Kreis und quer:Mut zur Lücke

Die SPD sollte die Grünen unterstützen und damit Florian Hahn (CSU) das Direktmandat abtrotzen

Kolumne von Lars Brunckhorst

Ein halbes Jahr vor der Bundestagswahl steht der Wahlverlierer, zumindest im Landkreis München, bereits fest: Es ist - wieder einmal - die SPD. Denn aus dem Kreisverband der Noch-Landesvorsitzenden Natascha Kohnen wird künftig keine Abgeordnete mehr in Berlin sitzen. Wen auch immer die Sozialdemokraten nach dem Rückzug ihrer Abgeordneten Bela Bach nominieren: Sie oder er wird es nicht in den Bundestag schaffen. Die Kandidatenliste, über die Sozialdemokraten zuletzt ausschließlich der Einzug gelang, ist bereits geschlossen, und das Direktmandat im Wahlkreis München-Land liegt für die SPD mehr denn je außer Reichweite.

Die damit sichere Niederlage ist für die SPD München-Land doppelt bitter, denn die anderen Parteien gehen mit Kandidaten in die Wahl, die beste Aussichten haben, den Landkreis in den kommenden vier Jahren in der Hauptstadt zu vertreten: CSU-Mann Florian Hahn ist das Direktmandat so gut wie sicher und Anton Hofreiter als Fraktionschef ein Spitzenplatz auf der Grünen-Liste; auf vordere Listenplätze ihrer Parteien hoffen können wiederum Axel Schmidt bei der FDP und Gerold Otten bei der AfD.

In dieser Situation sollte die SPD ihre Schwäche zur Stärke machen: Statt eine chancenlose Ersatzkandidatin zu nominieren, wie es Kreisparteichef Florian Schardt angekündigt hat, sollte die Partei auf einen eigenen Bewerber verzichten und stattdessen den Grünen Anton Hofreiter unterstützen. Warum sollten die Sozialdemokraten das tun? Weil die einmalige Chance besteht, Florian Hahn und der CSU das Direktmandat abzunehmen. Dieses gewann Hahn 2017 mit 43 Prozent. Ein abermaliges Ergebnis in dieser Höhe ist angesichts der Umfragewerte der Union nach Maskendeals, Nebenjob-Affären und Corona-Pannen aktuell höchst unwahrscheinlich. Sollte zudem Armin Laschet Kanzlerkandidat werden, dürften sich noch mehr CSU-Wähler überlegen, wo sie ihr Kreuz machen. Prozente kosten dürfte CSU-Mann Hahn schließlich auch, dass neben der FDP erstmals auch die Freien Wähler mit einem Kandidaten im bürgerlichen Lager auf Stimmenfang gehen. Verringern die Grünen zudem ihren Abstand zur Union weiter, ist ein Sieg Hofreiters im Wahlkreis München-Land im Bereich des Möglichen - wenn SPD-Wähler nicht ihre Stimmen an einen aussichtslosen Bewerber verschenken.

In München etwa gewannen CSU-Abgeordnete vor vier Jahren Wahlkreise mit wenig mehr als 30 Prozent, weil sich SPD und Grüne gegenseitig Stimmen wegnahmen. Die Folge: Die CSU holte alle Direktmandate in Bayern und damit deutlich mehr, als ihr nach ihrem Wahlergebnis von 38,8 Prozent zugestanden wären. Wenn SPD und Grüne einen Regierungswechsel in Berlin wollen, sollten sie alles dafür tun, dass sich dies nicht im September wiederholt. Nur: Die SPD wird es nicht tun. Sie wird es nicht tun, weil sie Angst hat, dass ihr das als Schwäche ausgelegt wird - als ob das bei einer Zehn-minus-x-Partei noch eine Rolle spielt.

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