Null-Stern-Hotel in der Schweiz:Wie schläft es sich im Bunker?

In der Schweiz eröffnet ein unterirdisches Null-Stern-Hotel in einer fensterlosen Zivilschutzanlage. Ausgedacht haben sich das die Künstlerzwillinge Frank und Patrik Riklin.

Jochen Temsch

Mitten in der internationalen Finanzkrise kommt eine Sparidee aus der Schweiz: ein Null-Stern-Hotel, das Anfang 2009 im 4000-Einwohner-Dorf Sevelen in der Nähe von St. Gallen eröffnen soll (www.null-stern-hotel.ch). Die Gäste nächtigen unterirdisch in einem Betonbunker ohne Fenster. Dafür bezahlen sie umgerechnet zwischen sechs und 18 Euro. Das Konzept stammt von den Zwillingsbrüdern Frank und Patrik Riklin, die als Künstlerkollektiv Atelier für Sonderaufgaben auftreten. Die Fragen beantwortete Patrik Riklin.

Null-Stern-Hotel in der Schweiz: Die Künstlerzwillinge Frank und Patrik (r.) Riklin hatten eine total ernst gemeinte Kunstidee.

Die Künstlerzwillinge Frank und Patrik (r.) Riklin hatten eine total ernst gemeinte Kunstidee.

(Foto: Foto: Dave Brüllmann)

SZ: Meinen Sie es wirklich ernst?

Riklin: Todernst!

SZ: Oder ist das nur eine ironische Kunstaktion?

Riklin: Überhaupt nicht. Wir hatten den Auftrag der Gemeinde Sevelen, ihre leerstehende Zivilschutzanlage nutzbar zu machen. Ich ziehe den Hut vor der mutigen Entscheidung, diese Aufgabe Künstlern zu übertragen. Wir sind ja überhaupt nicht kompetent in der Hotelbranche - und genau das ist der Schlüssel zu unserem Erfolg. Wir können die Dinge aus einer ganz anderen Perspektive analysieren.

SZ: Das heißt zum Beispiel, Sie finden Betonwände hübsch?

Riklin: Dekoration wäre der Tod des "Null-Stern-Hotels". Damit würden wir den Charakter der Räume mit etwas Künstlichem überziehen. Wir wollen ja gerade zeigen, dass das hier eine Zivilschutzanlage ist. Das ist viel stärker und beeindruckender. Beim ersten Testbetrieb waren die Gäste übrigens erstaunt, wie gemütlich es sein kann. An einem Ort, den man nie im Leben betreten würde, macht ein schönes Bett viel aus.

SZ: Bieten Sie besondere Modelle?

Riklin: Insgesamt haben wir 54 Schlafplätze in vier Kategorien. Im Standardzimmer gibt es klassische Militärstockbetten - aber mit duftender Bettwäsche bezogen. Und die Luxus-Zimmer sind Plädoyers für Nostalgie: Hier stehen Jugendstil-Betten direkt vor nackten, teils von Soldaten zerritzten Wänden - ein kontrastreicher Anblick. Die Betten sind Dachbodenfunde der Einheimischen. So kommt Stimmung auf in der Gemeinde, sie ist der Betreiber des Hotels.

SZ: Wie funktioniert das?

Riklin: Die Arbeiten im Hotel werden von den Einwohnern in der Freizeit übernommen, etwa der Job des Hoteldirektors. Die Begrüßung der Gäste ist wichtig, das Flair des Hotels muss dabei gleich visualisiert werden. Aber es gibt keine Festanstellung. Das wäre absurd, denn dann würde man ja Geld ausgeben.

SZ: Hat sich schon jemand der Testschläfer beim Direktor beschwert - etwa über die laute Lüftung, die Dunkelheit?

Riklin: Da kann sich doch niemand beschweren. Es ist ein "Null-Stern-Hotel"! Wer sich beschweren will, muss im Dorfgasthof schlafen. Unser Hotel ist gerade deshalb gut, weil es schlechte Voraussetzungen künstlerisch positiv umkehrt.

SZ: Wie meinen Sie das?

Riklin: Wir machen aus Nöten Tugenden. Warmwasser ist knapp: Also wird per Glücksrad bestimmt, wer warm duschen darf. Es gibt keine Fenster: Dafür überträgt eine Live-Kamera Bilder von der Außenwelt auf einen Bildschirm.

SZ: Und wie reagiert die Außenwelt?

Riklin: Seit Tagen steht unser Telefon nicht mehr still. Wir hatten sogar Anfragen aus den USA, aus Japan, China und Vietnam. Das Dorf Sevelen hat daraufhin seine Website mit einer Begrüßung auf Englisch ergänzt.

SZ: Woher kommt dieses Interesse?

Riklin: Schon allein der Name zieht. Aber es gibt auch einen politischen Hintergrund: Viele fragen sich, ob die Armee überhaupt noch Sinn macht. Die Gemeinden beklagen ihre Pflicht, Bunker unterhalten zu müssen. Und dann ist da die Finanzkrise. Wir leisten einen Beitrag zum Aufatmen: Man kann für wenig Geld Urlaub machen, Banker können billige Seminare abhalten.

SZ: Eine unterirdische Zukunft.

Riklin: Der Hotelname ist bereits zum Markenschutz angemeldet. Wir wollen eine Kette gründen. Gemeinden mit Zivilschutzanlagen können sich bei uns um ein Zertifikat bewerben. Aber die Bunker müssen landschaftlich markant gelegen sein - etwa versteckt auf einem Hügel mit Blick auf den Vierwaldstättersee. Und innerhalb von 24 Stunden müssen die Hotels im Ernstfall kriegsfähig sein, das war die Bedingung des Militärs.

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