USA:"Er begann einfach zu schießen"

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Als der Täter den Supermarkt in Colorado stürmte, versteckten die Kundinnen und Kunden sich in Schränken oder hinter Regalen. (Foto: Chet Strange/Getty Images/AFP)

Ein Mann tötet in einem Supermarkt in Colorado zehn Menschen. Im ersten Corona-Jahr hatte es in den USA weniger solcher Angriffe gegeben, doch nun steigt die Zahl wieder.

Von Alan Cassidy

Wenn die US-Amerikaner davon reden, nach der Corona-Pandemie zur Normalität zurückzukehren, meinen sie damit dasselbe wie die Menschen anderswo auch: Familienfeiern, Restaurantbesuche, Urlaubsreisen. Doch gerade wird wieder auf schmerzhafte Weise deutlich, was in den USA leider ebenfalls viel zu oft zur Realität gehört: Angriffe mit Schusswaffen, bei denen viele Menschen getötet werden. Als während des langen Corona-Jahres das öffentliche Leben zurückgefahren wurde, sank auch die Zahl dieser Art tödlicher Angriffe, doch jetzt, wo sich das Land langsam öffnet, steigt sie wieder an. Am Montag kam eine weitere Tat hinzu: Ein Schütze tötete in einem Supermarkt im Bundesstaat Colorado zehn Menschen - die zweite Bluttat mit mehreren Toten binnen einer Woche.

Ereignet hat sie sich in Boulder, einer Stadt in den Rocky Mountains, nördlich von Denver. Noch sind viele Details ungeklärt. Nach allem, was bisher bekannt ist, betrat der Schütze um 14.30 Uhr den Supermarkt King Soopers. Laut Augenzeugen soll er bereits im Eingangsbereich erste Schüsse aus einem Gewehr abgefeuert haben. "Er kam einfach hinein und begann zu schießen", sagte ein Mann der Zeitung Denver Post. Ein anderer beschrieb, wie Kunden und Mitarbeiter sofort zu den Ausgängen im hinteren Teil des Gebäudes rannten: "Es wirkte, als hätten wir alle uns schon vorgestellt, dass wir einmal im Leben in einer solchen Situation landen würden."

Wer nicht flüchten konnte, versteckte sich im Inneren des Supermarkts. Ein Großvater erzählte dem lokalen TV-Sender 9News, dass er mit seinen Enkeln, die sich in einem Schrank im Gebäude eingeschlossen hatten, SMS hin- und herschrieb. Noch während die Tat im Gang war, stellte ein Augenzeuge einen Livestream auf Youtube. Darin war zu sehen, wie sich schwer bewaffnete Polizisten vor dem Supermarkt in Stellung brachten und sich mit einem Megafon an den Angreifer im Inneren wandten. Um 15.30 Uhr führten Polizisten einen Mann mit nacktem Oberkörper in Handschellen aus dem Supermarkt, der am Bein blutete.

Einer der Toten: ein Polizist, Vater von sieben Kindern

Ob es sich bei dem Mann um den Schützen handelte, wie Augenzeugen vermuteten, war zunächst nicht klar. Die Polizei teilte lediglich mit, dass sich ein Verdächtiger in Haft befinde. Bestätigt ist außerdem, dass unter den zehn Toten auch ein Polizist ist, der als einer der ersten Beamten am Einsatzort eingetroffen war - ein 51-jähriger Vater von sieben Kindern. Über die anderen Opfer wurde zunächst nichts bekannt. Auch über die Identität und das mögliche Motiv des Schützen gab es keine bestätigten Informationen.

Nach einer Zählung von CNN war die Tat bereits das sechste mass shooting in diesem Jahr, bei dem mehr als vier Menschen getötet wurden. Zu den tödlichen Schießereien kommt eine lange Liste von Vorfällen mit Verletzten. Vergangene Woche erst hatte ein Mann im Großraum Atlanta acht Menschen in Massagesalons erschossen. Weil die meisten von ihnen einen asiatischen Hintergrund hatten, prüfen die Ermittler ein rassistisches Motiv.

In Colorado gab es in den vergangenen Jahren besonders viele drastische Fälle von Waffengewalt. Seit dem Amoklauf an einer Schule in Columbine im Jahr 1999, bei dem 13 Menschen starben, wurden in dem Bundesstaat vier Angriffe mit hoher Opferzahl bekannt, darunter in einem Kino in Aurora.

Demokratische Politiker forderten nach dem jüngsten Vorfall erneut schärfere Waffengesetze. Das von den Demokraten beherrschte Repräsentantenhaus hatte erst vor ein paar Wochen ein Gesetz verabschiedet, das unter anderem strengere Sicherheitsüberprüfungen für Waffenkäufer vorsieht. Dieses droht jedoch im Senat am Widerstand der Republikaner zu scheitern. Auch das gehört zur US-amerikanischen Normalität.

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