Infrastrukturprojekte:142 Enteignungsverfahren für den Straßenbau

Asphaltdecke für letztes A14-Teilstück zwischen Wismar und Schwerin

Derzeit laufen 142 Enteignungsverfahren gegen Eigentümer, die sich nicht freiwillig von Grund und Boden trennen wollen, die laut Regierung für den Straßenbau benötigt werden.

(Foto: Z1017 Bernd Wüstneck/dpa)

In Deutschland wird seit Monaten darüber gestritten, ob es überhaupt neue Straßenbauprojekte geben soll. Die Enteignungen für den Straßenbau gehen nach neuen Zahlen der Regierung fast ungebremst weiter.

Von Markus Balser, Berlin

Die monatelangen Proteste gegen den Weiterbau der umstrittenen A49 in Hessen machten zuletzt klar, wie heftig in Deutschland angesichts des Klimawandels um den Neubau von Fernstraßen gerungen wird. Nun zeigen neue Zahlen der Bundesregierung, dass die Politik beim Infrastrukturbau häufig Landeigentümer enteignen muss.

Laut Bundesverkehrsministerium laufen im Zusammenhang mit dem Bau von Autobahnen und Bundesstraßen in Deutschland derzeit 142 Enteignungsverfahren gegen Eigentümer, die sich nicht freiwillig von Grund und Boden trennen wollen. Das geht aus der Antwort des Bundesverkehrsministeriums auf eine Anfrage des Grünen-Bundestagsabgeordneten Sven-Christian Kindler hervor.

43 neue Verfahren sind geplant

Besonders häufig sollen Eigentümer in in Sachsen (28 Verfahren) und Sachsen-Anhalt (23 Verfahren) enteignet werden. Dort gibt es den meisten Streit, weil es dort auch die meisten aktuellen neuen Straßenbauprojekte gibt. Auch in Brandenburg (18) und in Bayern (16) sind die Zahlen hoch. Insgesamt gab es nach Angaben der Bundesregierung seit 2010 rund 420 abgeschlossene Enteignungsverfahren. Ein Ende der Streitereien mit Eigentümern ist nicht in Sicht. Bis 2024 sind 43 weitere Verfahren geplant.

Es geht um Fälle, die mit dem Paragraphen 19 des Bundesfernstraßengesetzes begründet werden. Danach sind Enteignungen zulässig, wenn sie "zur Ausführung eines festgestellten oder genehmigten Bauvorhabens" als notwendig erachtet werden und laut Artikel 14 des Grundgesetzes zum Wohle der Allgemeinheit sind. Dem Verkehrsministerium zufolge sind Enteignungen zwar die Ausnahme. Mehr als 95 Prozent der benötigten Flächen für den Straßenbau würden um Verkehrswert von den betroffenen Grundstückseigentümern einfach per Kaufvertrage erworben. Immerhin fünf Prozent der Fälle aber lassen sich so nicht lösen. Die Entschädigungen richte sich dann nach dem Verkehrswert des Grundstücks, heißt es aus dem Ministerium.

Opposition: Deutschland brauche keine neuen Straßen

In der Opposition stoßen die hohen Zahlen bei Enteignungen auf scharfe Kritik. "Für neue, überflüssige Straßen werden im Auftrag des CSU-Verkehrsministeriums reihenweise Bauern, Mittelständler und Privatleute enteignet", klagt Sven-Christian Kindler, haushaltspolitischer Sprecher der Grünen Bundestagsfraktion. Dabei brauche Deutschland in Zeiten der Klimakrise und angesichts eines der dichtesten Straßennetze der Welt keine neuen Straßen mehr. "Die Bundesregierung sollte alle Enteignungsverfahren schleunigst beenden. Für den Bau neuer Autobahnen sollte in Deutschland niemand mehr enteignet werden", fordert Kindler.

Der Eigentümerverband Haus & Grund mahnte ebenfalls zur Zurückhaltung. Enteignung könne immer nur das letzte Mittel sein, sagte ein Verbandssprecher. Auch in anderen Bereichen sind Enteignungen umstritten. In Berlin sammelt eine Bürgerinitiative derzeit Stimmen für einen Volksentscheid, um 240 000 Wohnungen von Immobilienkonzernen zu enteignen. Union und FDP sind hier strikt dagegen.

Um den Neubau von Straßen hatte es in den vergangenen Monaten bereits heftige Diskussionen gegeben. Die Grünen-Spitze hatte im Herbst ein Moratorium für den Neubau von Autobahnen und Bundesstraßen im ganzen Land gefordert. Als "Autohasser" beschimpfte die FDP die Grünen-Fraktion gerade im Bundestag.

"Ein Straßenbau-Moratorium ist Gift für den Wirtschaftsstandort Deutschland und eine harte Attacke gegen die Mobilität", ereiferte sich CSU-Landesgruppen-Chef und Ex-Verkehrsminister Alexander Dobrindt. Und auch der aktuelle Bundesverkehrsminister wetterte: "Die Großstadt-Grünen verstehen nicht, was ganz Deutschland braucht", sagte Andreas Scheuer (CSU).

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