Tageslichtlampen:Sonne per Knopfdruck

Tageslichtlampen: Tageslichtlampen sind besonders seit Beginn der Pandemie beliebt. (Symbolfoto).

Tageslichtlampen sind besonders seit Beginn der Pandemie beliebt. (Symbolfoto).

(Foto: Photo and Co/Getty Images)

Tageslichtlampen sind gefragt wie noch nie. Wirken die künstlichen Mini-Sonnen wirklich positiv aufs Gemüt?

Von Titus Arnu

Jeden Morgen, wenn der Wecker läutet, schaltet Johanna Böck als Erstes die Lampe an, die neben ihrem Bett steht. Die Sonne geht bei ihr per Knopfdruck auf. Sie hält die Lampe mit beiden Händen vor ihr Gesicht, wie ein Buch, und lässt sich bestrahlen. Während sie langsam aufwacht, spürt sie die Wirkung des intensiven Lichts: "Die Lampe strahlt hell, die Haut erwärmt sich - und ich starte energiegeladen in den Tag."

Johanna Böck arbeitet gerade an ihrer Promotion im Fach Psychologie in Berlin, während der vergangenen Monate saß sie noch mehr zu Hause am Schreibtisch als sonst. Graue Tage können einem aufs Gemüt schlagen, besonders in Berlin, besonders während des Lockdowns. Sie fühlte sich oft müde und unmotiviert, nahm Vitamin-D-Tabletten ein und besorgte sich einen Lichtwecker. Dies brachte aber nicht die gewünschte Wirkung. Kurz nach Weihnachten kaufte ihr Freund eine Tageslichtlampe, eine Art Mini-Flutlicht mit einer Stärke von 10 000 Lux. Jeden Morgen ließen sich beide eine halbe Stunde lang damit bestrahlen. Die Bilanz nach dem Winter: Auf die Psyche wirkt das erhellend. "Ich bin weniger müde, habe mehr Energie, bin besser gelaunt und motivierter", sagt Böck.

Fehlende soziale Kontakte, wirtschaftliche Unsicherheit, keine Reisepläne - trübe Gesamtaussichten können auch individuell trübe Gedanken auslösen. Am Ende des Corona-Winters sehnt sich jeder nach einem Licht am Ende des Tunnels. Manche greifen deshalb zu einem technischen Trick und simulieren dieses Licht einfach in der eigenen Wohnung. Tageslichtlampen sind derzeit gefragt wie nie. Diese starken, extrem hellen Leuchten ahmen das Lichtspektrum der Sonne nach. Die künstliche Mini-Sonne soll biochemische Prozesse auslösen, die stimmungsaufhellend wirken.

Intensives Sonnenlicht regt den Körper dazu an, verstärkt Serotonin auszuschütten und geringere Mengen an Melatonin zu produzieren. An einem strahlend schönen Sommertag erzeugt die Sonne im Freien bis zu 100 000 Lux, an einem dunklen Wintertag werden nur 3000 bis 5000 Lux gemessen. In Innenräumen ist es an trüben Tagen meist durchgehend schummrig, selbst bei normaler Beleuchtung. Lichtstärken von 500 bis 600 Lux reichen für die körpereigene Serotoninproduktion nicht aus. Professionelle Lichttherapiegeräte verwenden ein Tageslichtspektrum mit einer Stärke von mindestens 10 000 Lux. Vor der Anschaffung einer so starken Lampe sollte man sich vom Augenarzt beraten lassen, bei Erkrankungen wie grüner Star und Netzhautablösung ist Vorsicht geboten.

Während der Bestrahlung kann man dösen, lesen, telefonieren oder frühstücken

Eine Selbstbehandlung mit solchen Lampen ist einfach und effektiv. Man setzt sich mit offenen Augen vor die Lichtquelle, die etwa so groß ist wie ein Computermonitor. Während der Bestrahlung kann man dösen, lesen, telefonieren oder frühstücken. Erste Verbesserungen der Symptome seien bereits nach wenigen Tagen spürbar gewesen, berichtet Johanna Böck. Die Wirksamkeit der Lichttherapie ist wissenschaftlich belegt, eine Studie der University of British Columbia zeigt, dass die Bestrahlung mit künstlichem Sonnenlicht einen Effekt auch bei Menschen hat, die nicht unter einer klinisch diagnostizierten Depression leiden. Die Lichttherapie bei saisonal depressiver Störung sei "tendenziell positiv", zeigt auch eine Studie der Uniklinik Mainz. Kosten für eine therapeutische Leuchte übernehmen gesetzliche Krankenversicherungen dennoch in den meisten Fällen nicht.

Auch bei Patienten mit massiven Schlafstörungen setzen Therapeuten mit Erfolg Lichtduschen ein. Allerdings müsse man in solchen Fällen erst herausfinden, ob es körperliche Ursachen für die Schlafprobleme gibt, sagt Engelbert Fuchtmann, Diplom-Ingenieur und emeritierter Professor für Psychologie an der Fachhochschule München: "Bei Leuten, die gar nicht mehr aus dem Bett kommen, kann man versuchen, den Biorhythmus durch Lichttherapie zu beeinflussen."

Grundsätzlich seien gesunde Menschen aber durchaus in der Lage, mit jahreszeitlich und täglich wechselnden Lichtverhältnissen klarzukommen, sagt Fuchtmann. Der Biorhythmus passe sich den Gegebenheiten eigentlich dementsprechend an, ohne dass man unbedingt mit Tabletten und Tageslichtlampen nachhelfen müsse. Es erfordere eben etwas Disziplin, um den gewohnten Tagesablauf beizubehalten und schon in den Tag zu starten, wenn es draußen noch dunkel ist. Psychologe Fuchtmann rät dazu, "möglichst den üblichen Tages- Nachtrhythmus beizubehalten und nicht zu verschlumpen", wie er es ausdrückt.

"Die Psyche wird allein durch Licht nicht verändert"

Die Verschlumpungsgefahr hängt allerdings eng mit der jahreszeitlichen und coronabedingten Verdunkelung des Gemüts zusammen. Wenn man vom Bett aus Video-Konferenzen führen kann, in der Jogginghose am Schreibtisch sitzt und sein gesamtes Arbeits- und Sozialleben bequem digital von zu Hause aus abwickeln kann, macht sich möglicherweise eine gewisse Wurstigkeit breit. "Eine Lichtdusche alleine hilft dagegen nicht", sagt Engelbert Fuchtmann, "die Psyche wird allein durch Licht nicht verändert." Bei ernsthaften Depressionen kann eine Lampe keine Lösung sein und die professionelle Therapie nicht ersetzen, höchstens ergänzen.

Fuchtmann rät zu einem altbewährten Mittel gegen die Verschlumpung: "Rausgehen, frische Luft, Bewegung." Wer es schafft, jeden Tag eine Stunde spazieren zu gehen, bekomme selbst bei bewölktem Himmel genug Licht ab. Die Tageslichtlampe kann zusätzlich das Wohlbefinden erhöhen und die Motivation steigern, positiv in den Tag zu starten.

Genau so empfindet es Johanna Böck auch. Zusätzlich zur Lichtdusche geht sie möglichst einmal pro Tag raus, zusätzlich macht sie Yoga- und Fitnessübungen mit Online-Anleitung. Die künstliche Sonne am Morgen ist kein Zaubermittel, aber sie spendet Energie. "Der Start in den Tag fällt mir leichter", sagt sie, "auch wenn alles Placebo wäre, tut es mir einfach gut."

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