Klimabuch von Bill Gates:Des Retters Kernkraft

Bill Gates

Bill Gates versucht in seinem Buch, über die Klimakrise auch die Atomkraft wieder in Stellung zu bringen.

(Foto: imago images/ZUMA Wire)

Microsoft-Gründer und Stifter Bill Gates sucht auch nach Wegen, um die Klimakatastrophe zu verhindern. In seinem Buch setzt er auf technischen Fortschritt, viel Zeit - und Atomstrom, in den er selbst investiert.

Rezension von Michael Bauchmüller

Bill Gates hat wirklich Großes geleistet. Er hat der Welt den Weg in den Heimcomputer geebnet und ist damit unfassbar reich geworden. Er hat mit einem Teil seines Reichtums eine der größten privaten Stiftungen der Welt gegründet und so Milliarden in Gesundheit, Chancengleichheit und Bildung der Ärmsten gesteckt. Sein gerade erschienenes Buch ist da wahrlich nicht seine größte Leistung.

Groß aber ist der Titel: "Wie wir die Klimakrise verhindern", nicht weniger verspricht Gates. Dass er nicht unbedingt der ideale Botschafter dafür ist, räumt er selbst ein. "Die Welt leidet nicht gerade unter einem Mangel an reichen Männern, die große Ideen haben für das, was andere Leute tun sollten", schreibt er. "Oder die glauben, dass jedes Problem durch Technologie gelöst werden soll."

Fortschritt, Technologie - genau darauf läuft auch Gates' Mission hinaus. Doch im Unterschied zu manch anderem US-Multimilliardär gilt seine Leidenschaft nicht dem Weltraum, sondern dem Planeten Erde. Das ist gut.

Das Buch ist für das US-Publikum geschrieben

Und hier müssten die klimaschädlichen Emissionen bis 2050 auf netto null runter, verlangt Gates - in Übereinstimmung mit weiten Teilen der Wissenschaft. Seine Warnungen vor "schlimmen Folgen" mögen Lesern in Europa vertraut sein, sie richten sich wohl vor allem an unbesorgte Landsleute. "Strandgebiete werden Probleme bekommen", so Gates. Trockenheit könnte amerikanischen Farmern zu schaffen machen. US-Städten drohten Hitzewellen.

"Falls Sie mittags einen Burger gegessen haben, wie ich es ab und zu tue, wurden bei der Aufzucht des Rindes Treibhausgase emittiert", lehrt Gates. "Kühe rülpsen und furzen Methan." Der Autor geizt weder mit dem Ich noch mit, nun ja, klarer Sprache.

Wie aber lassen sich die Emissionen auf null senken? Gates' Antwort überrascht nicht: mit Fortschritt, Fortschritt und noch einmal Fortschritt. Demnach, auch das sehen viele Experten ähnlich, werden viele Prozesse künftig elektrifiziert werden. Autos fahren elektrisch, Wärmepumpen laufen mit Strom, selbst Wasserstoff, der weite Teile der Industrie auf Treibhausgas-Diät setzen kann, ließe sich aus elektrischer Energie erzeugen. Doch schnell wird deutlich, woher Gates diesen Strom beziehen will: aus Atomkraft.

Die Firma Terra Power spielt eine wichtige Rolle

Gerade weil er für viele Probleme die Elektrifizierung als Lösung sieht, führt sein Buch immer wieder auf die Kernkraft zurück. Irgendwoher muss der viele Strom schließlich kommen. Dass er selbst mit seiner Firma Terra Power in modulare Atomanlagen investiert, daraus macht er kein Hehl. "Durch Atomkraft kommen sehr viel weniger Menschen ums Leben als durch Autos", wirbt Gates, und auch die Luftverschmutzung durch Kohlekraft fordere mehr Opfer. Es gehe nun darum, die Atomkraft zu verbessern, "indem wir ihre Probleme eins nach dem anderen analysieren und uns daran machen, sie durch Innovationen zu lösen".

Spätestens hier entpuppt sich das Buch als der durchschaubare Versuch, über die Klimakrise auch die Atomkraft wieder in Stellung zu bringen. Denn jene Innovationen, auf die Gates bei der Nuklearenergie bis hin zur Kernfusion setzt, spricht er den erneuerbaren Energien ab. Zwar sieht auch er im Strom aus Wind und Sonne einen Beitrag im Kampf gegen die Erderhitzung. Große Fortschritte aber, sei es bei Modulen, Speicherung oder Transport, tut er ab. Und aus der langen Zeit, die es gedauert habe, Kohle und Öl als Energieträger zu etablieren, schließt Gates: "Eine Energiewende braucht viel Zeit."

Atomstrom ist für Gates wie Ökostrom "saubere Energie"

Das ist erstaunlich für einen, der seine Milliarden mit bahnbrechenden, disruptiven Innovationen verdient hat. Gates hebt die Schwankungen bei Wind- und Sonnenstrom hervor (natürlich ganz im Unterschied zur stabilen Kernkraft), blendet dabei aber die Rolle der Digitalisierung konsequent aus. Der Ausgleich von Angebot und Nachfrage oder die intelligente Einbeziehung von Batteriespeichern findet schlicht nicht statt. Schwarmintelligenz, wie sie auch ein Stromnetz stabilisieren kann, ist nicht Teil von Gates' Lösung. Stattdessen verweist er auf den Platzbedarf von Windrädern.

Mit der Atomkraft dagegen geht er, just zehn Jahre nach Fukushima, bemerkenswert sorglos um. Sie ist für ihn, wie Ökostrom, eine "saubere Energie". Selbst Containerschiffe ließen sich mit Atomenergie antreiben. "Die Risiken sind hier real (...), aber viele der damit verbundenen technischen Probleme sind bereits gelöst." Selbst Atommüll wird zur Randerscheinung: alles beherrschbar.

Klimabuch von Bill Gates: Bill Gates: Wie wir die Klimakatastrophe verhindern. Welche Lösungen es gibt und welche Fortschritte nötig sind. Aus dem Amerikanischen von K. Petersen und H.-P. Remmler. Piper-Verlag, München, 320 Seiten, 22 Euro.

Bill Gates: Wie wir die Klimakatastrophe verhindern. Welche Lösungen es gibt und welche Fortschritte nötig sind. Aus dem Amerikanischen von K. Petersen und H.-P. Remmler. Piper-Verlag, München, 320 Seiten, 22 Euro.

Das Buch ist ein Streifzug durch die Probleme der Welt, und der rote Faden sind (groß-)technische Lösungen. "Armen Bauern", wie Gates schreibt, könnten neue Züchtungen und mehr Dünger helfen; Folgen klammert er aus. Wassermangel macht er zum Energieproblem, weil sich "mit ausreichend billiger und sauberer Energie" trinkbares Wasser "in praktisch unbegrenzter Menge" herstellen lasse.

Auch dem Geoengineering, also menschlichen Eingriffen etwa in die Wolkenbildung und damit in die Erdtemperatur, steht er offen gegenüber. "Vielleicht kommt der Tag, da uns nichts anderes mehr übrig bleibt", schreibt Gates. "Bereiten wir uns besser schon heute darauf vor."

Das Buch bleibt fast überall an der Oberfläche

Man kann Gates nicht vorwerfen, dass er nicht jedes Problem irgendwie angerissen hätte, von den Emissionen der Zementindustrie über den Fleischkonsum bis hin zur Entwaldung. Doch bleibt er fast überall nur an der Oberfläche.

Er sieht zwar den Nutzen eines Preises auf klimaschädliche Emissionen - bezweifelt aber stark, "dass die Amerikaner Lust haben, mehr für ihren Sprit zu bezahlen". Nicht umsonst liege die letzte Anhebung der US-Bundessteuern auf Benzin ein Vierteljahrhundert zurück. Mehr noch, den Siegeszug von Elektroautos verbindet er mit der Sorge, wegbrechende Benzinsteuer-Einnahmen fehlten für den Straßenbau. Seine Lösung: höhere Abgaben auf Elektroautos. Wehe nur, den Autos mangelte es an Straßen.

Alles muss sich ändern und kann doch bleiben, wie es ist: Das letztlich ist Bill Gates' Verheißung. Erfüllen soll sie ein technischer Fortschritt, dessen Haken und Ösen er aber geflissentlich übergeht. Man muss ihm zugute halten, dass er sich den Problemen überhaupt stellt. Aber er beschreibt nicht, wie "wir" die Klimakatastrophe verhindern, sondern wie er sie gern verhindern würde. Wenn es nur so einfach wäre.

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