Bayerisches Nationalmuseum:Mord am Prediger

Die Ausstellung "Kunst und Kapitalverbrechen"

Von Evelyn Vogel

Es war eine Tat, die ihn beinahe den Kopf gekostet hätte. Im Jahr 1502 fälschte der zu jener Zeit in Nürnberg lebende Bildhauer Veit Stoß einen Schuldschein, um zu seinem Geld zu kommen, das er zuvor bei einem geradezu frühkapitalistischen Anlagebetrug verloren hatte. Doch die Fälschung flog auf, Stoß wanderte in den Kerker und ihm drohte wegen dieses Kapitalverbrechens sogar die Enthauptung. Prominente Fürsprecher setzten sich für den Künstler ein, der in Krakau und Nürnberg bedeutsame Altäre, Grabmale und Skulpturen geschaffen hatte. So wurde die Strafe in eine Brandmarkung umgewandelt. "Am 4. Dezember 1503 durchstach ihm der Henker beide Wangen mit einem glühenden Eisen. Stoß war damit für jedermann sichtbar geächtet."

Sehr anschaulich schildert der Wandtext in der Ausstellung zu "Kunst & Kapitalverbrechen: Veit Stoß, Tilman Riemenschneider und der Münnerstädter Altar" im Bayerischen Nationalmuseum diesen Tatbestand. Und zeigt auch allerlei Folterwerkzeuge - von Daumen- und Beinschrauben über eine Mundspreizbirne bis hin zu Brandeisen, und einigen furchteinflößenden Hinrichtungsschwertern.

Aber natürlich geht es dem Museum im Kern nicht um das Kapitalverbrechen. Wenngleich die Geschichte zu erzählen notwendig ist, um zu verstehen, wie es kam, dass der Bildhauer von Nürnberg nach Münnerstadt floh und dort eines seiner wichtigsten Werke schuf, sowie vom Bildhauer zum Maler und Kupferstecher avanciert. In Münnerstadt nämlich bemalte Stoß 1504 die Flügel des Altars in der Stadtpfarrkirche St. Maria Magdalena. Sanierungsarbeiten ist es zu verdanken, dass die dort verbliebenen Teile des Hochaltarretabels nun in München ausgestellt werden können.

Bayerisches Nationalmuseum München - Ausstellung

Kilian wird vom Koch und vom Kastellan ermordet. Eine der vier Tafeln vom Münnerstädter Altar.

(Foto: Kirchenstiftung St. Maria Magdalena, Münnerstadt/Benjamin Brückner)

Geschaffen hat den Altar selbst kein Geringerer als der berühmte Bildschnitzer Tilman Riemenschneider im Jahr 1490/92. Der ist geradezu einer der Säulenheiligen des Bayerischen Nationalmuseums. Nun werden seine "Entrückung der hl. Maria Magdalena", weitere Skulpturen und die vier Reliefs von den Innenseiten der beiden Schreinflügel des Münnerstädter Altars in der Sonderausstellung zusammen gezeigt. Sie sind es, die zur Linken die Besucher empfangen. Über einen Raum mit der Visualisierung des vollständigen Altars geht es weiter zu einem Kapitel, das Veit Stoß als Bildhauer thematisiert und den Volckamer Epitaph zeigt - grandios ausdrucksstarke Gesichter. Seinem Wirken als Kupferstecher ist ein weiteres Kapitel gewidmet. Es zeigt sehr lebensnahe Darstellungen von Heiligen-Martyrien. Die persönlichen Erfahrungen mit Kerker und Brandmarkung hatten offensichtlich tiefe Wunden in der Seele des Künstlers hinterlassen.

Erst im letzten Kapitel gelangt die Ausstellung zum eigentlichen Thema: Veit Stoß als Maler, der den äußeren Schreinflügeln des Münnerstädter Altars zu Farbe - und einer mordlustigen Szene verhalf. Sie gilt als seine einzige malerische Arbeit. Farbenprächtig schildern die dargestellten Szenen die Legende des Frankenapostels Kilian. Auf der ersten Tafel hält er Herzog Gozbert und seiner nicht legitim angetrauten Gemahlin Gailana eine Mahnpredigt. Herrlich, mit welch gelangweiltem Gesichtsausdruck Gailana den Moralapostel abstraft. Auf der zweiten Tafel ist zu sehen, wie die Herzogin den Koch (sehr drollig mit Kochlöffel und Hutputz) und den Kastellan (erkennbar am Schlüsselbund und der Geldbörse) beauftragt, Kilian zu ermorden. Es folgt das martialische Massaker an dem Prediger und seinen Begleitern, das - wie Tafel vier zeigt - die Täter nicht lange überleben: Der Kastellan rammt sich das Schwert in den Leib, der Koch zerfleischt sich und Gailana wird von bösen Dämonen heimgeholt. Was für eine blutrünstige Geschichte! Und das in der Kirche, auf dem Altar! Klar, wie die Gläubigen damals darauf reagierten: mit der gewünschten Abscheu und Furcht.

Bayerisches Nationalmuseum München - Ausstellung

Gelangweilt verfolgt die Herzogin die Moralpredigt von Kilian vor dem Mord.

(Foto: Kirchenstiftung St. Maria Magdalena, Münnerstadt/Benjamin Brückner)

Ergänzt wird die Ausstellung von weiteren Exponaten rund um die Kilianslegende. Etwa von Bildwerken des Bamberger Meisters Wolfgang Katzheimer, dessen Darstellung Veit Stoß in Teilen inspiriert haben soll. Außerdem werden auch einige Alltagsgegenstände aus jener Zeit Bildausschnitten gegenübergestellt, die belegen, wie nah am Leben Veit Stoß seine Werke gestaltete. Ringe an den Händen des Herzogpaars, Schlüsselbünde und Geldbörsen, Schuhe und Kannen bis hin zum Kochlöffel, den der Koch in Händen hält, während er zum Auftragsmord angeheuert wird, sind zu sehen. Eine kleine, feine Ausstellung, die eine aufregende Geschichte erzählt. Man muss nur richtig hinschauen.

Kunst & Kapitalverbrechen: Veit Stoß, Tilman Riemenschneider und der Münnerstädter Altar, Bayerisches Nationalmuseum, Prinzregentenstr. 3, bis voraussichtlich 2. Mai. Der schwergewichtige, bildreiche Katalog kostet im Museum 29 Euro

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