Landwirtschaft: Milliarden für die Bauern - und die Natur

Beschlüsse der Bundesregierung zum Insektenschutz

Es gehe hier "um Praxis, nicht um Theorie": Agrarministerin Julia Klöckner (CDU, mit Maske) und Umweltministerin Svenja Schulze (SPD).

(Foto: dpa)

Keine Revolution, aber ein spürbarer Wandel: Nach zähen Verhandlungen einigen sich die Agrarminister der Länder auf eine neue Förderpolitik. Sie soll sich weniger an der Fläche orientieren, dafür mehr am Umweltschutz.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Drei Tage, drei Nächte, 33 zähe Stunden. Wolfram Günther hat das genau nachgehalten. "Aber es hat sich gelohnt", sagt er. Günther, ein Grüner, ist Landwirtschaftsminister Sachsens. Als solcher sitzt er gerade der Agrarministerkonferenz der Länder vor. Und in 33 langen Stunden hat sich diese Konferenz auf eine gemeinsame Linie für die künftige Agrarpolitik geeinigt. Als die Minister am Freitag fertig sind, steht da auf sieben Seiten zwar keine Revolution - aber ein spürbarer Wandel in der deutschen Agrarpolitik. "Alle mussten sich bewegen", sagt Günther.

Grüne Minister hatten einen massiven Schwenk hin zu mehr Umweltschutz gefordert, Union, SPD, FDP und Linke bloß einen sachten Wandel. Beide Seiten stellen im Kreis der Länder genau acht Minister - ein Patt. Folgerichtig liegt nun auch das Ergebnis in der Mitte. Es geht um die Verteilung von jährlich sechs Milliarden Euro an die deutschen Landwirte. Bislang wurde ihre Auszahlung nahezu komplett an die Größe der Betriebe geknüpft, je Hektar gab es gut 300 Euro. Ein kleiner Teil der Agrarhilfen, sechs Prozent, floss bisher in einen Sondertopf zur Förderung ländlicher Räume. Aus diesem Topf wird zum Beispiel der Ökolandbau gefördert.

An diesen Schrauben wollen die Länder nun drehen. So sollen 25 Prozent der Direktbeihilfen künftig nicht an die Fläche geknüpft sein, sondern an Umweltleistungen der Landwirte. Wer zum Beispiel Blühstreifen anlegt, in sogenannten Agroforstsystemen seine Äcker mit Baumstreifen kombiniert, wer Teile seines Grünlands nicht mäht oder Flächen ganz der Natur überlässt, soll dafür zusätzlich entlohnt werden. Für kleine Betriebe und solche, die Ziegen, Schafe oder einzig Mutterkühe halten, wollen die Länder Zusatzleistungen. Auch soll mehr Geld als bisher in den Topf für die ländlichen Räume fließen, die sogenannte "zweite Säule". 2023, wenn die Reform zu greifen beginnt, zunächst zehn Prozent, bis 2026 dann 15 Prozent. Nach 2027 beginnt eine neue Förderperiode mit neuen Regeln.

Agrar- und Umweltministerium wollen das Thema noch vor der Wahl abhaken

Hinter der Reform steht ein Kurswechsel auch in der europäischen Agrarpolitik. Künftig sollen mehr Mittel als bisher an Umweltleistungen geknüpft werden, über die Details verhandelten am Freitag in Brüssel auch Parlament, Kommission und Mitgliedstaaten. Vor allem aber sollen die einzelnen EU-Länder künftig eigene Strategiepläne vorlegen, die jeweils national die Verteilung der Mittel regeln. Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) hatte dafür unlängst einen ersten Entwurf vorgelegt. Allerdings sah der zunächst deutlich weniger Umbau vor: Nur 20 Prozent hatte sie für Öko-Leistungen veranschlagt, nur acht Prozent für den Öko-Topf "zweite Säule". "Das reicht nicht", befand Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) im SZ-Interview.

Doch die Einigung der Länder macht nun auch einen Kompromiss der beiden Bundesministerinnen wahrscheinlicher. Klöckner jedenfalls zeigte sich am Freitag zufrieden mit dem Länder-Kompromiss, nicht ohne einen Seitenhieb auf Schulze: Es gehe hier "um Praxis, nicht um Theorie", sagte die Agrarministerin. Schulze wiederum, die noch am Vortag eine deutlich stärkere Umschichtung der Mittel gefordert hatte, lobte nun den "wichtigen Beitrag der Agrarseite". Dieser werde nun "sorgfältig geprüft". Beide Ministerien wollen rasch eine Einigung, um das Thema noch vor der Wahl abzuhaken. Auch die Landwirte verlangen Klarheit, sie müssen die Regeln schließlich anwenden.

Der Bauernverband beklagte am Freitag "schmerzhafte Einschnitte", doch anderen gehen die Einschnitte nicht weit genug. Ein ineffektives System werde "lediglich kosmetisch korrigiert", kritisierte die Umweltstiftung WWF. Klingt alles ganz nach einem Kompromiss.

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