Nahaufnahme:Hilfsbereiter Hotelier

Nahaufnahme: "Für mich ist es selbstverständlich, anderen in Not zu helfen", sagt der Hotelier Ilhan Erdoğan.

"Für mich ist es selbstverständlich, anderen in Not zu helfen", sagt der Hotelier Ilhan Erdoğan.

(Foto: oh)

Ilhan Erdoğan nimmt Obdachlose auf und vermittelt ihnen Jobs. Ein Modell, für das sich nun auch Frankfurts Oberbürgermeister interessiert.

Von Nathanael Häfner, Frankfurt

Fast 120 000 Menschen fordern, Obdachlose in Hotels aufzunehmen. Die Online-Petition "Gegen das Sterben auf der Straße" wurde von 13 deutschen Straßenmagazinen gestartet. Jedes Jahr erfrieren Obdachlose auf deutschen Straßen, allein in diesem Jahr sind laut BAG Wohnungslosenhilfe 22 Todesfälle bekannt. Corona hat die Lage in Notunterkünften verschärft. Denn auch dort gelten Abstands- und Hygieneregeln, es fallen somit immer mehr Plätze weg. Dagegen kämpft der Frankfurter Hotelier Ilhan Erdoğan und nimmt Obdachlose auf.

Alles begann für Erdoğan bereits vor acht Jahren. Auf der Straße unterhält er sich gerne mit Obdachlosen und traf dabei auf einen Industriemechaniker. Er lud ihn ins Hotel ein, der Mann arbeitete schließlich für ihn im Restaurant. Mittlerweile hat der ehemalige Wohnungslose eine feste Stelle gefunden. Bald will er seine nunmehr langjährige Freundin heiraten.

Seitdem hat Erdoğan immer wieder Leute angesprochen und angeboten, ins Hotel zu kommen, in der Regel für einige Nächte. Bisher hat er nur positive Erfahrungen gemacht. "Normale" Gäste überrascht das nicht, denn der Hotelier weist explizit darauf hin, dass er auch Obdachlosen Unterkunft bietet. Die Gäste tauschten sich gut mit den Obdachlosen aus, sagt Erdoğan. Erdoğan - verheiratet, zwei Kinder - ist seit 1999 selbständig.

Dem Hotelier kommt entgegen, dass eines seiner beiden Hotels speziell eine Unterkunft für Berufstätige auf Reisen ist. Auch in Corona-Zeiten buchen sich dort vor allem Handwerker ein, die teils monatelang an Bauprojekten arbeiten. Dort klappt die Aufnahme so gut, dass Erdoğan nun mit drei Logistikunternehmen verhandelt, Obdachlose als Lagerarbeiter anzustellen.

Der "Johannishof" sollte ursprünglich eine Flüchtlingsunterkunft werden. 2015 stieß der Architekt Jens Kleiner zu Erdoğan und plante den Modulbau für die angedachte Flüchtlingsunterkunft "Johannishof". Zwei Jahre lang bauten sie den Betrieb um. Der Landkreis Darmstadt-Dieburg besichtigte ihn mehrmals, machte Zusagen, aber laut Kleiner ohne schriftlichen Vertrag.

Ende 2017 soll der Kreis keinen Bedarf mehr gesehen haben. Die Hoteliers blieben auf den Kosten sitzen und befinden sich heute in einem Rechtsstreit mit dem Landkreis. Der will sich auf Anfrage nicht zu dem laufenden Verfahren äußern.

Vorbild für andere Hotelbetreiber

Doch das Hotel war bereits umgebaut. Als Unterkunft für Geflüchtete bietet es nicht die Standards eines touristischen Hotels, sodass die beiden begannen, vor allem Monteure unterzubringen.

"Für mich ist es selbstverständlich, anderen in Not zu helfen", sagt Erdoğan. Denn genug Hotels seien noch für Handwerker und Geschäftsreisende geöffnet. "Der finanzielle und organisatorische Aufwand wäre von den Hotels allein nicht tragbar", sagt hingegen der hessische Hotelverband Dehoga.

Vergangenes Silvester verteilte der Hotelier Hunderte Essen zusammen mit der Frankfurter Organisation "Hand in Hand". Nun arbeiten er und sein Geschäftspartner Kleiner mit Sayda Raschida Bouaanzie von "Gemeinsam stark" zusammen, die Obdachlose von der Straße holt. Sie rief bei den beiden an und bat, vier Obdachlose aufzunehmen. In naher Zukunft sollen noch fünf weitere in ihrem anderen Hotel unterkommen.

Mittlerweile hat auch die Stadt Frankfurt von dem engagierten Hotelbetrieb gehört. Anfang März sind die Besitzer ins Büro des Oberbürgermeisters Peter Feldmann (SPD) geladen. Sie sollen von ihren Erfahrungen berichten und sich mit anderen Hoteliers austauschen. Ziel ist es unter anderem, dass beim nächsten Kälteeinbruch mehr Obdachlose Unterkunft finden.

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