Linksaußen:Die Mühen des Hermelins

Lesezeit: 3 min

Anpassungskünstler mit Klimaproblem: Das weiße Fell des Hermelins passt immer öfter nicht zur Winterlandschaft. (Foto: R. Mueller/Blickwinkel/Imago)

Die Anpassungsfähigkeit der Wiesel stößt im Klimawandel an ihre Grenzen - die der Sportvereine wird in den kommenden Wochen der Pandemie noch größer sein müssen.

Kolumne von Andreas Liebmann

Dem Hermelin ist kein Vorwurf zu machen, weder damals noch heute. Modische Extravaganzen sind ihm wesensfremd, es ging ihm immer nur darum, sich bestmöglich anzupassen und nicht aufzufallen. Dass es seit dem Mittelalter Kaiser, Könige, Fürsten und Päpste schick fanden, ihre Mäntel mit den weißen Fellen toter Wiesel zu behängen, war nicht seine Idee, und dass es dadurch zum Zeichen weltlicher und kirchlicher Macht wurde, auch nicht. (Jenes weiße Plüschjäckchen, in dem Leroy Sané einst durchaus auffiel, war übrigens kein Hermelin-Pelz, aber das nur am Rande.)

Das Hermelin jedenfalls ist im Prinzip ein Meister der Tarnung. Im hohen Norden ist sein Fell ganzjährig weiß, in wärmeren Gefilden überwiegend braun. Und hierzulande, wo es im Winter eigentlich schneit und im Sommer eher nicht, da trägt es in der kalten Jahreszeit ein weißes und ansonsten ein braunes Gewand.

Wer unlängst mal spazieren ging (was zu Corona-Zeiten vorkommen soll), könnte ein solches Wiesel beobachtet haben, allerdings eher als possierliches Sinnbild dafür, dass auch die größte Anpassungskunst an Grenzen stößt. Denn Schnee ist selten geworden, das hat das Fell des Hermelins aber noch nicht nachvollzogen. Weshalb man auf vielen oberbayerischen Wiesen schneeweiße, zur Hektik neigende Tiere beobachten konnte, die aussahen wie Albino-Erdmännchen und so hell strahlten, dass selbst der kurzsichtigste Mäusebussard sie entdecken musste. Hermeline sind eben keine Tintenfische. Diese könnten sehr viel schneller ihre Farbe wechseln, liegen aber seltener auf oberbayerischen Wiesen herum (und sähen an Mänteln vermutlich seltsam aus).

Tagesaktuelle Corona-Schnelltests vor jedem Training? Das stellt sogar Bundesligaklubs vor Herausforderungen

Man kann von einem Hermelin auch kaum erwarten, dass es sich beim ersten Schneefall selbst das braune Fell über die Ohren zieht und flugs ein weißes überstreift, um diesen Fellwechsel wenige Taustunden später umgekehrt zu vollziehen. Kunststücke dieser Art könnten in den nächsten Wochen jedoch auf sehr viele Sportvereine in sehr vielen Sportarten zukommen. Denn nach den aktuellen Vorgaben der Politik dürfte ihnen künftig allergrößte Flexibilität abverlangt werden.

Masken, Listen, Fieberthermometer, Desinfektionsmittel - und künftig noch mehr Schnelltests: So sieht es bei Grafings Volleyballern (hier Manager Johannes Oswald) zurzeit aus. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Zum besseren Verständnis verschickte etwa der Deutsche Fußball-Bund kürzlich eine Tabelle. Darin sieht man auf einen Blick, was seit 8. März gilt (länderspezifische Alleingänge ausgenommen), was möglicherweise ab 22. März (zweiter Öffnungsschritt) und was vielleicht ab 5. April - jeweils abhängig von der aktuellen Landkreis-Inzidenz. So darf ein 14-jähriger Fußballer zurzeit in einer Gruppe mit 20 Kindern unter freiem Himmel mit Kontakten trainieren. Sollte er während des Trainings 15 werden, dann allerdings bitte ohne Kontakte in einer Zehnergruppe - vorausgesetzt, die Sieben-Tage-Inzidenz liegt unter 50. Zwischen 50 und 100: nur in Zweiergruppen.

Im zweiten Öffnungsschritt dürfte er drinnen wie draußen alles machen, sofern die Inzidenz unter 50 bleibt (was man wohl längst ausschließen kann, aber auch das nur am Rande). Bei Inzidenzen zwischen 50 und 100 darf er draußen frei üben, vor wie nach seinem Geburtstag, drinnen aber nur kontaktfrei. Ist er 15, braucht er drinnen wie draußen zudem einen tagesaktuellen Corona-Schnelltest. Übersichtlich wird es erst, wenn die Inzidenz drei Tage lang über 100 liegt - denn dann war es das erst mal wieder. Zack, zurück ins Loch. Und für Hallensport wäre es natürlich eine weitere Voraussetzung, dass auch die Kommunen flexibel sind und Hallen öffnen, sobald es erlaubt ist.

So viel Bewegung, wie die Gefährdungslage es zulässt - das wollen auch die Vereine ihren Mitgliedern bieten

Schon allein der Haken mit tagesaktuellen Corona-Tests ist groß - und das nicht mal nur im Nachwuchs- und Amateursport, um den es nun geht. So wollen Grafings Zweitliga-Volleyballer zum Beispiel künftig aus eigenem Antrieb häufiger testen, nicht nur vor Spielen, sondern auch im Training. Für die Sicherheit der Spieler und ihrer Familien, wie sie mitteilen. Weil alles unklar sei mit kostenlosen Testangeboten, bitten sie um Spenden.

Das Hermelin übrigens ist natürlich nicht dämlich, es weiß genau, wenn es schneeweiß durch eine Gegend wieselt, die blöderweise grün ist. Weil es weder das eine noch das andere zu ändern vermag, bleibt es in unklarer Gefährdungslage nah am Bau, es hüpft mal panisch ins eine, mal ins andere Loch, späht, prüft, raus und - zack - gleich wieder rein. Für Beobachter sieht das witzig aus, ist aber sicherlich anstrengend. Immerhin bleibt es so in Bewegung, statt in seinem Unterschlupf zu veröden. Und das wollen die Vereine ihren Mitgliedern natürlich auch allzu gerne wieder ermöglichen. Vielleicht wird es für alle im Sommer leichter.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: