Agrarpolitik:Milliarden unterm Pflug

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Ein Landwirt sät Sommergerste (Foto: Philipp Schulze/dpa)

Die Förderung der Landwirtschaft sollte eigentlich ökologischer werden. Doch von einem großen Wandel sind die bisherigen Vorschläge weit entfernt. Das sorgt für Streit bis in die Regierung.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Wie sich die deutsche Landwirtschaft in den nächsten Jahren entwickelt, entscheidet sich an Prozentpunkten. Wie viel Prozent der Milliardenhilfen fließen in Umweltleistungen der Landwirte? Wie viel Prozent gehen direkt an Bauern, und wie viel in den ländlichen Raum? Über diese Zahlen entbrennt gerade heftiger Streit, innerhalb der Bundesregierung, aber auch zwischen den Ländern.

Es geht um viel Geld und die Frage: Soll Deutschland die mehr als sechs Milliarden Euro an EU-Agrarsubventionen nutzen, um viel mehr Dienste für die Natur zu belohnen? Oder bleibt es bei einigen kosmetischen Änderungen, die Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) dann als "Systemwechsel" deklariert?

Im Milliardenspiel mit den Agrarsubventionen hatten die Mitgliedstaaten schon lange nicht mehr so viel Freiheit wie jetzt. Für die Zeit nach 2023 sollen die Gelder neu verteilt werden, die Spielregeln aber können die Staaten selbst bestimmen. Die EU setzt nur den groben Rahmen und will die "nationalen Strategiepläne" hinterher prüfen. Zwischen grünem Umbau und Weiter-so ist alles drin. Und in Deutschland, so fürchten Umweltschützer, spricht viel für Letzteres.

Kein großes Plus für einen "Systemwechsel"

Einen ersten Aufschlag hatte Klöckner Anfang des Monats gemacht. Von den Direkthilfen, die jeder Landwirt abhängig von der Fläche bekommt, sollten demnach 20 Prozent für vorab definierte Umweltleistungen fließen. Wer Blühstreifen anlegt oder besonders vielfältige Kulturen anbaut, bekäme so etwas extra. Doch diese 20 Prozent sind nach derzeitiger Lage nur die Untergrenze im EU-Rahmen. Auch bei einer anderen Umschichtung im System blieb Klöckner zurückhaltend: In einen Topf für Umweltschutz und den ländlichen Raum sollen künftig nicht sechs, sondern acht Prozent aller Mittel fließen. Kein großes Plus für einen "Systemwechsel": Auch der Ökolandbau wird aus diesem Topf gefördert.

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Klöckner will ihren Plan schon in gut zehn Tagen durchs Kabinett bringen. Doch von Einvernehmen in der Regierung fehlt jede Spur. In allen Bereichen, so sagt es Umwelt-Staatssekretär Jochen Flasbarth, sei der Plan "absolut unzureichend". Der Streit setzt sich bei den Ländern fort. Acht Landwirtschaftsminister sind Grüne, die acht anderen gehören CDU, SPD, FDP und Linkspartei an. Und diese acht haben nun einen Brief an Klöckner geschrieben - in dem sie deren Idee für die Verteilung im Wesentlichen stützen.

Umweltschützer und Grüne sind entsetzt über den Vorstoß. "Wenn es so kommt, wird das den Umbau der Landwirtschaft nicht voranbringen, sondern ausbremsen", sagt Konstantin Kreiser, Agrarexperte beim Naturschutzbund Nabu. Noch deutlicher wird Grünen-Chef Robert Habeck, einst selbst Landwirtschaftsminister in Schleswig-Holstein. Die Pläne der acht Agrarminister seien "niederschmetternd", sagt er der Süddeutschen Zeitung. "Mit einer zukunftsfähigen Agrarpolitik hat das nichts zu tun."

Selbst konventionellen Betrieben falle die Agrarminister-Allianz in den Rücken, schließlich seien die Landwirte auf Zusatzmittel für Naturschutz, Extensivierung und Ökolandbau angewiesen. Die Hälfte der Agrargelder müssten an ökologische Kriterien gebunden werden, fordert der Grünen-Chef. Das wäre fast doppelt so viel wie Klöckner und den acht Länderministern vorschwebt.

Zumindest über den Bundesrat dürfte es aber für die Grünen schwer werden, den Lauf der Dinge zu ändern: Nach Auffassung von Juristen ist das Gesetzespaket so konstruiert, dass es - anders als sonst üblich - der Zustimmung der Länderkammer nicht bedarf.

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