Spanien:Gerüchte machen Politik

In Madrid soll der Weltfrauentag ausfallen. Damit beschneidet die Regierung ein Grundrecht - und kommt in der Pandemie Verschwörungserzählern allzu weit entgegen.

Von Karin Janker

In Spaniens Hauptstadt Madrid gilt das Grundrecht, sich in einer Bar zusammen mit Freunden einen Abend lang zu betrinken. Es gilt das Grundrecht, einen Tag in der Innenstadt beim Shoppen von Geschäft zu Geschäft zu ziehen. Und das Grundrecht, im Kino den neuesten Anthony-Hopkins-Film zu sehen. Aber das Grundrecht, seine Meinung auf öffentlichen Demonstrationen kundzutun, gilt in Madrid derzeit nur mit gewissen Einschränkungen.

In der Hauptstadtregion, wo die Infektionszahlen nach wie vor höher sind als anderswo in Spanien, haben die Behörden sämtliche Kundgebungen zum diesjährigen Weltfrauentag am 8. März verboten. Auch solche, bei denen sich gerade einmal 30 Teilnehmer mit Abstand und Plakaten auf einen Platz in einer Vorstadt stellen wollten. Das Verbot wirkt ungerecht und ungerechtfertigt, denn in den vergangenen Wochen durften viele andere Kundgebungen in Madrid stattfinden, obwohl damals die Zahl der Neuansteckungen noch deutlich höher war.

Dennoch ist das Demonstrationsverbot keine "Kriminalisierung des Feminismus", wie es die spanische Gleichstellungsministerin Irene Montero nannte. Es ist schlimmer als das: Das generelle Verbot jeglicher Kundgebungen in diesem Jahr lässt sich kaum anders deuten denn als fadenscheinige Reaktion auf die nicht verhallenden Gerüchte, die im Weltfrauentag des Vorjahrs den Ursprung der spanischen Coronavirus-Tragödie sehen wollen.

Im rechten Lager hält sich diese vereinfachende Schuldzuweisung - "die Feministinnen sind schuld an Tausenden Toten" - derart hartnäckig, dass die Regierung sich genötigt sieht, dieses Jahr alle Kundgebungen in Madrid zu untersagen, als Form symbolischer Wiedergutmachung. Doch durch diesen Kotau vor den Verschwörungserzählern wird nichts wieder gut.

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