Sportpolitik:Jetzt mal mit Strategie

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Wann gibt es in Deutschland wieder eine olympische Eröffnungsfeier, so wie 1972 in München? Die Pläne an Rhein/Ruhr für 2032 haben sich erledigt, für 2036 fehlt nicht nur DOSB-Boss Alfons Hörmann die Fantasie. (Foto: dpa)

Kurz nach dem Scheitern der siebten Olympia-Bewerbung legen DOSB und Innenministerium ein Konzept vor zum Thema Großveranstaltungen. Doch das hat Schwächen - und nennt eine Spiele-Bewerbung gar nicht explizit als Ziel.

Von Johannes Aumüller, Frankfurt

Trostloser als in diesen Tagen kann es an der deutschen Olympia-Front kaum aussehen. In der vergangenen Woche manifestierte sich das Aus der Initiative Rhein/Ruhr für die Sommerspiele 2032, seitdem führen die Beteiligten ein skurriles Schauspiel auf, in dem sie sich nach der siebten gescheiterten deutschen Olympia-Bemühung in gegenseitigen und teils geharnischten Schuldzuweisungen ergehen. Für eine Bewerbung 2036, also 100 Jahre nach den Nazi-Spielen in Berlin, fehlt nicht nur Alfons Hörmann, dem Präsidenten des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), die Fantasie, wobei dessen Dachverband ohnehin den Eindruck erweckt, als sei er das ganze Thema gerade leid. Vor 2040 sind Spiele in Deutschland also allenfalls im Winter denkbar.

In diese Trostlosigkeit hinein platzt nun ein neues Dokument, das einen verheißungsvollen Titel trägt: "Nationale Strategie Sportgroßveranstaltungen".

Die ist natürlich nicht als Reaktion auf das aktuelle 2032-Scheitern entstanden. Schon im Koalitionsvertrag von Union und SPD im Februar 2018 war eine solche Strategie ein Thema. 15 Monate lang haben die Verantwortlichen aus dem Sport und dem Bundesinnenministerium daran gearbeitet (und sich dabei häufig gefetzt), 1,25 Millionen Euro hat das Projekt nach Angaben des BMI gekostet, herausgekommen ist ein 103 Seiten langes Dokument unter der Motto-Überschrift: "Gemeinsam. Mehr. Wirkung." Mit einer Anhörung vor dem Sportausschuss des Bundestages wurde dieses Konzept nun öffentlich, wobei dort auch betont wurde, dass es noch nicht final sei.

Bei der Anhörung vor dem Sportausschuss äußern Sachverständige viel Kritik

Dass es grundsätzlich einer solchen Strategie bedarf, ist Konsens, auch wenn die Beteiligten aus Sport und BMI erklären, dass Deutschland abseits von Olympia doch schon führendes Ausrichterland sei und in den vergangenen zehn Jahren nur Kanada mehr Großveranstaltungen beherbergt habe. Aber dass das nun entstandene Konzept angemessen ist, daran gibt es erhebliche Zweifel.

Dabei sind schon die Ziele dieser Strategie erstaunlich. Vier "Handlungsziele", sechs "strategische Ziele" und zehn "Subziele" sind definiert. Die Stellung als führendes Ausrichterland solle gestärkt werden. Aber nicht explizit als Ziel genannt ist: "Bewerbung um Olympische Spiele". Stattdessen wird formuliert, die Strategie "kann" zu einer Bewerbung führen, aber ihr Erfolg sei nicht daran zu messen. "Ihr Nutzen", so heißt es, "liegt vielmehr auf den vielfältigen Wirkungen, die Sportgroßveranstaltungen auf den Sport und die Gesellschaft entfalten."

Das klingt deutlich anders als im Koalitionsvertrag. Da war noch von "Aufbau und Umsetzung einer langfristig angelegten Strategie für Sportgroßveranstaltungen, insbesondere Olympische und Paralympische Spiele" die Rede gewesen. Es ist nun die Frage, warum dies als Ziel nicht klar formuliert wurde; über einen Mangel an Rodel-Weltmeisterschaften kann sich die Bundesrepublik ja eher nicht beklagen.

Eine gründliche wissenschaftliche Aufarbeitung des olympischen Dauerscheiterns gibt es nicht

Aber in diesem Kontext offenbart sich auch ein entscheidender Schwachpunkt des Konzeptes. Sieben Mal sind in Deutschland in der jüngeren Vergangenheit Olympia-Bemühungen gescheitert: Berchtesgaden 1992, Berlin 2000, Leipzig 2012, München 2018, München 2022, Hamburg 2024 und nun Rhein/Ruhr 2032. Die Gründe waren vielfältig, aber eine wirklich gründliche wissenschaftliche Aufarbeitung dieses Dauerscheiterns gab es bisher nicht - bemerkenswerterweise auch nicht für das nun veröffentlichte Strategie-Papier, wie BMI-Vertreter einräumen. Stattdessen verweisen sie nur darauf, dass viele Stakeholder an dem Prozess beteiligt gewesen seien.

Zugleich ist ein zentraler Punkt der Strategie noch gar nicht geklärt: nämlich die Frage, wie nun anhand der entwickelten Kriterien objektiv entschieden werden soll, welche Bewerbung für welche Veranstaltung in welchem Umfang gefördert werden sollte. Eine zentrale Anlaufstelle soll es geben, aber weil es da um Macht und Einfluss geht, war deren Konkretisierung in den vergangenen Wochen Teil diverser Auseinandersetzungen - und es gibt bisher noch keine Lösung. Die soll erst jetzt erarbeitet werden, heißt es von den Beteiligten.

Ein bisschen wirkt die Ausarbeitung der Strategie nun wie das bis dato letzte Großprojekt der nationalen Sportpolitik: die sogenannten Leistungssportreform, die mehr Medaillen bringen soll. Auch da gab es viele Diskussionen, und als das Konzept vermeintlich fertig war, waren noch einige Punkte offen und die Verbesserungen überschaubar. Eines aber brachte diese Reform: mehr Geld für den deutschen Spitzensport. Von 158 auf 291 Millionen Euro wuchs der Etat über die Jahre.

Die Vertreter des deutschen Sports machen keinen Hehl daraus, dass sie auch jetzt wieder gerne einen Aufschlag hätten. "Zusätzliche Mittel des Bundes" seien notwendig, erklärt der DOSB. BMI-Staatssekretär Stephan Mayer (CSU) stellte am Mittwoch auch zusätzliche öffentliche Mittel in Aussicht. Das klingt so, als könnte das Motto statt "Gemeinsam. Mehr. Wirkung." auch "Mal. Wieder. Mehr. Geld." bedeuten.

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