Assad:Das Elend in Syrien bekämpfen

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Seit zehn Jahren tobt der Syrienkonflikt: Baschar al-Assad hat sein eigenes Land zerstört und so seine Macht gesichert. Es ist an der Zeit, dass der Westen endlich entschlossener eingreift.

Von Moritz Baumstieger

Als vergangene Woche bekannt wurde, dass Baschar al-Assad mit Covid infiziert sein soll, wünschten Oppositionsanhänger dem Virus viel Kraft. "Corona, du musst jetzt stark sein", schrieben sie im Netz: Die Doppeldeutigkeit war beabsichtigt, dass sie das Virus trösteten, welches nun einige Zeit mit dem Diktator aushalten muss - und dass sie Assad zugleich einen schweren Verlauf an den Hals wünschten.

Seine Anhänger posteten hingegen eine Grafik, die sie seit Jahren nutzen: Ein lachender Assad ist umgeben von Politikern, die seine Ablösung forderten: Obama, Sarkozy, Cameron, Hollande, May, Trump - alle sind Geschichte, Assad ist weiter im Amt. Das Covid-Virus wird als Nächster eingeführt, den der "Assad-Fluch" treffen wird. Der 55-jährige Herrscher feierte gerade sein Jubiläum von zwanzig Jahren im Amt und kann nun in Quarantäne überlegen, ob er die für 2021 geplanten Wahlen mit 89 oder 98 Prozent gewinnen will.

An diesem Montag jährt sich zum zehnten Mal, dass Syrer in Damaskus auf die Straße gingen, um nach Wandel zu rufen. Assad hatte an jenem 15. März 2011 die Wahl zwischen Reformen und Gewalt - und entschied sich für Letztere. Ganze Stadtviertel wurden zerbombt, das Regime setzte Fassbomben und Chemiewaffen ein. Die Hälfte der Syrer, zwölf Millionen, musste fliehen, Zehntausende verschwanden in Folterknästen. Die Verbrechen beging Assad vor den Augen der Welt - erfahrene Strafermittler sagen, dass gegen ihn mehr Beweise vorlägen als gegen jeden Verurteilten der Nürnberger Prozesse. Dennoch kommt die internationale Gemeinschaft nicht an den linkisch wirkenden Mann mit dem Schnauzbart heran.

Die USA und Europa müssen den Diktator zu Änderungen zwingen

Dem Westen fällt nicht mehr ein, als strenge Sanktionen aufrechtzuerhalten. Die Hoffnung, dass Assad deshalb sein Verhalten ändert, wird bis heute von nichts unterfüttert. Während wenige am Krieg verdienen, leben nun fast 90 Prozent der Syrer unter der Armutsgrenze. Assad verweigert jedoch weiter Gespräche über Reformen - warum auch, Russland und Iran schützen ihn.

Um Veränderungen zu erzwingen, müsste der Assad-kritische Teil der Welt Zwang auf Moskau und Teheran ausüben - aber das klappt schon bei direkten Konflikten mit Putins Autokratie oder dem Mullah-Regime nicht. Aus dieser festgefahrenen Lage deshalb den Schluss zu ziehen, dass der syrischen Bevölkerung am meisten geholfen wäre, wenn die Beziehungen zu Assad normalisiert und die Sanktionen aufgehoben würden, wäre fatal. Assad zöge den Schluss: Er bekommt den Wiederaufbau der Wohnviertel auch noch bezahlt, die er zum eigenen Machterhalt in Schutt legen ließ.

Anstatt der Katastrophe weiter hilflos zuzusehen, sollten Europa, die USA und andere wieder Initiativen entwickeln. Sie könnten beginnen, dem Regime begrenzte, aber konkrete Angebote zu machen: Weizen etwa für die Aufklärung der Schicksale der Verschwundenen, Medikamente für die Freilassung von Gefangenen, während Sanktionen auf Rüstungsgüter und gegen regimenahe Mafiosi weiterbestehen. Ohne Frage wäre das ein heikles Unterfangen - bislang wusste Assad Hilfe aus dem Ausland so zu kanalisieren, dass sie letztlich vor allem ihm nutzte.

Die Alternative ist jedoch, dass das Elend weitergeht, bis der Hunger jene dahingerafft hat, die den Krieg überlebten. Und dass auf der Grafik mit dem Assad-Fluch, mit der Regimetreue die Widerstandsfähigkeit des Diktators feiern, neben dem Coronavirus irgendwann auch Merkel, Biden und Macron ausgestrichen sind.

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