Baugebiete im Landkreis:Lange Warteliste

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Noch immer gelingt es nicht, alle Ausgleichsflächen im Landkreis Ebersberg auf ihren Zustand hin zu überprüfen. Das liegt auch daran, dass es keine Aussagen aus dem Umweltministerium gibt, wie geprüft werden soll

Von Wieland Bögel, Ebersberg

Die Kontrolle von Ausgleichsflächen kommt im Landkreis Ebersberg weiterhin nicht so voran wie gewünscht. Derzeit stünden 1700 Flächen auf der Warteliste, wie Johann Taschner, Leiter der Unteren Naturschutzbehörde im Landratsamt (UNB), nun im Umweltausschuss des Kreistages vorstellte. Zwar gibt es Fortschritte in dem Bereich, allerdings bleibt in einem wichtigen Punkt die Unterstützung des Freistaates bislang aus.

Anlass für den Bericht war eine Anfrage der Grünen-Fraktion zu der vor knapp zwei Jahren beschlossenen besseren Kontrolle der Ausgleichsmaßnahmen. Hintergrund dafür war eine Studie zum Zustand der Ausgleichsflächen im Landkreis Ebersberg, die 2017 zu dem Ergebnis kam, dass hier dringend Nachholbedarf besteht. Lediglich bei einem Fünftel der untersuchten Flächen wurden keine Mängel festgestellt, gut der Hälfte wurde ein schlechter oder gar sehr schlechter Zustand bescheinigt. Die Probleme sind indes schon länger bekannt, Auslöser für die Studie, ein Pilotprojekt des bayerischen Umweltministeriums zum Monitoring von Ausgleichsflächen, war 2014 die Mitteilung der UNB, es sei der Behörde mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitarbeitern unmöglich, alle Ausgleichsflächen im Landkreis regelmäßig zu überprüfen.

Diese sind eigentlich als Kompensation für Baumaßnahmen gedacht. Entsteht irgendwo eine neue Straße oder ein Baugebiet, muss ein für Natur und Artenvielfalt gleichwertiges oder besseres Gebiet angelegt werden. Umsetzung und Pflege obliegt den Nutznießern der Bauprojekte, das können Gemeinden sein, die Wohngebiete umsetzen, genau wie Firmen, die neue Gewerbebauten erstellen.

Nur, dass dies offenbar nicht immer geklappt hat, bei den gut 50 Prozent der mangelhaften Flächen war bei wiederum der Hälfte laut der Expertenmeinung nicht zu erkennen, dass dort jemals eine Maßnahme umgesetzt worden war. Um künftig hier einen besseren Überblick zu haben, beschloss der Umweltausschuss, dass der Landkreis selbst mehr Personal für die Kontrolle der Ausgleichsflächen bereitstellt - auf eigene Rechnung, denn eigentlich wäre dies Aufgabe des Freistaates.

Seit 2018 gibt es daher im Landratsamt eine zusätzliche Fachreferentenstelle, wie aus den Antworten auf die Grünen-Anfrage hervorgeht. Diese ist "unabhängig von der Ausgleichsflächenthematik" hat aber insgesamt zu mehr Kapazitäten in der UNB geführt. In der Folge ist es nun möglich, die sogenannte Herstellungskontrolle bei neu zu schaffenden Ausgleichsflächen sicherzustellen. Dass also, wie vor drei Jahren festgestellt, Maßnahmen gar nicht erst begonnen werden, dürfte inzwischen nicht mehr vorkommen.

Anders sieht es indes bei bestehenden Flächen aus. Zwar wurden mittlerweile etwa 520 Bestandsflächen untersucht, aber "die Kontrolle und Überwachung älterer Ausgleichsflächen ist allein aufgrund der schieren Anzahl mit dem verfügbaren Personal nach wie vor problematisch", so die Stellungnahme der UNB. Dies, wie Taschner im Ausschuss erklärte, führe dazu, dass "wir einen Berg von 1700 Ausgleichsflächen vor uns herschieben". Was indes nicht nur den Landkreis Ebersberg betreffe, das Problem sei ein bayernweites.

Denn um überhaupt den Personalbedarf einschätzen und die entsprechenden Stellen beim Freistaat anfordern zu können, brauche es klare Handlungsempfehlungen des bayerischen Umweltministeriums zum Umgang mit Ausgleichsflächen. Ein entsprechender Leitfaden wurde vom Ministerium zwar bereits vor mehr als zwei Jahren angekündigt, liegt aber bislang nicht vor, so Taschner. Seine Behörde habe bereits mehrmals nachgefragt, aber seit gut einem Jahr immer nur als Antwort erhalten, der Handlungsleitfaden "liegt zur Abstimmung im Bayerischen Staatsministerium für Umwelt- und Verbraucherschutz". Wie lange er da noch liegt, habe man den Ebersbergern indes nicht mitgeteilt.

Weshalb die Grünen den Antrag stellten, Landrat Robert Niedergesäß (CSU) solle mehr Druck auf das Landwirtschaftsministerium machen, damit der Leitfaden endlich zur Verfügung steht. Was der Angesprochene sogar noch konkretisierte, er werde sich direkt an Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) wenden und nach dem Handlungsleitfaden fragen. Der Ausschuss votierte einstimmig für dieses Vorgehen.

Etwas Abstimmungsbedarf gab es beim zweiten Antrag der Grünen, zu untersuchen, ob man durch "neue technische Maßnahmen" insbesondere zur Auswertung von Luftbildern die Kontrolle der Ausgleichsflächen verbessern könnte. Laut Taschner verfüge die UNB bereits über "sehr gute technische Möglichkeiten". Zwar könne man Geld ausgeben für hochauflösende Satellitenbilder, "das halte ich aber nicht für sinnvoll". Denn für die eigentliche Kontrolle und Auswertung, müssten "Experten vor Ort" sein - was eben wieder auf das Problem des Personalengpasses hinausläuft.

Vielleicht könnte die Technik hier trotzdem helfen, meinte Niclas Fent (Grüne), und den UNB-Mitarbeitern etwas Arbeit abnehmen. So gebe es Programme, die aus Luft- und Satellitenbildern Daten über die Biodiversität eines Gebietes liefern könnten. Vielleicht könnte die Behörde in Erfahrung bringen, wo der Kostenrahmen liegt, schlug sein Fraktionskollege Thomas von Sarnowski vor. "Das könnte durchaus interessant sein", meinte Taschner, er werde zunächst beim Landesamt für Umwelt nachfragen, welche Hilfsmittel es hier gibt.

Ob das geklappt hat, wird wohl spätestens kommendes Jahr im Ausschuss zu hören sein. Beschlossen wurde, dass die UNB dann berichten soll, was sich bei den Ausgleichsflächen getan hat. Einige Verbesserungen stehen auch bereits auf der Agenda, so soll noch im ersten Quartal dieses Jahres vom Landesamt für Umwelt ein neues Ökoflächenkataster erstellt werden. Auch die Zusammenarbeit der einzelnen Akteure bei Herstellung und Pflege der Flächen soll verbessert werden.

Dafür gibt es auch bereits ein Konzept, wie die Landkreisgemeinden hier unterstützt werden können. So soll es Angaben geben zum Ist- und zum Soll-Zustand von Ausgleichsflächen, verbunden mit konkreten Handlungsempfehlungen. Dazu soll es auch Ortstermine mit allen Beteiligten - etwa Gemeinde, Eigentümer, Pächter, Forstverwaltung, Bauhof, Planungsverband und Wasserwirtschaftsamt - geben, auf denen am Beispiel mögliche Verbesserungsmaßnahmen besprochen werden. Das Ziel ist, dass die Gemeinden die Kontrolle der Ausgleichsflächen letztlich selbst übernehmen können. Diese Beratungen will die UNB weiter vertiefen.

© SZ vom 23.02.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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