Regierungserklärung zu Corona-Lockerungen:Offen in die dritte Welle

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Im Bayerischen Landtag sind 13 Prozent der Abgeordneten Juristen. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Ministerpräsident Markus Söder verteidigt die Lockerungspläne, warnt aber vor Rückschlägen bis Ostern. Die besonders betroffenen Grenzregionen sollen Zehntausende zusätzliche Impfdosen bekommen.

Von Johann Osel

Bayern will die Corona-Impfungen in den ostbayerischen Hotspots massiv in Fahrt bringen. Die besonders von der Pandemie betroffenen Regionen an der tschechischen Grenze sollen noch einmal 50 000 zusätzliche Dosen Impfstoff bekommen, nächste Woche soll damit begonnen werden.

"Wir müssen die regionalen Prioritäten neu definieren", sagte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) in seiner Regierungserklärung am Freitag. Dies sei "eine Frage der Solidarität", man wolle auch ein Signal setzen: Wo es wegen hoher Inzidenzen keine Öffnungen geben könne, müsse schneller immunisiert werden. Wer glaube, Tirschenreuth oder Hof seien weit weg, irre sich, so Söder. Die Geschwindigkeit der britischen Mutante, die dort anders als im Bayernschnitt (gut 30 Prozent) inzwischen die Mehrzahl der Infektionen betreffe, sei ebenso maßgeblich. Impfen sei die einzige Langfriststrategie. Impfgegner müssten "aus ihren Verschwörungsblasen" kommen. Dafür erhielt Söder Applaus aus nahezu allen Fraktionen.

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Anders die Reaktionen auf die restliche Erklärung, mit der er um Zustimmung für die jüngsten Öffnungskonzepte warb - vor allem die Grünen attackierten die Staatsregierung scharf. Aus Angst um das Gesundheitssystem und die Sorge vor einer dritten Welle, wie Fraktionschefin Katharina Schulze ausführte. Aber Beobachter meinten rasch: Der anstehende Wahlkampf lässt grüßen. Bis dato hatten die Grünen die Regierung meist gestützt.

Fakt sei, sagte Söder, dass viele Menschen "Normalität zurückwollen, so viel davon und so schnell davon wie möglich". Fakt sei aber auch: "Corona ist nicht vorbei, nicht erledigt." Es gebe einen Rückgang bei Inzidenzen und Todesfällen, "wir haben die zweite Wellte unter Kontrolle gebracht, das ist ein Erfolg von uns allen". Zugleich "rollt" die dritte Welle an, mit Mutante. Öffnen müsse daher mit Vorsicht geschehen - und "Verantwortung" der Bürger, dem neuen Credo von Söder.

Am Donnerstag hatte das Kabinett den Plan beschlossen, er sieht Lockerungen bei Kontakten, Handel, Sport und Gastronomie vor. Das ist an eine "Notbremse" geknüpft sowie generell an Zeitpunkte und örtliche Inzidenzen. Söder kündigte dazu an, dass eine Verschärfung an Ostern bei Misserfolgen durchaus denkbar sei. Es sei aktuell "nicht die Zeit für einen Game-Changer".

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Mit Verve konterte eben Schulze. Sie erkennt keine Strategie, sondern "das Prinzip Hoffnung und wir wursteln mal weiter". Die Öffnungen seien eine "Kapitulation vor dem Virus und vor dem Druck verschiedener Interessen"; im Übrigen nicht mit Kindern und Jugendlichen als Priorität. Zugleich sei kein "Damm gegen die dritte Welle" rechtzeitig gebaut worden; der Makel betreffe nicht nur Testen und Impfen. Es werde gelockert, noch vor den Voraussetzungen dafür. "Wenn die Zahlen dann steigen, ist der Einzelne Schuld." Das sei "Abschieben der Verantwortung".

Kritik von Schulze, dass erst nach einem Jahr Pandemie eine Taskforce zur Beschaffung von Schnelltests eingerichtet werde, erregte die Gemüter auf der Regierungsbank. Das sei der Bund, war von Söder und Staatskanzleichef Florian Herrmann zu hören. Der Freistaat dagegen will 100 Millionen Tests für eine halbe Milliarde Euro kaufen. Auch CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer wirkte daraufhin echauffiert über die Grünen; er warf ihnen Heuchelei vor, weil sie über Regierungsbeteiligungen die Bund-Länder-Beschlüsse mittrügen.

SPD-Fraktionschef Horst Arnold begrüßte die Öffnungen an sich, jedoch fehlten Perspektiven für Jugendarbeit, Erwachsenenbildung oder Kultur. AfD-Fraktionschef Ingo Hahn verspottete Söder als "großspurigen Verteiler der Grundrechte". Martin Hagen (FDP) lobte den "Kurswechsel, auch wenn es noch ein zaghafter ist". Ein Lockdown tauge "als Notbremse, nicht als dauerhafte Lösung". Er sei "als Arbeitsauftrag zu verstehen, nicht als bequeme Ausrede für Pfusch und Bummelei".

© SZ vom 06.03.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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