Diplomatie:Nukleare Nervenprobe

Diplomatie: Uranumwandlungsanlage vor den Toren von Isfahan: Die Beschränkungen für das Nuklearprogramm sollten sicherstellen, dass Iran mindestens zwölf Monate brauchen würde, um genug spaltbares Material für einen Sprengkopf zu produzieren.

Uranumwandlungsanlage vor den Toren von Isfahan: Die Beschränkungen für das Nuklearprogramm sollten sicherstellen, dass Iran mindestens zwölf Monate brauchen würde, um genug spaltbares Material für einen Sprengkopf zu produzieren.

(Foto: Vahid Salemi/dpa)

Kommt es nicht noch vor dem persischen Neujahrsfest in zwei Wochen zu einem ersten Treffen mit den USA, wird es eng mit einer Rückkehr zum Atomabkommen vor der Präsidentenwahl in Iran im Juni - dann steht der Deal endgültig auf der Kippe.

Von Paul-Anton Krüger

In zwei Wochen feiert Iran Norouz, das persische Neujahrsfest. Schon jetzt beginnt das ganze Land, sich auf die wichtigsten Feierlichkeiten des Jahres vorzubereiten. Die Menschen putzen die Häuser für den Frühlingsbeginn. Am letzten Mittwoch des alten Jahres springen sie über Lagerfeuer, ein Ritual aus vorislamischen Zeiten, mit dem man symbolisch die Lasten des vergangenen Jahres zurücklässt. Familienbesuche, alte Bräuche und Süßigkeiten prägen die 13 Feiertage, die mit dem Neujahrsabend beginnen.

Zugleich fährt das Land den normalen Betrieb herunter, die Politik eingeschlossen. Noch vor Norouz, so lassen sich französische Diplomaten zitieren, könnte es auch zu einem informellen Treffen zwischen Iran, den Vertragsstaaten des Atomabkommens von 2015 und den USA kommen, deren neuer Präsident Joe Biden ja angekündigt hat, sein Land in den Vertrag zurückführen zu wollen. Es wäre zweifellos eine willkommene Nachricht für einen Großteil der Iraner, die bei den Einkäufen für die Festtage ganz brutal die Folgen der US-Sanktionen zu spüren bekommen.

Die Landeswährung hat seit Mai 2018, als Donald Trump den Ausstieg der USA aus dem Abkommen verkündete, so stark verloren wie nie zuvor in der Geschichte der Islamischen Republik. Für einen Dollar müssen die Menschen statt einst 60 000 Rial heute mehr als das Vierfache bezahlen, dazu kommt eine Inflation von 40 Prozent. Das potenziert die von Misswirtschaft und Korruption verursachte Misere: Sehr viele Iraner können sich sehr viele Dinge nicht mehr leisten - auch bei Lebensmitteln muss selbst die Mittelklasse sparen.

Von positiven Signalen der iranischen Seite in den vergangenen Tagen ist in Paris die Rede. Europäische Diplomaten waren schon in der vorvergangenen Woche zuversichtlich, dass es eine Frage von Tagen sei, bis der Dialog wieder aufgenommen werde. Bis dann am Sonntag der Sprecher des Außenministeriums, Saeed Khatibzadeh, in Teheran barsch wissen ließ, angesichts der "jüngsten Handlungen und Erklärungen" der USA und der drei europäischen Mächte Frankreich, Großbritannien und Deutschland (E3) sei "die Zeit nicht reif für ein solches Treffen". Zuerst müssten die USA sämtliche Sanktionen gegen die Islamische Republik aufzuheben.

Iran drohte, den Kompromiss zu kassieren

Worauf sich Khatibzadeh genau bezog, sagte er nicht. Der von Biden angeordnete Luftangriff auf von Iran gesteuerte Milizen in Syrien lag nur wenige Tage zurück. Wahrscheinlicher aber meinte er die Auseinandersetzung, die sich dann in dieser Woche beim Gouverneursrat der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien zutrug. Berlin, Paris und London hatten eine Resolution ins Auge gefasst, in der Teheran dafür verurteilt werden sollte, dass es Inspektoren der IAEA über angekündigte Routinekontrollen hinaus nur noch eingeschränkt Zugang zu seinen Atomanlagen gewährt.

IAEA-Generaldirektor Rafael Grossi hatte bei einem Besuch in der iranischen Hauptstadt noch mit Präsident Hassan Rohani einen auf drei Monate begrenzten Kompromiss ausgehandelt, der den Inspektoren erlauben soll, ihre Arbeit in gewissem Umfang fortsetzen zu können. Dieses "gute Ergebnis", wie Grossi sagte, ohne Details zu nennen, drohte Iran wieder zu kassieren - sollte die Resolution der E3 den Gouverneursrat passieren.

Letztlich verzichteten die Europäer am Donnerstag nach einer tagelangen diplomatischen Nervenschlacht in Wien doch noch darauf, sie einzubringen. Grossi hatte mit Iran zuvor vereinbart, dass Teheran in einem strukturierten Prozess Fragen zu zwei Einrichtungen beantwortet, in denen die Inspektoren Spuren von Uran gefunden haben. Die Hinweise darauf stammen aus Unterlagen, die der israelische Mossad in Teheran entwendet hat und bringen das Regime in Erklärungsnot. Bis Juni nun soll Iran Antworten liefern; die Arbeit technischer Experten soll im April beginnen - nach Norouz.

Aus dem Auswärtigen Amt in Berlin hieß es, man erwarte jetzt von Iran, dieses Angebot anzunehmen und in einen ernstzunehmenden Dialog sowohl mit der IAEA als auch mit den Partnern des Atomabkommens und den USA einzusteigen. Teheran müsse jetzt beweisen, das Atomabkommen "vollumfänglich wiederbeleben zu wollen".

Die Wahl in Iran könnte vieles ändern

Sollte ein Treffen zur Wiederbelebung des Atomabkommens vor dem Neujahrsfest nicht mehr zustande kommen, dürfte die Zeit knapp werden, noch vor der Präsidentenwahl in Iran Mitte Juni eine Rückkehr zu vereinbaren und vor allem umzusetzen. Es müssten die Schritte definiert werden, die Iran und die USA bis dahin gehen, samt Fristen und einer genauen Abfolge. Iran hat bisher in eine solche Zusammenkunft hochrangiger Diplomaten nicht eingewilligt.

Das Regime fürchtet, ein solches Treffen ohne konkrete Sanktionserleichterungen zu verlassen - was zu Hause im Wahlkampf den Hardlinern in die Hände spielen könnte. In Washington würde man gerne einen Weg zurück in den Deal noch mit Rohani aushandeln, sagen Diplomaten.

Allerdings gibt es auch mahnende Stimmen, die dafür plädieren, den Ausgang der Wahl in Iran abzuwarten. Denn niemand kann heute sagen, ob das Regime, womöglich komplett im Griff der Hardliner, dann noch dazu bereit ist - von umfassenderen Gesprächen über Irans Raketenprogramm oder seine Regionalpolitik gar nicht erst zu reden.

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