Oktoberfest-Lieferant mit neuen Ideen:Wiesn to go

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Der größte Schatz der Welt muss auf das größte Lebkuchenherz vom Oktoberfest warten: Stefan Vogler lagert seine Waren und glaubt auch heuer nicht an eine Neuauflage. (Foto: Nila Thiel)

Im Lager von Süßwarenhersteller Stefan Vogler in Inning stapeln sich die Oktoberfestherzen. Nun sucht er sich in Läden neue Vertriebswege für gebrannte Mandeln, Popcorn und Schichtnougat. Denn auch für heuer hat er die Hoffnung aufgegeben.

Von Jessica Schober, Inning

Wenn es ganz schlecht laufen sollte, dann muss Stefan Vogler haufenweise Herzen wegschmeißen. Zumindest einen Teil der 200 000 Lebkuchenherzen, die der Süßwarenhändler sonst auf dem vergangenen, abgesagten Oktoberfest über seine Schaustellerkunden verkauft hätte. Einige Paletten hat Vogler noch in seinem Lager in Inning, nach zwei Jahren wird das Haltbarkeitsdatum ablaufen. Doch Vogler gehört zu den Zuversichtlichen in dieser Krise. Für einen Großteil seiner Naschereien hat er neue Vertriebswege in Supermärkten gefunden und so riecht es auch dieser Tage nach einer Mischung aus Popcorn und gebrannten Mandeln im Inninger Gewerbegebiet, die Produktion läuft weiter.

Früh hatte Vogler sich vorgenommen, seine Firma breit aufzustellen. Zwei Drittel seines Geschäfts machte er zwar auf der Wiesn, zu den wichtigsten Abnehmern des Süßwaren- und Confiserie-Händlers gehörten stets die Standverkäufer bei Volksfesten. "Aber falls mal ein Oktoberfest ausfallen sollte - man weiß ja nie -, hätten wir immer noch Produkte für den Christkindlmarkt gehabt", erzählt Vogler von seinen vorpandemischen Gedanken. Doch dass einmal in einem Jahr sämtliche Veranstaltungen ausfallen könnten, das habe er sich nicht vorstellen können, sagt er heute halb kopfschüttelnd, halb lachend.

Als es so weit kam, wollte der Süßwarenhändler nicht verbittern, sondern ließ seine Mitarbeiter zu inhabergeführten Supermärkten ausrücken, um Produktaufsteller auf Kommission aufstellen zu lassen. Mit viel Überzeugungstalent kam der Erfolg. In über 25 Märkten im Fünfseenland, aber auch in Tankstellen und Getränkegeschäften vertreibt Vogler nun seine Schokoladen, Pralinen oder zum Beispiel seine Wodka-Erdbeeren. "Viele sind doch froh, wenn sie ein regionales Produkt anbieten können", sagt Vogler. Er und seine Mitarbeiter befüllen die Aufsteller wöchentlich neu mit Schokolade und Süßkram. Waren im Wert von 150 bis 200 Euro kämen wöchentlich in Umlauf. Ein schwacher Trost. Insgesamt ging der Umsatz 2020 um 70 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zurück.

Das Inninger Unternehmen verkauft die Süßigkeiten nun auch in Geschäften. (Foto: Nila Thiel)

Und dennoch sagt Vogler: "Das ist jetzt die spannendste Zeit meiner Unternehmerlaufbahn." Begonnen hat er vor über 35 Jahren als Aushilfsfahrer in der selben Firma. Nach einer Umschulung zum Groß- und Außenhandelskaufmann wurde er Prokurist und übernahm schließlich 2008 das Unternehmen. Die neue Produktionshalle im Inninger Gewerbegebiet baute der Gräfelfinger 2018 und nahm dafür Kredite auf. Vergangenes Jahr hat er staatliche Unterstützung in Höhe eines niedrigen sechsstelligen Betrages erhalten, gewohnt war er sonst einen Umsatz von 3,5 Millionen im Jahr. Sein Schuldenberg wächst weiter. "Ich muss wohl in meinem Leben fünf Jahre länger arbeiten, um die Corona-Schulden abzubauen, aber immerhin mussten wir nicht zusperren." Es seien seine treue Mitarbeiter und die gefragten Nischenprodukte, die ihn weiter zuversichtlich in die Zukunft schauen ließen. Bloß bei einer Prognose ist er skeptisch. Die nächste Wiesn? "Wird es nicht geben", sagt Vogler. "Wie sollte das funktionieren?"

24 Sorten Süßes hat Vogler im Angebot

Doch so lange die Menschen auch im Supermarkt Süßes kaufen, kann die Vollmilchschokolade in den 1000-Liter-Behältern aus Edelstahl in Voglers Halle weiterverarbeitet werden. "Irgendwann kommt das Veranstaltungsgeschäft wieder", glaubt er. Und bis dahin rollen auch die acht Mandelmaschinen weiter tonnenweise Nüsse durch den karamellisierten Zucker. In der Schokoladenproduktionen sind viel Handarbeit und auch selbstgebaute Maschinen im Einsatz.

Und die Wodka-Erdbeeren? Die kommen zwar ursprünglich aus Thailand, werden aber regional veredelt. Dafür liegen sie vier Wochen in einem löchrigen Eimer mit Wodka, bevor sie zweifach mit Zartbitterschokolade überzogen werden. 24 verschieden Sorten Süßspeisen hat Vogler im Angebot und er merkt jetzt, dass im Einzelhandel ganz andere Produkte nachgefragt werden als bei Volksfesten. "Wir haben noch nie so viel Schichtnougat verkauft wie jetzt."

Neu im Sortiment ist das regionale Müsli. (Foto: Nila Thiel)

Seit August ist keiner seiner 22 Leute mehr in Kurzarbeit. In der Zwischenzeit hätten einige Kollegen auch neue Produkte entwickelt, wie zum Beispiel ein Triathlet im Team. Er hat ein Sportler-Müsli entwickelt mit Amaranth und Dinkelflocken aus der Münchner Region, die Internetseite fürs Marketing stehe bereits, die Produktfotos seien gemacht. Bloß kann Vogler die Neuentwicklung nicht vertreiben, weil auch keine Sportveranstaltungen stattfinden. Egal. "Man muss unbedingt weiter neue Produkte entwickeln, auch in der Pandemie", sagt Vogler. Immerhin: Der Fabrikverkauf läuft besser als je zuvor. Dort kann man sich werktags übrigens auch Lebkuchenherzen individuell beschriften lassen. Egal, ob die Wiesn ausfällt oder nicht.

© SZ vom 23.02.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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