustüberl mit dem Angebot ansprechen? Thierry Willems glaubt: "Das eignet sich etwa für Menschen im Home-Office, für betreuende Eltern daheim oder für Firmen mit vier, fünf Angestellten ohne eigene Cafeteria, die sich sonst einen Leberkäs holen oder einen Salat im Supermarkt." Vier Geschäftskunden habe man derzeit, womöglich kommt bald noch ein fünfter dazu: "Das TU-Präsidium hat gerade Reindl abgeholt zum Probieren, und wir dürfen es vielleicht bald als neuen Firmenkunde begrüßen."

Thierry Willems hofft, dass die Gaststätten in der Woche vor Ostern wieder öffnen dürfen

Neue Gerichte befinden sich im Experimental-Status, sie sollen bestehende saisonal ablösen, etwa eine Spargel-Lasagne im Frühjahr, ein veganes Ratatouille mit Polenta, ein Bärlauch-Gericht mit Fisch. Das Angebot ist aus Sicht der Macher erfolgreich, wird angenommen und auch das Pfandsystem funktioniert. Ersetzen kann es den regulären Wirtshausbetrieb freilich nicht. Von den 40 bis 50 Mitarbeitern sind sieben im Gourmet-Einsatz, der Rest in Kurzarbeit.

"Der Handel sollte bald wieder aufmachen, dann vielleicht die Gastro", fordert darum Thierry Willems. Vielleicht in der Woche vor Ostern, hofft er. "Die muss dann auch länger offenbleiben, das Hoch- und Herunterfahren kostete sehr viel Geld." Auf die Kunden könne man zählen. "Viele werden sagen: Jetzt zu Ostern wäre es schön, wieder in ein Wirtshaus zu gehen, da gönnen wir uns was, für die Seele."

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