Cum-Ex-Steuerskandal:Geldwaschmaschine

Zeuge im ´Cum-Ex"-Prozess: Der Staat selbst förderte Steuerdeals

Bankenskyline in Frankfurt. Geldwäsche kann in Deutschland mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft werden.

(Foto: Boris Roessler/picture alliance/dpa)

Ein Brite in Dubai ist im Cum-Ex-Steuerskandal angeklagt. Es geht um 500 Millionen Euro.

Von Klaus Ott und Jan Willmroth, Hamburg, München

Sanjay Shah, geboren 1970 in London, britischer Staatsbürger, verheiratet, wohnhaft in Dubai, nicht vorbestraft. So beginnt eine aktuelle Anklage der Staatsanwaltschaft Hamburg im Cum-Ex-Steuerskandal. Eine Anklage, die in dieser Dimension selten vorkommt. Shah und sechs weitere Angeschuldigte aus Dubai und London sollen in Deutschland mehr als eine halbe Milliarde Euro schmutziges Geld aus kriminellen Geschäften gewaschen und so in angeblich sauberes Vermögen verwandelt haben. So steht es nach Informationen von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR in der Anklage. Geldwäsche kann in Deutschland mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft werden. Die vielen Millionen Euro sollen aus Steuerbetrügereien vor allem in Dänemark stammen. Dort wird Shah vorgeworfen, den Fiskus mit illegalen Aktiendeals um rund 1,2 Milliarden Euro erleichtert zu haben. Auch in Dänemark liegt eine Anklage gegen ihn vor. Shah bestreitet alle Vorwürfe.

Mutmaßlicher Steuerbetrug in Milliardenhöhe mit Cum-Ex-Aktiendeals und zwei dicke Anklagen gegen den schillernden Geschäftsmann, dem teure Immobilien auf der berühmten Palmeninsel in Dubai gehört haben oder vielleicht immer noch gehören, und der zwischendurch auch mal ein Konzert mit dem Weltstar Prince organisiert hat: Der Verdachtsfall Sanjay Shah ragt selbst bei Cum-Ex noch heraus, einem der national wie international größten Steuerskandale. Zahlreiche Banken, darunter namhafte Geldinstitute, und gerissene Börsenhändler haben viele Jahre lang mit dubiosen Börsendeals Staatskassen geplündert. Sie ließen sich beim Handel von Aktien mit (Cum) und ohne (Ex) Dividende eine nur einmal gezahlte Steuer auf Dividendenerlöse vom trickreich getäuschten Fiskus mehrmals erstatten. Die Beute in Deutschland, Dänemark und etlichen anderen Staaten wird auf insgesamt mehrere zehn Milliarden Euro geschätzt.

"Wir haben nur Marktopportunitäten ausgenutzt."

Einer der größten mutmaßlichen Profiteure soll ebenjener Sanjay Shah gewesen sein, dem die Staatsanwaltschaft Hamburg jetzt zahlreiche Geldwäschedelikte zur Last legt. Shahs deutscher Strafverteidiger verwies am Sonntag auf Anfrage auf die bisherigen Stellungnahmen seines Mandanten, die weiter gelten würden. Der 50-jährige Brite, der in Dubai lebt, weist seit Jahren alle Vorwürfe zurück. Er habe nicht gegen Gesetze verstoßen. "Wir haben nichts Illegales gemacht, wir haben nur Marktopportunitäten ausgenutzt", sagte Shah einer dänischen Börsenzeitung. Die dänischen Ankläger und die Hamburger Staatsanwaltschaft sehen das anders. Wer am Ende recht bekommt, bleibt abzuwarten.

Shah war einst Wirtschaftsprüfer und wurde später als Banker Experte für Cum-Ex-Deals, bevor er sich mit den Hedgefonds Solo Capital und Elysium Global selbständig machte. Er und zahlreiche weitere Verdächtige sollen nach Erkenntnissen von Fahndern ein System entworfen haben, mit dem sie die Steuerprivilegien amerikanischer Ein-Personen-Pensionsfonds missbrauchten. In diesen können US-Bürger für die private Altersvorsorge sparen. Einbehaltene Steuern auf Dividenden zahlen ihnen sowohl der dänische als auch der belgische Fiskus auf Antrag zurück.

Diese Konstruktion beschreibt die Staatsanwaltschaft Hamburg in ihrer Anklage im Detail. Die Hamburger Ermittler gehen davon aus, dass Shah und dessen Kompagnons den Fiskus in Dänemark und auch in Belgien in mehr als 2000 einzelnen Fällen mit zu Unrecht erlangten Steuererstattungen betrogen hätten. Ein erheblicher Teil des Geldes sei dann in Deutschland gewaschen worden. Mit Erlösen aus den mutmaßlichen Betrugstaten habe Shah teils über Strohmänner Mitte des vergangenen Jahrzehnts die Aktienmehrheit der Bank Varengold in Hamburg erworben. Shah und dessen Partner hätten Varengold benutzt, um Erlöse aus dem mutmaßlichen Steuerbetrug in Dänemark und Belgien vermeintlich sicher zu deponieren.

In der Anklage steht, mit vielen Überweisungen über Landesgrenzen und über verschiedene Banken habe die Herkunft des Geldes verschleiert werden sollen. Dass Shah damals Varengold kontrolliert habe, das habe ihm die Abwicklung des illegalen Zahlungsverkehrs erleichtert. Die Staatsanwaltschaft listet bei Shah 55 Fälle von mutmaßlicher Geldwäsche in Deutschland von 2011 bis 2015 auf. Vieles davon, aber längst nicht alles soll über Varengold gelaufen sein. Auch eine britische Bank wird genannt. Allein von dort habe Shah fast 620 Millionen Euro an zwei seiner Firmen weitergeleitet.

Die Bank Varengold, dort ist Shah seit Jahren wieder draußen, äußerte sich auf Anfrage nicht zu der Anklage gegen Shah und dessen Geldtransfers. Die Anklage richtet sich nicht gegen heutige Varengold-Verantwortliche. Varengold wird in der Anklage auch nicht bei den 16 Personen und Firmen genannt, deren Vermögen eingezogen werden soll, um den mutmaßlichen Steuerschaden zu beheben. Shah wiederum weist alle Vorwürfe zurück, angeblich soll es ihm finanziell nicht mehr so gut gehen. Das Handelsblatt zitierte Anfang 2021 einen Sprecher von Shah mit den Worten, dieser habe "einen winzigen Geldbetrag für die Bedürfnisse der Familie zur Verfügung. Es ist kaum genug".

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